Schild mit der Aufschrift „Auskunftsperson“ vor einem Mikrofon
ORF.at/Roland Winkler
U-Ausschuss

Beamter sieht großen Schaden für BVT

Der erste Befragungstag im Untersuchungsausschuss hat am Dienstag zunächst kein gutes Bild der Vorgänge rund ums BVT geliefert. Zwei Bedienstete schilderten die Razzien als schlecht vorbereitet. Von ausländischen Diensten erhalte man nun kaum mehr Relevantes.

Die Einblicke in die Vorgänge bei der Hausdurchsuchung Ende Februar im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) waren im U-Ausschuss tief. Die Befragungen starteten mit zwei beim Staatsschutz Beschäftigten, einem Wachebeamten und einem IT-Experten des Bundesamts, bei dem eine der letztlich für unzulässig erklärten Durchsuchungen stattgefunden hatte.

Einwände ignoriert

Die zweite Auskunftsperson, ein Systemadministrator, dessen Name nicht medienöffentlich wurde, gab an, der Schaden fürs BVT durch die Razzien sei groß. Man erhalte aus dem Ausland kaum mehr relevante Informationen, nur noch Nachrichten wie „heute ist schönes Wetter“, sagte er. Das wisse er etwa von einem Kollegen aus dem Nachrichtendienst. „Wir haben bei einem lockeren Bier darüber gesprochen“, so die Auskunftsperson. Auf Nachfrage von Peter Pilz (Liste Pilz), wer der Kollege sei, nannte der Zeuge den Namen. Gut möglich, dass er nun in den Ausschuss vorgeladen wird.

Während der Razzia im Amt sei er zu Hause gewesen, doch seien auch dort Beamte der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) aufgetaucht für eine Durchsuchung. Diese hätten eine gerichtliche Anordnung hergezeigt, allerdings ohne Unterschrift von Staatsanwältin oder Journalrichter. Das sei mit Gefahr in Verzug begründet worden. Zudem sei er zu dem Zeitpunkt, zu dem Informationen gesucht wurden, nicht beim BVT tätig gewesen, sondern im Bundeskriminalamt. Dort habe er keinen Zugriff auf BVT-Akten gehabt. Das habe er auch gesagt, sei damit aber auf taube Ohren gestoßen.

Daten in Sackerln hinausgetragen

In seinem Privathaus, in dem auch seine zwei Töchter und seine Frau anwesend waren, habe die Razzia zehn Stunden lange gedauert (von 9.00 Uhr bis 19.00 Uhr)- und das, obwohl er nur als Zeuge geführt wurde. Für die Auskunftsperson sei das nicht „so schön“ gewesen, wie er erklärte. Er habe gedacht, so was könne in einem Rechtsstaat gar nicht möglich sein. Er wollte nur seine Arbeit für die „Sicherheit Österreichs“ machen. „Ich habe immer wieder betont, dass ich Zeuge bin. Aber behandelt wurde ich wie ein Beschuldigter“, so der Zeuge.

Erster Tag des BVT-Ausschusses

Im Mittelpunkt der Zeugenbefragungen stand das Vorgehen der Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz.

Ein privater Sachverständiger habe Datenträger gesichtet und kopiert – und zwar allein. Der zuständige Staatsanwalt sei rund zwei Stunden lang abwesend gewesen. Dann hätten die Beamten große Mengen an Datenträgern in Plastiksackerln hinausgetragen und seien dann in ihren Fahrzeugen davongefahren. Die Staatsanwaltschaft habe seinem Eindruck nach nur nach Belastendem gesucht. Überhaupt sei er überrascht davon gewesen, dass man offenbar alles mitnehmen wollte. „Ich hätte gedacht, dass sie bestimmte Sachen suchen.“

Den Einsatz der EGS-Beamten an sich schilderte der Systemadministrator als korrekt und nicht forsch oder unverhältnismäßig, wenngleich mit Unannehmlichkeiten für seine Familie verbunden. Seine Töchter seien im Haus gewesen, eine davon habe die Beamten hereinlassen und zu ihm in den Keller führen müssen, beide hätten auch ihre elektronischen Datenträger (zum Beispiel Smartphones) weglegen müssen. Als seine Frau vom Zahnarzt heimgekommen war, sei diese vom Polizeiaufgebot überrascht worden: „Sie hat gedacht, ein paar Kollegen besuchen mich.“ Zudem seien auch die Pkws der Familie durchsucht worden, obwohl das nicht in der Anordnung zur Durchsuchung beinhaltet gewesen sei.

