Zwei Männer vor einer Auslage
APA/AFP/Filippo Monteforte
Sonntagsshopping ade

Ladenöffnungszeiten spalten Italien

Sonntags einkaufen zu gehen soll in Italien bald nicht mehr möglich sein: Der italienische Vizeregierungschef Luigi di Maio will, dass Geschäfte, Einkaufszentren und Supermärkte an Sonn- und Feiertagen geschlossen bleiben, und sorgt damit für hitzige Diskussionen.

Die europaweit beispiellose Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten war erst 2012 vom damaligen Premier Mario Monti im Rahmen eines Maßnahmenpakets zur Ankurbelung der italienischen Wirtschaft eingeführt worden. Seither können Geschäfte, Supermärkte und Einkaufszentren 24 Stunden am Tag sieben Tage pro Woche inklusive Feiertage geöffnet sein. Laut dem nationalen Tarifvertrag können Unternehmen, deren regulärer Ruhetag der Sonntag ist, an 25 Wochenenden im Jahr Sonntagsarbeit verlangen.

„Liberalisierung zerstört die Familien“

Laut dem Großhandelsverband Federdistribuzione nutzen im Schnitt zwölf Millionen Menschen sonntags die Gelegenheit zum Einkauf. Di Maio, Chef der Fünf-Sterne-Bewegung und Arbeitsminister, will dem nun einen Riegel vorschieben und die Liberalisierung bei den Ladenöffnungszeiten rückgängig machen: „Innerhalb eines Jahres werden wir ein Gesetz verabschieden, mit dem Einkaufszentren nicht mehr an Sonntagen und Feiertagen offen sein können.“

„Die Ladenöffnungszeiten werden nicht mehr frei sein wie bisher. Diese Liberalisierung zerstört die italienischen Familien. Man muss wieder beginnen, die Öffnungszeiten zu regeln“, sagte Di Maio. Laut einem Gesetzesentwurf, den die Abgeordnetenkammer prüft, sollen Geschäfte an lediglich acht Sonntagen im Jahr offen sein dürfen. Ausnahmen soll es für Cafes und Geschäfte in Touristenorten geben.

„Ich sage nicht, dass am Samstag und Sonntag überhaupt keine Einkäufe mehr getätigt werden sollen“, wurde Di Maio am Montag in der Tageszeitung „La Repubblica“ zitiert, vielmehr werde es einen Mechanismus geben, wonach jeweils ein Viertel der Geschäfte turnusmäßig an Sonn- und Feiertagen geöffnet bleibt. „Es wird immer einen Ort zum Einkaufen geben“, fügte Di Maio hinzu. Die Ladenöffnungszeiten sollen von Regionen und Kommunen geregelt werden.

Gewerkschaft und Kirche erfreut

Seit Monaten läuft eine Unterschriftenaktion gegen die Sonn- und Feiertagsöffnung – unterstützt vom Handelsverband Confesercenti und der Gewerkschaft, die Di Maios Pläne begrüßen. Das Liberalisierungsgesetz von 2012 habe kein Wirtschaftswachstum gebracht, außerdem hätten Tausende kleinere Geschäfte zusperren oder Mitarbeiter entlassen müssen. Nur die großen Ketten könnten sich die Rund-um-die-Uhr-Öffnung leisten.

Francesco Iacovone, Mitglied des nationalen Führungsgremiums der autonomen Gewerkschaft COBAS, etwa sagte, Montis Liberalisierungsgesetz habe zu keiner wahren Ankurbelung der Beschäftigung beigetragen. Das Gesetz „benachteiligt die Arbeitnehmer, die sonntags arbeiten müssen, und den Kleinhandel. Es ist besser, wenn das geltende Gesetz abgeschafft wird“, sagte Barbara Saltamartini, Präsidentin der Kommission für produktive Tätigkeiten in der italienischen Abgeordnetenkammer.

Di Maio kann auch mit der Unterstützung der katholischen Kirche rechnen, die sich seit Jahren für einen einkaufsfreien Sonntag einsetzt. „Montis Ladenschlussgesetz entspricht nicht den ethischen Prinzipien, und eine Wirtschaft ohne Ethik ist – wie der Papst auch immer wieder hervorhebt – destruktiv“, so Giancarlo Maria Bregantini, Erzbischof der Stadt Campobasso und Ex-Präsident der Kommission der Bischofskonferenz für die Arbeit. „Der arbeitsfreie Sonntag würde vielen Familien mehr Ruhe schenken. Der Sonntag bedeutet für sie auch, sich mehr der eigenen Gemeinde zu widmen“, so der Erzbischof.

Großhandel auf den Barrikaden

Auf scharfen Widerstand stößt Di Maio mit seinem Anliegen jedoch beim Verband der Großhändler. Dieser beschuldigte die Regierungsparteien, dem Druck der Lobby der Kleinhändlerinnen und Kleinhändler nachzugeben und damit Millionen von Konsumentinnen und Konsumenten zu schaden. Die 2012 liberalisierten Ladenöffnungszeiten seien ein Erfolg, sagte der Präsident von Federdistribuzione, Claudio Gradara, gegenüber dem „Corriere della Sera“.

„Sie haben den Konsum in einer schwierigen Phase angekurbelt. Es ist unbegreiflich, warum man den shoppingfreien Sonntag einführen sollte“, so Gradara. Vor allem in einer Phase zunehmender Konkurrenz durch E-Commerce sollte der Großhandel nicht benachteiligt werden. Mit einem einaufsfreien Sonntag würde der Onlinehandel nur noch weiter wachsen. Im gesamten Sektor seien zudem 30.000 bis 40.000 Arbeitsplätze gefährdet.

Die Maßnahme der regierenden Fünf-Sterne-Bewegung sei „absurd“, schrieb Ex-Premier Matteo Renzi am Montag auf Twitter. Sie würde Tausende Jugendliche den Job kosten. „Di Maio erweist sich als ‚Arbeistlosenminister‘, nicht als Arbeitsminister“, kritisierte Renzi.