Sitzung der UNO in Genf
APA/AFP/Fabrice Coffrini
Schutz von Flüchtlingen

Kurz sieht in UNO-Prüfung eine „Chance“

Die neue UNO-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet will den Schutz von Geflüchteten in Österreich überprüfen lassen, wie sie am Montag in Genf erklärte. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sieht darin eine „Chance, Vorurteile und gezielte Falschinformationen über Österreich richtigzustellen“.

Die Ankündigung Bachelets vom Montag, ein UNO-Team nach Österreich zu schicken, um den Schutz von Flüchtlingen zu überprüfen, sei zu begrüßen, hieß es in einer Aussendung aus dem Büro Kurz. Die „Lebensbedingungen für Migranten“ seien in Österreich „so gut (…) wie in kaum einem anderen Land der Welt“. Außerdem würden die Kontrolleure feststellen, dass Österreich „pro Kopf nach Schweden am zweitmeisten Menschen in Europa aufgenommen“ habe.

Bachelet: „Jüngste Entwicklungen“ bewerten

Laut Redetext Bachelets sollten mit der Prüfung „jüngste Entwicklungen auf diesem Gebiet“ bewertet werden. Kurz hoffe, „dass nach dieser Prüfung die UNO wieder Zeit und Ressourcen hat, um sich jenen Ländern zu widmen, wo Folter und Todesstrafe auf der Tagesordnung stehen und Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Religionsfreiheit mit Füßen getreten werden“, so der Kanzler.

Sitzung der UNO in Genf
APA/AFP/Fabrice Coffrini
Der Sitzungssaal des UNO-Menschenrechtsrats in Genf

In der Reaktion auf die Ankündigung der seit September amtierenden UNO-Menschenrechtskommissarin ließ es sich das Büro Kurz nicht nehmen, auf den politischen Hintergrund Bachelets zu verweisen: Die Überprüfung sei von der „ehemaligen sozialistischen Politikerin sowie Mitglied der sozialistischen Internationalen“ angeordnet worden. Bachelet war von 2006 bis 2010 und von 2014 bis 2018 Präsidentin Chiles.

NEOS ortet „Grenzüberschreitung“ von Kurz

Die Reaktion Kurz’ veranlasste NEOS zu einer Aussendung: Die Partei warf dem Bundeskanzler vor, das Amt der UNO-Menschenrechtskommissarin herabzusetzen. Mit dem Verweis auf ihre politische Vergangenheit habe der Kanzler Bachelet öffentlich diskreditiert. Das sei ein „weiterer unerträglicher Schritt“, teilte NEOS-Menschenrechtssprecher Nikolaus Scherak am Montag mit.

Zwar sei es „unbestritten, dass Österreich in der Flüchtlingshilfe sehr viel geleistet hat und, dass die Menschenrechtsstandards in Österreich hoch sind“. Dass der Bundeskanzler „so unverfroren die Unabhängigkeit der Menschenrechtskommissarin in Zweifel zieht“, sei aber eine „Grenzüberschreitung“.

„Patzige und beleidigte“ Äußerungen

Vielleicht sei dem Kanzler nicht bewusst, „dass Menschenrechte keine Parteizugehörigkeit kennen, sondern universell und für jedermann gültig sind“, heißt es von NEOS. „Gerade aufgrund der Tatsache, dass Michelle Bachelet selbst Folteropfer ist, sind solche Aussagen komplett daneben.“ Die „patzigen und beleidigten“ Äußerungen seien „eines Bundeskanzlers nicht würdig“. Kurz solle sich entschuldigen, meinte Scherak abschließend.

Bachelet war Staatspräsidentin Chiles. Ihr Vater, ein Luftwaffengeneral, wurde 1973 am Anfang der Militärdiktatur von Augusto Pinochets inhaftiert und starb wenig später unter der Folter. Bachelet selbst wurde 1975 als aktives Mitglied der Sozialistischen Jugend zusammen mit ihrer Mutter im berüchtigten Folterkerker Villa Grimaldi in Santiago de Chile inhaftiert. In der Gefangenschaft wurde sie unter anderem geschlagen und mit Stromschlägen traktiert. Nach ihrer Freilassung gelang ihr die Flucht aus Chile.

„Allfällige Missverständnisse ausräumen“

Das Außenministerium reagierte auf die Ankündigung Bachelets ähnlich wie das Bundeskanzleramt: Österreich habe „in vorbildlicher Weise Flüchtlinge aufgenommen“. „Wenn es in diesem Zusammenhang sachliche Kritik geben sollte, wird sich Österreich damit auseinandersetzen“, hieß es in einer Stellungnahme. Man werde das Gespräch mit Bachelet suchen, um „allfällige Missverständnisse auszuräumen“.

Auch wies das Außenministerium darauf hin, dass die Äußerungen Bachelets zu Österreich „so nicht“ gefallen seien. Sie stünden lediglich in dem im Voraus veröffentlichten Redetext. Nach dpa-Informationen war die tatsächlich gehaltene Rede eine Zusammenfassung des Textes. Österreich sei bei der Rede zwar erwähnt worden, die Ankündigung, ein Team zu entsenden, befinde sich allerdings nur im online abrufbaren Redetext.

„Ausländerfeindliche Hassreden in Deutschland“

In ihrer Rede zeigte sich Bachelet ebenso besorgt über „ausländerfeindliche Hassreden in Deutschland“. Neben den drei EU-Ländern Österreich, Deutschland und Italien hob Bachelet auch China kritisch hervor: Die UNO-Kommissarin forderte die Führung in Peking auf, wegen des Umgangs mit der Minderheit der Uiguren Beobachter ins Land zu lassen. Berichte über Umerziehungslager in der Provinz Xinjiang seien „zutiefst verstörend“.

Auch die Lage in den USA war Thema in Bachelets Rede: 500 Einwandererkinder seien von ihren Eltern nach wie vor getrennt. Sie kritisierte die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump von vergangener Woche, wonach die US-Regierung illegal ins Land gekommene Migrantenfamilien künftig länger als bisher erlaubt festhalten will – bis zum Ende des Verfahrens. Bis jetzt dürfen Kinder nicht länger als 20 Tage inhaftiert werden.

Bei Migrationspolitik „nicht an Panik orientieren“

Angesichts der Problemfälle in den genannten Ländern forderte Bachelet weltweit ein Umdenken in der Migrationspolitik. „Es ist im Interesse aller Staaten, eine Migrationspolitik zu verfolgen, die sich an der Realität orientiert – und nicht an Panik“, sagte sie. Eine solche Migrationspolitik müsse Möglichkeiten für eine sichere und reguläre Überfahrt beinhalten, statt Menschen auf eine Flucht voller tödlicher Risiken zu schicken.

Mauern aufzustellen, Angst und Schrecken zu erzeugen und Flüchtlingen ihre fundamentalen Rechte zu versagen seien keine langfristigen Lösungen. „Das erzeugt nur mehr Feindseligkeit, Not, Leid und Chaos.“ Bachelet rief zudem zu einer engeren Zusammenarbeit unter den Staaten auf – auch wenn manche untereinander mit politischen Differenzen zu kämpfen hätten. Schließlich sei das Aufrechterhalten der Menschenrechte im Interesse aller Staaten.