„Wenn die richtigen Leute die Strippen ziehen“

Die Auskunftsperson hatte wenige Wochen nach der Razzia dem Generalsekretär des Justizministeriums, Christian Pilnacek, eine E-Mail geschrieben, da er den Verdacht gehabt habe, dieser werde im Unklaren über die Mengen der beschlagnahmten Daten gelassen. Anlass waren Pilnaceks öffentliche Aussagen, wonach bei den Durchsuchungen nur 14 Gigabyte insgesamt mitgenommen worden seien, dabei seien es alleine in einem Paket 20 Terabyte gewesen. Daraus habe er geschlossen, dass auch in der Justiz von der Staatsanwaltschaft Fehlinformationen nach oben weitergegeben worden seien.

Verfahrensrichter Eduard Strauss zitierte am Dienstag aus der E-Mail: „Mir war nicht bewusst, was passieren kann, wenn die richtigen Leute die Strippen ziehen.“ Strauss fragte, wen die Auskunftsperson damit gemeint habe. Zuerst antwortete der BVT-Mitarbeiter ausweichend, und der Verfahrensrichter mahnte, keine „philosophischen Abhandlungen“ darzulegen. Er wolle Namen wissen. Die Antwort: Es liege der Verdacht nahe, dass die Justiz von Spitzen des Innenministeriums missbraucht worden sei.

Bedienstete lachten über den Einsatz

Generell mutmaßte der Befragte, dass der Einsatz bei den Hausdurchsuchungen wenig vorbereitet gewesen sei. So sei das ursprüngliche Ansinnen, die gesamte umfangreiche EDV im Amt mitzunehmen, des Öfteren ein Lachthema in einer Kaffeerunde im Bundesamt gewesen. Der freiheitliche Fraktionsleiter Hans-Jörg Jenewein protestierte, die Aussagen stützten sich auf „Vorwürfe, an denen nichts dran ist“, es handle sich um „Spekulationen“.

Dass die Razzia an einer Privatadresse durchgeführt wurde, erklärte sich der Systemadministrator mit persönlichen Befindlichkeiten eines Kollegen, der Medienberichten zufolge bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Belastungszeuge aufgetreten ist. Ein Vorwurf lautet, dass er E-Mails von BVT-Mitarbeitern gelesen habe. „Das ist unrichtig“, so der Zeuge. Fakt ist aber auch, dass er als einer von vier BVT-Mitarbeitern Zugriff auf alle Daten des Staatsschutzes habe – auch von zu Hause.

Auf die Frage, ob es möglich sei, Daten via Fernlöschung zu eliminieren, bejahte der Zeuge. Sein Chef im Staatsschutz verfüge sehr wohl über eine Art „roten Knopf“, sagte er und erklärte, dass er selbst das aber nicht kann. Er habe zwar einen „Remote-Zugang“, arbeite aber trotzdem lieber im Büro. Die Staatsanwaltschaft hatte die Razzia wegen befürchteter Fernlöschung begründet. „Es wird alles protokolliert, jeder Klick“, betonte der Zeuge.

Bedrohung durch EGS-Leiter?

Auch der erste Zeuge, der Wachebeamte, hatte aufschlussreiche Darstellungen zu Protokoll gegeben. Auch sein Name wurde nicht öffentlich. Der Mann hatte Dienst im BVT, als – laut seiner Aussage – plötzlich 35 Beamte der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) zum Eingang kamen. Dabei sei ihm zunächst nicht gesagt worden, dass es um eine Hausdurchsuchung geht. Vielmehr habe EGS-Leiter Wolfgang Preiszler gesagt, man habe einen Termin im BVT. Erst als er die Beamten nicht gleich einließ, sondern zuerst intern nachfragen wollte, habe Preiszler gesagt, das sei eine Hausdurchsuchung.

