Studenten am Campus der Universität Wien
ORF.at/Peter Pfeiffer
Bildung

In den Fußstapfen der Eltern

In der Hochschulbildung gibt es nur geringe Chancengerechtigkeit, wie sich im Vergleich mit anderen Ländern zeigt. Und das wird sich so schnell nicht ändern. Denn die Eltern geben den Weg vor: Bildung wird weiterhin vererbt, wie die am Dienstag präsentierte OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“ deutlich macht.

In Österreich ist deshalb die Chance von Personen, deren Eltern keinen Abschluss im Tertiärbereich haben, auf den Beginn und Abschluss eines Bachelor-, Diplom- oder Masterstudiums besonders gering. Für ihre Auswertung zur Gerechtigkeit bzw. Mobilität im Hochschulbereich hat die OECD diesmal einen etwas anderen Zugang als in den vergangenen Jahren gewählt.

Die Ungleichheit wird dabei anhand eines Vergleichs des Anteils junger Menschen aus potenziell benachteiligten Gruppen im Hochschulbereich mit ihrem Anteil an der Gesamtpopulation verglichen. Bei optimaler Chancengleichheit müsste dieser in etwa übereinstimmen – je weiter auseinander die Werte, desto ungerechter geht es zu.

Studenten während einer Vorlesung
ORF.at/Peter Pfeiffer
Wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, auf eine Universität zu gehen, hängt immer noch stark vom Elternhaus ab

„Lücke“ bei Hochschulabschlüssen

In Österreich beträgt der Anteil der 18- bis 24-Jährigen mit Eltern ohne Tertiärabschluss – wobei in diesem Zusammenhang neben Hochschulabschlüssen auch ein BHS-Abschluss als solcher gilt – an der Gesamtpopulation dieser Altersgruppe 61 Prozent.

Bei den Anfängern und Anfängerinnen eines Bachelor- oder Diplomstudiums an einer Hochschule liegt der entsprechende Prozentsatz dagegen bei nur 37 Prozent. Die entsprechende Lücke beträgt damit 24 Prozentpunkte. Höher ist sie nur in Lettland und Litauen, besonders niedrig ist der Abstand in Italien mit nur elf Prozentpunkten.

„Gap“ bei Absolventen am größten

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei einem Blick auf die Absolventinnen und Absolventen: Der Anteil der 20- bis 29-Jährigen mit Eltern ohne Tertiärabschluss an der Gesamtpopulation dieser Altersgruppe macht laut OECD-Studie 64 Prozent aus, bei den Erstabsolventinnen und -absolventen eines Bachelor- oder Diplomstudiums dagegen nur noch 38 Prozent. Hier ist dieser „Gap“ in Österreich mit rund 26 Prozentpunkten sogar am größten (ex aequo mit Schweden). Abstände nur knapp über zehn Prozentpunkten verzeichnen dagegen etwa Australien und Kanada.

Eltern geben Weg vor

Auch andere Indikatoren weisen auf Ungleichheiten hin: So geht etwa ein niedriger Bildungsstand der Eltern tendenziell mit einer späteren Aufnahme eines Hochschulstudiums einher. Außerdem endet in allen Ländern die Bildungskarriere von Bildungsteilnehmenden, deren Eltern keinen Tertiärabschluss haben, früher: Unter den Anfängern in der Sekundarstufe II (AHS-Oberstufe, BMHS, Lehre) schaffen sie seltener den Abschluss als Kinder von Eltern mit Tertiärabschluss und beginnen seltener ein Studium.

Und: Der Bildungsstand der Eltern beeinflusst nicht nur die Entscheidung darüber, ob eine Ausbildung im Tertiärbereich angestrebt wird, sondern auch, welche. So wählen etwa Anfänger mit Eltern ohne Tertiärabschluss mit größerer Wahrscheinlichkeit einen kurzen tertiären Bildungsweg – in Österreich vor allem eine BHS – statt eines Bachelor- oder Diplomstudiums.

Die Gründe für die Unterrepräsentierung von Personen aus bildungsfernen Schichten können dabei in zwei Faktoren liegen, die auch zusammen auftreten können: Einerseits können sie mit Hindernissen beim Eintritt in den Hochschulbereich selbst zusammenhängen (etwa Zugangsbeschränkungen und zu hohe Studiengebühren), andererseits mit Problemen, die schon einen Erfolg in den vorgelagerten Bildungsbereichen verhindern.

Guter Übergang auf den Arbeitsmarkt

Der Übergang von der Schule auf den Arbeitsmarkt funktioniert in Österreich indes vergleichsweise gut, wie die OECD-Studie zeigt. Hierzulande waren nur rund elf Prozent der 15- bis 29-Jährigen weder in einer Ausbildung noch berufstätig (not in employment, education or training, NEET), im OECD- und EU-Schnitt waren es je rund 13 Prozent.

