Innenminister Herbert Kickl (FPÖ)
APA/Roland Schlager
BVT-Sondersitzung

53 Blitzantworten von Kickl

In der von der Opposition einberufenen Sondersitzung zur BVT-Affäre ist Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) am Freitag öffentlich mit ersten Erkenntnissen des U-Ausschusses konfrontiert worden. Auch wurde in einer Dringlichen Anfrage ein umfangreicher Fragenkatalog an ihn gerichtet. Kickl zeigte sich wenig beeindruckt.

Es ist die dritte Sondersitzung des Nationalrats zu den Vorgängen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Kickl zeigte sich erneut unbeeindruckt von den Vorwürfen der Opposition, er und sein Ministerium hätten hinter den umstrittenen Razzien im BVT und an Privatadressen die Fäden gezogen. Die Razzien waren vom Oberlandesgericht Wien später großteils für unzulässig erklärt worden. In einer Dringlichen Anfrage richteten SPÖ, NEOS und Liste Pilz (LP) 53 Fragen an den Innenminister. Der Fraktionsführer der SPÖ im U-Ausschuss, Jan Krainer, brachte die Anfrage formal ein.

Harte Bandagen in der Begründung

Kickl, sein Generalsekretär im Ministerium, Peter Goldgruber, und andere Kabinettsmitglieder hätten die „rechtswidrigen Hausdurchsuchungen federführend“ orchestriert. Diese seien „überfallsartig“ passiert und seien „überaus brutal“ verlaufen. Es seien Zeugen „gesammelt“ und in oftmaligen Treffen „präpariert“ worden, um sie „häppchenweise der Staatsanwaltschaft“ zu präsentieren, so die Begründung für die Anfrage. Zusätzlich sei als Rechtfertigung für die Razzien Gefahr im Verzug „konstruiert“ worden – „mit der falschen Behauptung, die Daten im BVT könnten jederzeit von außen‘ gelöscht werden“. Diese Fernlöschungen seien im U-Ausschuss bereits von einem IT-Experten des BVT als „Schwachsinn“ dementiert worden.

Sondersitzung zur BVT-Affäre

Die Causa BVT – also die Affäre um das Bundesamt für Verfassungsschutz – beschäftigt am Freitag das Parlament.

Die Opposition formulierte darin nicht nur Vorwürfe, Kickl sei politisch verantwortlich. Auch der vermutete Schaden für den Staatsschutz wurde thematisiert. Auch das habe bereits der U-Ausschuss gezeigt. „Wenn Sie sich da herstellen und sagen, es gibt keinen Schaden, glaube ich Ihnen kein Wort“, so Krainer unter Applaus der Oppositionsparteien.

Opposition und „Inquisition“

Kickl wies einmal mehr alle Vorwürfe zurück. Die Opposition kenne den Unterschied zu „Inquisition“ nicht. Es sei versucht worden, „ein möglichst dramatisches Bild zu zeichnen“, das aber nicht den Tatsachen entspreche. „Ich habe recht, und Sie haben unrecht“, so Kickl. Das Vertrauen ausländischer Nachrichtendienste in das BVT sei nach wie vor gegeben, sagte Kickl und zitierte ein Interview des deutschen Kanzleramtsministers Helge Braun: Österreich sei ein wichtiger Partner Deutschlands in der nachrichtendienstlichen Kooperation.

„Das passt halt alles nicht so in Ihren Regieplan hinein“, sagte Kickl in Richtung der Opposition. Die 53 Fragen der „Dringlichen“ beantwortete Kickl in der Folge im Schnelldurchlauf. Innerhalb weniger Minuten schilderte er, dass der FPÖ-nahe Chef der Einsatzgruppe bei den Razzien von Generalsekretär Goldgruber bereits am 21. Februar, also eine Woche vor der Razzia, von einem Einsatz informiert worden sei, allerdings ohne Details.

Inhaltliche Absprachen hätten nicht stattgefunden. Eine Dokumentation darüber sei daher auch nicht erforderlich gewesen. Die Planung und Nachbereitung der Hausdurchsuchung liege in der Zuständigkeit des Justizministeriums, sagte Kickl. Die „Zeugenpersonen“, die der Staatsanwaltschaft präsentiert wurden, seien zuvor nicht geladen gewesen, es hätten nur formlose Gespräche auf deren Wunsch stattgefunden. Daher seien auch keine Protokolle der Gespräche angefertigt worden.

Kickl kontert Opposition

Der Innenminister nahm am Freitag Stellung zu den gegen ihn gerichteten Vorwürfen in der Causa BVT. Dabei wies er Kritik zurück und griff die Opposition an.