Der befragte Mitarbeiter der Sicherheitszentrale im BVT betonte, er sei von Preiszler mit der Suspendierung bedroht worden, sollte er nicht kooperieren oder den Auftritt der EGS intern kommunizieren. Preiszler habe zudem EGS-Beamte angewiesen, Gewalt anzuwenden, sollte er das versuchen. „Wenn ich zum Telefon gegriffen hätte, hätten wir Handgreiflichkeiten gehabt.“ Die Auskunftsperson gab zu Protokoll, dass er sich in „gewisser Weise“ genötigt gefühlt habe und aufgrund der EGS-Einheit orientierungslos gewesen sei.

Beobachtungen im BVT-Ausschuss

Andreas Mayer-Bohusch mit einem vorläufigen Resümee des ersten Befragungstages.

Auf entsprechende Fragen der Ausschussmitglieder gab der Beamte zudem an, sein Eindruck sei gewesen, dass Preiszler die Hausdurchsuchung leitete, nicht die ebenfalls anwesende Staatsanwältin Ursula Schmudermayer. Der Chef der EGS-Einheit sei der „Aktive“ gewesen, so die Auskunftsperson, zumindest zu der Zeit, als die EGS-Beamten in der Sicherheitszentrale waren. Die EGS-Beamten kamen laut dem Zeugen zudem in Zivil – und zogen sich erst im BVT-Gebäude Polizeijacken über. Die 35 Polizisten wurden – wie es üblicherweise ist – nicht mehr überprüft, sagte der BVT-Wachbeamte.

Für EGS-Polizisten „normale Hausdurchsuchung“

Als dritter Zeuge wurde ein Beamter jener Polizeieinheit (EGS) befragt, die mit den umstrittenen Hausdurchsuchungen beim Verfassungsschutz betraut waren. Er schilderte, dass man mit einem „Trick“ in die BVT-Sicherheitszentrale gelangte. „Lageplan hatten wir keinen, wir haben uns mit Google Maps geholfen“, schilderte der Polizist. Man habe sich das Gelände angeschaut, etwa wo es Sicherheitsschleusen gebe.

Dann sei ein Kollege zurate gezogen worden, der sich im BVT auskannte, und man sei draufgekommen, dass es in der Sicherheitszentrale eine „Masterkeycard“ gebe, mit der man überall hinkommt. Da sei ein Plan geschmiedet worden, „wie man da vielleicht mit einem Trick in die Sicherheitszentrale reinkommt“ – der sei dann auch so umgesetzt worden. Grundsätzlich fand der Polizist an dem Einsatz nichts Ungewöhnliches oder Chaotisches: „Das war eine ganz normale Hausdurchsuchung.“

Alle beteuerten Aufklärungswillen

Zum Auftakt der ersten Befragungstags hatten die vorsitzführende Präsidentin Doris Bures (SPÖ) und die fünf Fraktionsvorsitzenden bei einem gemeinsamen Auftritt ihren Aufklärungswillen betont. Bures versprach ein Bemühen um solide und seriöse Ausschussarbeit. Es handle sich beim BVT um eine der wichtigsten Sicherheitseinrichtungen des Landes, so Bures. Daher habe die Öffentlichkeit das Recht darauf, dass offene Fragen einer Klärung zugeführt werden.

Parteienvertreter des BVT-U-Ausschusses
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Bures und die Ausschusskollegen betonten zum Auftakt ihren Aufklärungswillen

Im Ausschuss sind 18 Abgeordnete vertreten, sechs der ÖVP, je fünf von SPÖ und FPÖ, sowie je einer von NEOS und Liste Pilz. Geleitet wird das Gremium von Bures, da Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wegen seiner früheren Tätigkeit als Ressortchef im Innenministerium verzichtet hat. Verfahrensrichter ist Eduard Strauss, Verfahrensanwalt Arthur Mikesi.