Eindrücke aus dem U-Ausschuss zur Causa BVT
ORF.at/Roland Winkler
BVT-Ausschuss

Razzienchaos und ein Beinahe-Rauswurf

Auch am Mittwoch haben die Zeugen im U-Ausschuss zur BVT-Affäre ein wenig schmeichelhaftes Bild von den Hausdurchsuchungen gezeichnet. Auch verdichtete sich der Eindruck, dass diese entgegen den offiziellen Darstellungen des Innenministeriums sehr wohl zu einem Imageschaden führten – so drohte der Rauswurf aus einem Club mit Chefs anderer Geheimdienste.

Peter Pilz (Liste Pilz) legte dazu am Mittwoch ein Antwortschreiben der Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) an den Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Peter Gridling, von Ende Juni vor, in dem es darum ging, dass „eine Suspendierung des BVT in der Berner Gruppe im Raum“ stehe.

In der Berner Gruppe sitzen Chefs europäischer und anderer wichtiger Geheimdienste, Zweck sind Austausch und gemeinsame strategische Überlegungen. Um einer Suspendierung entgegentreten zu können, benötige das BVT eine „Schadensanalyse, welche den Partnerdiensten präsentiert werden könne“, hieß es in dem Schreiben.

„Secret“-Dokument in Büro aufbewahrt

Die Staatsanwaltschaft gab in dem Schreiben an, dass sie noch ein als „Secret“ eingestuftes Dokument habe, „welches dem BVT vom BfV (dem deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz, Anm.) zur Verfügung gestellt“ worden sei. Dieses Dokument sei „vom Beschuldigten entgegen den internen Vorschriften des BVT in seinem Büro aufbewahrt“ worden. Laut Pilz handelt es sich dabei um Bernhard P., der am Nachmittag im U-Ausschuss aussagte.

P. war Leiter der Abteilung für Spionageabwehr und Proliferationsbekämpfung im BVT. Nach der Hausdurchsuchung an seiner privaten Adresse und im BVT am 28. Februar wurde er entlassen. Den Vorwurf, vertrauliche Unterlagen mit nach Hause genommen zu haben, nannte P. „absurd“, denn: „Auch andere Mitarbeiter haben von zu Hause gearbeitet. Das war nicht nur geduldet, sondern gewünscht.“

Eindrücke aus dem U-Ausschuss zur Causa BVT
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Mitglieder von NEOS und Liste Pilz im U-Ausschuss

BVT: Gute Kooperation mit ausländischen Diensten

Das BVT betonte unterdessen, dass die Zusammenarbeit mit Partnerdiensten weiter gut funktioniert: „Es gibt regelgemäße Treffen der Dienstchefs. An diesen Treffen nimmt das BVT nach wie vor teil“, sagte Gridling in einer Aussendung. Das Innenministerium ergänzte, dass sowohl der Innenminister Italiens (Matteo Salvini, Anm.) als auch jener Deutschlands (Horst Seehofer, Anm.) zuletzt beteuert hatten, dass die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt weiterlaufe.

ÖVP: Razzien nicht „vertrauensbildend“

„Ich glaube dem Innenminister kein Wort mehr“, resümierte SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer. Auch NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper ist verärgert: „Die Bevölkerung wird an der Nase herumgeführt.“ FPÖ-Fraktionsführer Hans-Jörg Jenewein sah die Sache ein bisschen anders: Ohne Details zu nennen, behauptete er, es habe diesbezüglich schon vor der Hausdurchsuchung Probleme gegeben. Aber selbst für den Koalitionspartner ÖVP ist nicht alles im Lot: Fraktionsführer Werner Amon meinte, dass die Hausdurchsuchungen und die öffentliche Diskussion um das BVT „nicht gerade das ist, was man insgesamt eine vertrauensbildende Maßnahme nennt“.

„Kartons und Plastiksackerl ausgeborgt“

Die BVT-Rechtsexpertin K. selbst sagte im Ausschuss, sie habe die zuständige Staatsanwältin Ursula Schmudermayer schon bei der Razzia auf die Sensibilität der Arbeit des BVT hingewiesen und sie gebeten, beschlagnahmte Unterlagen zu versiegeln. Das wurde aber abgelehnt.

Eindrücke aus dem U-Ausschuss zur Causa BVT
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Im U-Ausschuss mehren sich die Hinweise auf folgenschwere Konsequenzen der Razzia

Überhaupt wurde wie bereits am ersten Befragungstag auch am Mittwoch von den Zeugen Chaos bei den Hausdurchsuchungen beschrieben. Robert B., ein Mitarbeiter der EDV-Abteilung, schilderte die Razzia als schlecht vorbereitet. Man habe „wahllos Datenträger sichergestellt“, auch solche, die selbst für Laien als unbrauchbar erkennbar gewesen seien. Und: „Sie hatten keine Behältnisse mit, um Datenträger mitzunehmen. Es wurden von uns Kartons und Plastiksackerl ausgeborgt.“

„Fernlöschung“ ein „Schwachsinn“

Auch die angeblich mögliche „Fernlöschung“ von Daten – das Hauptargument von Justiz und Polizei für die Razzia – dementierte der Techniker. Jeglicher Zugriff auf das Dokumentensystem im BVT werde protokolliert. „Der Schwachsinn mit dieser Fernlöschung, der herumgeistert, ist ein Schwachsinn – und das sollte einmal gesagt werden.“

Mehrere BVT-Mitarbeiter hatten eine harsche Vorgangsweise durch den FPÖ-nahen Einsatzleiter Wolfgang Preiszler beschrieben, auch von Gewaltandrohung war die Rede. Nach einer Sachverhaltsdarstellung prüft derzeit laut „Standard“ die Staatsanwaltschaft Korneuburg, ob es zu einem Nötigungsverfahren gegen Preiszler kommt.

Kickl-Referentin als „Journalistin“ im Medienraum

Für Aufregung am Rande sorgte im U-Ausschuss am Mittwoch außerdem die Vorgangsweise des von Herbert Kickl (FPÖ) geführten Innenministeriums: Weil die Sitzungen nicht öffentlich zugänglich sind, setzte sich eine Fachreferentin des Ministers mit einem Presseausweis als „Journalistin“ in den Medienraum, in den die Zeugenbefragungen live übertragen werden. Ausschussvorsitzende Doris Bures (SPÖ) lässt nun die Zugangsregeln prüfen.

Nach der Befragung der ersten sechs Zeugen an zwei Tagen macht der BVT-Untersuchungsausschuss eine Woche Pause. Die nächsten Auskunftspersonen müssen am 18. und 19. September in den Ausschuss kommen. Am spannendsten dürfte dabei die Befragung von Preiszler werden – der Chef der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) leitete die umstrittene Razzia im BVT.