Was die Kooperation mit ausländischen Diensten betrifft, seien „vertrauensbildende Maßnahmen“ getroffen worden. Er selbst sei im Juni dieses Jahres davon in Kenntnis gesetzt worden, dass in letzter Konsequenz eine Suspendierung aus der „Berner Gruppe“ möglich sei, so Kickl. Dabei handelt es sich um ein Forum des Austausches mit internationalen Geheimdiensten. Seine wiederholten Äußerungen, dass die Kooperation mit den Partnerdiensten funktioniere, basierten auf Aussagen auf zahlreichen Ebenen, die ihm das bestätigt hätten, so Kickl.

Wirbel um Kickls Mitarbeiterin mit Kamera

Auch die Anwesenheit von Kickls direkter Kabinettsmitarbeiterin im Medienraum des BVT-U-Ausschusses rechtfertigte der Innenminister: Sie habe einen gültigen Presseausweis und sei somit berechtigt gewesen, sich unter die Journalistinnen und Journalisten beim U-Ausschuss zu mischen. Am Rande der Nationalratssondersitzung sorgte eine Ministeriumsgesandte erneut für Wirbel: Dieses Mal wollte die Mitarbeiterin des Innenministeriums mit Kamera ins Parlament. Es wurde ihr auch der Zutritt gewährt – allerdings nur ohne Kamera.

Vonseiten des Parlamentsdirektion hieß es auf APA-Anfrage, dass die Frau einen Dienstauftragsschein habe, um als offizielle Vertreterin eines Ressorts ins Parlament gelassen zu werden. Um Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte mitzunehmen, brauche es aber eine gesonderte Genehmigung. Krainer bezeichnete es als „unerhört, dass Kickl seine Spitzel nicht nur in den Medienraum des U-Ausschusses schickt, sondern auch Journalisten bei ihrer Arbeit in den Parlamentssitzungen überwachen will“.

Hitzige Debatte mit Ordnungsruf

Die Debatte im Parlament verlief anschließend hitzig, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) mahnte immer wieder zur Ruhe. Der SPÖ-Abgeordnete Jörg Leichtfried – er ist Mitglied im BVT-U-Ausschuss – machte Kickl für mehrere Gesetzesbrüche verantwortlich. Leichtfried warf Kickl Inkompetenz und Skrupellosigkeit vor. NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper forderte Konsequenzen vom Innenminister. Peter Pilz (LP) kritisierte, dass das BVT vor der Suspendierung aus der „Berner Gruppe“ stand. Würde Österreich hier vor die Tür gesetzt, „dann sind wir in der Bekämpfung des Terrorismus blind und taub“, sagte Pilz. Jeder Tag mehr, den sich Kickl im Amt befinde, schade dem BVT.

Kritik an der Opposition gab es von den Regierungsparteien. Der FPÖ-Abgeordnete Hans-Jörg Jenewein sprach von einem "Hexenprozess“ und warf in Richtung SPÖ sozialistischen Jugendorganisationen in Wien überfallsartige Aktionen vor, bei denen mit Sturmhauben regelmäßig Wien „in Schutt und Asche“ gelegt werde. Für Jenewein gab es schließlich einen Ordnungsruf, als dieser dazu ansetzte, einen russischen Dissidenten mit den Worten zu zitieren, dass Sozialisten Kriminelle schützten. Auf der Tagesordnung des Nationalrats stand am Freitag auch noch ein Misstrauensantrag gegen Kickl, der insgesamt dritte. Wie erwartet wurde dieser von den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ abgeschmettert.

Strache verteidigt Kickl

Vor der Abstimmung über den Misstrauensantrag trat FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache ans Rednermikrofon, um seinem Innenminister noch einmal den Rücken zu stärken. „Wir haben einen exzellenten Innenminister“, sagte Strache. Die Kritik an Kickl sei vor allem „politisch motiviert“. Es werde versucht, den Minister mit „falschen Behauptungen, Unwahrheiten und mit ganz bewusst überzogenen Begrifflichkeiten anzupatzen“.

Die Verantwortung für die Hausdurchsuchung beim BVT liege bei der Justiz, verwies Strache auf die Gewaltenteilung. Das Oberlandesgericht habe festgestellt, dass die Staatsanwaltschaft überschießend agiert habe, nicht der Innenminister. Und Strache erinnerte an den Hintergrund und Ursprung der Ermittlungen beim BVT. Es habe ganz konkrete Korruptions- und Amtsmissbrauchsvorwürfe gegen BVT-Mitarbeiter gegeben. Man dürfe daher „nicht von Ermittlungsdruck reden, sondern von Ermittlungsverantwortung und Ermittlungspflicht“.