In Österreich ist der Anteil der NEETs dabei entsprechend dem OECD-Trend zwischen 2007 und 2017 geringfügig gesunken, konkret von 11,3 auf 10,8 Prozent. Am geringsten sind die Quoten in Island mit rund fünf Prozent. Der Grund ist laut OECD, dass dort überdurchschnittlich viele 25- bis 29-Jährige noch in (Aus-)Bildung sind.

Besonders wenige NEETs gibt es außerdem in den Niederlanden, Luxemburg, Schweden und der Schweiz (rund acht Prozent) sowie Norwegen und Deutschland (rund neun Prozent). Die meisten NEETs verzeichnen die Türkei (27 Prozent) sowie – noch als Folge der jüngsten Wirtschaftskrise – Italien (25 Prozent) und Griechenland (23 Prozent).

Zuwanderer stärker betroffen

Kein gutes Zeugnis gibt es für Österreich allerdings in Teilbereichen: So fallen wie auch in Deutschland junge Zuwanderinnen und Zuwanderer deutlich öfter in die Gruppe der NEETs als im Inland Geborene (rund 24 gegenüber rund acht Prozent).

Zuwanderer und Zuwanderinnen haben zwar in den meisten untersuchten Ländern mehr Probleme beim Übergang auf den Arbeitsmarkt als Einheimische, im OECD-Schnitt ist der Unterschied jedoch deutlich geringer (18 Prozent der im Ausland gegenüber 13 Prozent der im Inland Geborenen). In einem Drittel der OECD-Länder macht er sogar weniger als drei Prozentpunkte aus.

Die OECD-Studie zeigt übrigens auch, dass eine längere Schulpflicht nicht automatisch zu höherer Bildungsbeteiligung führt: So befinden sich in Slowenien 94 Prozent der 15- bis 19-Jährigen in Ausbildung, obwohl die Schulpflicht mit 14 Jahren endet. In Chile (Schulpflicht bis 18) sind hingegen nur 83 Prozent der Jugendlichen noch in (Aus-)Bildung, was laut Studie auf hohe Abbruchquoten schließen lässt.

Faßmann: Steigendes Bildungsniveau

ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann sieht den Kurs durch die OECD-Studie bestätigt. „Ein höherer Bildungsabschluss erhöht die Chance, auch einen Arbeitsplatz zu finden. Je höher der Abschluss, desto höher ist auch die Beschäftigungsquote", so Faßmann in einer Aussendung. Die Studie zeige auch, dass Österreichs Bildungssystem prinzipiell gut aufgestellt sei und dass die Bevölkerung weiterhin ein hohes bzw. steigendes Bildungsniveau aufweise.

Opposition sieht keinen Grund für Jubel

Kritik gibt es von der SPÖ: „Die Studie zeigt ganz klar, dass unser Hochschulsystem sozial selektiv wirkt“, so SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl. Die Einführung von Studiengebühren für Berufstätige werde dazu führen, dass sich die soziale Selektion und dieser „Gap“ weiter verschärften, so Kuntzl weiter. Vor allem Studierende aus bildungsfernen Schichten müssten nebenher arbeiten, um ihr Studium zu finanzieren. Damit treffe es genau jene Studierenden, die laut der OECD-Studie sowieso schon unterrepräsentiert und benachteiligt seien. Kuntzl sieht Handlungsbedarf bei der Regierung.

Kritik kam auch von NEOS. Laut Wissenschaftssprecherin Claudia Gamon zeigen die Ergebnisse der OECD-Studie erneut, dass die Entwicklung in Österreichs Bildungssystem auf allen Ebenen stagniere. „Trotz dieses ernüchternden Eindrucks sind Lösungen und Reformvorhaben vonseiten der schwarz-blauen Regierung weiterhin nicht in Sicht. Das Zukunftsthema Bildung ist für ÖVP und FPÖ eine Nebensächlichkeit", so Gamon unter Verweis auf die Bildungsausgaben, "die seit Jahren stagnieren.“

ÖH kritisiert „sozial selektives“ System

„Unser Hochschulsystem bleibt sozial selektiv“, urteilte die Österreichische Hochschüler_innenschaft (ÖH) in einer Aussendung. Die ÖH kritisierte, „dass die schwarz-blaue Regierung keine Notwendigkeit sieht, den Paragrafen 92 – durch den arbeitenden Studierenden die Studiengebühren erlassen werden – zu reparieren“. Die „Kluft zwischen Studierenden, die das Studium finanziert bekommen, und jenen, die dafür arbeiten müssen, wird immer größer“ so Hannah Lutz vom Vorsitzteam der ÖH.

Die Industriellenvereinigung (IV) wiederum mahnte unter anderem Maßnahmen ein, um frühem Bildungsabbruch massiv entgegenzuwirken – vor allem bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund. Der Anteil von 24 Prozent an 15- bis 29-Jährigen, die weder in einer Ausbildung noch berufstätig (NEET), bei jungen Migranten übersteige etwa jenen von acht Prozent bei jungen Menschen ohne Migrationshintergrund deutlich", so Generalsekretär Christoph Neumayer. Das sei weder gesellschaftspolitisch noch volkswirtschaftlich hinzunehmen.