Nicht nur das menschliche Leid, auch der volkswirtschaftliche Schaden ist enorm. 300 Milliarden Euro Kosten verursachen durch Luftschadstoffe ausgelöste Erkrankungen jedes Jahr in den 28 Mitgliedsländern, sagt Janusz Wojciechowski, der die Prüfung des EU-Rechnungshofes geleitet hat.
Demgegenüber stehen laut dem früheren polnischen EU-Parlamentarier gerade einmal 1,8 Milliarden Euro, die Brüssel in den vergangenen sieben Jahren in Maßnahmen zur Verbesserung der Luft gesteckt habe. „Unser Bericht zeigt, dass in der EU nicht genug gegen Luftverschmutzung getan wird“, sagt Wojciechowski gegenüber ORF.at. „Wir hoffen, dass unser Bericht dazu führt, dass dem Thema im nächsten EU-Budget mehr Raum gewidmet wird.“
Osteuropäische Staaten besonders betroffen
In städtischen Gebieten ist die Schadstoffbelastung für die Bewohnerinnen und Bewohner insgesamt am höchsten. Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die ebenfalls Eingang in den Rechnungshofbericht gefunden haben, zeigen zudem, dass die östlichen EU-Staaten vom Problem besonders betroffen sind.

In Bulgarien, der Tschechischen Republik, Lettland und Ungarn kosten Stickoxide, Schwefeldioxid, Ozon und Feinstaub den Einwohnerinnen und Einwohnern der WHO zufolge besonders viele Lebensjahre. Die Situation ist laut der Organisation sogar schlimmer als in China.
Vor allem für die osteuropäischen EU-Staaten brauche es aus diesen Gründen viel mehr Geld, etwa für die Modernisierung von Heizungssystemen in Haushalten, sagt Wojciechowski. Die Menschen in diesen Ländern könnten sich diese Investitionen nicht leisten, finanzielle Unterstützung aus den Mitgliedsländern und dem EU-Budget sei hier notwendig. Das sei kostspielig – wie bisher weiterzumachen sei aber noch teurer, sagt Wojciechowski.
Schlechte Luft in Brüssel
Die derzeit in der EU geltenden Grenzwerte für Schadstoffe bezeichnet Wojciechowski als „zu schwach“. Die EU-Richtlinie zur Luftqualität sei 20 Jahre alt, Brüssel sollte die deutlich schärferen Grenzwerte der WHO übernehmen, sagt Wojciechowski. Das Problem beginnt in vielen Mitgliedsländern allerdings schon viel früher, wie der Rechnungshofbericht zeigt: 2016 etwa wurden die von der EU festgelegten Feinstaubgrenzwerte in 13 der 28 EU-Staaten überschritten.

Obwohl die EU-Kommission rechtliche Schritte gegen viele Mitgliedsländer eingeleitet und die entsprechenden Verfahren auch gewonnen hätte, würden viele EU-Mitglieder weiterhin gegen die in der Luftgüterichtlinie festgelegten Standards verstoßen, heißt es weiters im Bericht. Strafen freilich seien nur ein Mittel von vielen, sagt Wojciechowski. Viel wichtiger sei die finanzielle Hilfe.

Probleme gibt es auch beim Sammeln und Auswerten der Daten über die Luftqualität. „Die Messstationen stehen nicht immer dort, wo sie sein sollten“, sagt Wojciechowski. In Brüssel etwa sei eine Station unweit des Kommissionsgebäudes, die eine hohe Luftverschmutzung durch den Straßenverkehr gemessen habe, geschlossen worden. „Wir müssen davon ausgehen, dass die EU-Beamten hier in Brüssel unter nicht gerade guten Luftbedingungen arbeiten“, so der Prüfer. Neben Brüssel standen die bulgarische Hauptstadt Sofia, Krakau in Polen, das deutsche Stuttgart, Ostrava in Tschechien und die italienische Metropole Mailand für den aktuellen Bericht im Fokus des Rechnungshofes.
Zu wenig Augenmerk in anderen Politikfeldern
Und noch auf ein anderes Problem weist der Rechnungshof hin: Bei einigen politischen Vorhaben der Union werde der Luftverschmutzung zu wenig Rechnung getragen. Im Rahmen der EU-Klimastrategie etwa setzt Brüssel auf den Ausbau erneuerbarer Energien – darunter auch Biomasse. Das Verbrennen von Biomasse allerdings kann den Ausstoß einiger Schadstoffarten in die Höhe treiben.