Ein Flüchtling im Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen
APA/Hans Punz
Prüfung der Flüchtlingspolitik

Regierung verschärft Ton gegen UNO

Die angekündigte UNO-Überprüfung der Flüchtlingspolitik in Italien und Österreich hat nicht nur eine scharfe Reaktion aus Rom nach sich gezogen. Am Dienstag meldete sich erneut Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und forderte eine „Klarstellung“. In einer Aussendung sprach er von einem „ohne Begründung in den Raum gestellten Verdacht“.

Die neue UNO-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet hatte am Montag die Entsendung von Teams nach Italien und Österreich angekündigt, um den Umgang mit geflüchteten Menschen zu prüfen. In Zusammenhang mit Österreich sagte sie: „Die Priorisierung der Rückkehr von Migranten aus Europa, ohne sicherzustellen, dass zentrale internationale Menschenrechtsverpflichtungen erfüllt werden, kann nicht als Schutzmaßnahme angesehen werden. Das Büro (der Menschenrechtskommissarin) erwartet die Entsendung eines Teams nach Österreich, um jüngste Entwicklungen in diesem Gebiet zu bewerten.“

„Klarstellung“ und „Transparenz“ gefordert

Kurz verlangte am Dienstag eine „Klarstellung“ der UNO, „um welche Menschenrechtsverstöße in Österreich es gehen soll (…). Insbesondere gilt es zu klären, wie und warum es zur Entscheidung kam, dass genau Österreich überprüft werden soll.“ Um die Glaubwürdigkeit der UNO zu wahren, sei „volle Transparenz das Gebot der Stunde“, so der Kanzler.

Bundeskanzler Sebastian Kurz
ORF/Hans Leitner
„Meinen Teil gedacht“ habe er sich zu der Prüfungsankündigung, sagte Kurz Montagabend im ORF-„Sommergespräch“

Wie bereits in einer Aussendung vom Montag hieß es von Kurz erneut, er hoffe, dass sich die UNO nach einer „raschen Klärung der Situation in Österreich (…) wieder jenen Ländern widmet, wo Folter und Todesstrafe auf der Tagesordnung stehen sowie Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Religionsfreiheit tagtäglich verletzt werden“. In der Aussendung vom Vortag hatte Kurz noch gemeint, er „begrüße die Überprüfung“. Sie sei „auch eine Chance, Vorurteile und gezielte Falschinformationen über Österreich richtigzustellen“.

Politische Vergangenheit thematisiert

Ein Sprecher des Kanzlers stellte am Dienstag erneut die politische Herkunft Bachelets in den Raum. Die frühere chilenische Präsidentin sei auch Mitglied der Sozialistischen Internationale. Kurz selbst hatte im ORF-„Sommergespräch“ Montagabend gesagt, Bachelets Vergangenheit als „sozialistische“ Politikerin sei „vielleicht relevant“ dafür, dass sie ihre Arbeit mit einer Kontrolle Österreichs und Italiens beginne.

Die UNO-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet
Reuters/Fabrice Coffrini
Bachelet war von 2006 bis 2010 sowie von 2014 bis 2018 Präsidentin Chiles

Heftige Kritik erntete Kurz von SPÖ-Chef Christian Kern. Die ehemalige Präsidentin Chiles habe ihren Vater im Folterkeller des chilenischen Diktators Augusto Pinochet verloren und sei einst selbst von der Militärjunta gefoltert worden. Kurz’ Aussendung sei deshalb eine „Geschmacklosigkeit der Extraklasse“, so Kern im Hinblick auf Kurz’ Anmerkungen, Bachelet solle sich besser um Länder kümmern, in denen Folter auf der Tagesordnung stehe.

Bachelets Büro präzisierte am Dienstag, solche Untersuchungen seien nichts Ungewöhnliches. Das Büro entsende Teams in alle Länder, in denen Menschenrechtsfragen aufkämen. So habe es im Jahr 2016 Besuche in Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Italien und Mazedonien gegeben. Manchmal gehe es nur darum, sich an Ort und Stelle zu informieren, manchmal würden Berichte erstellt. Sie rechne damit, dass die Besuche in Österreich und Italien „in den nächsten Wochen“ stattfinden, so eine Sprecherin der Menschenrechtskommissarin.

Rom stellt Kürzung von UNO-Geldern in den Raum

Noch schärfer als Wien reagierte die Regierung in Rom auf die Ankündigung des UNO-Menschenrechtsrats. Italiens Innenminister Matteo Salvini drohte am Dienstag, die Zahlungen für die Vereinten Nationen zu beschneiden. Italien zahle jährlich 100 Millionen Euro an die UNO, sagte Salvini einer Meldung der italienischen Nachrichtenagentur ANSA zufolge.

Das Land werde darüber beraten, ob es sinnvoll sei, weiterhin zur „Finanzierung von Verschwendung, Veruntreuung und Diebstahl“ innerhalb der UNO beizutragen. Salvini, der auch Chef der rechtspopulistischen Regierungspartei Lega ist, ließ durchblicken, dass eine Organisation, deren Mitglieder zum Teil Folter und die Todesstrafe anwendeten, Italien keine Lehren erteilen könne.

„Nicht fundiert und unfair“

Der italienische Außenminister Enzo Moavero Milanesi wies den Vorwurf des Rassismus in Italien zurück. Davon zu sprechen sei „unangebracht, nicht fundiert und unfair“, sagte er. „Italien hält die Aussagen von UNO-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet in Bezug auf italienische Mängel beim Respekt der Menschenrechte der Migranten für unangebracht und unfair“, hieß es in einer Presseaussendung des Außenministeriums in der Nacht auf Dienstag.

Seit Jahren engagiere sich Italien bei Rettungsaktionen im Mittelmeer. Italien habe die Kosten für die Rettung und die Versorgung der Migranten und Migrantinnen übernommen und engagiere sich zugleich in Kooperationsprojekten zur Entwicklung der Herkunftsländer der Schutzsuchenden in verschiedenen Bereichen, darunter Grenzschutz, Bildung und imGesundheitsbereich, hieß es in der in der Pressemitteilung weiter.

„Wir sind stolz darauf“

Italien habe internationale Organisationen zu einer fairen Lastenverteilung im Umgang mit der Geflüchtetenproblematik aufgefordert. Das Land habe auch UNO-Organisationen gedrängt, ihre Anstrengungen in den Herkunftsländern der Migranten und Migrantinnen zu erhöhen. Dank Italiens „entscheidenden Beitrags“ sei seit Anfang 2018 ein Rückgang von 52 Prozent bei der Zahl der toten Migranten und Migrantinnen im Mittelmeer gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 gemeldet worden.

Tatsächlich gingen die Ankünfte von aus Afrika geflüchteten Menschen in Europa im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent zurück. Die Zahl der Toten sank aber deutlich weniger stark. Relativ gesehen ist die Überquerung des Mittelmeers nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) gefährlicher geworden. Mehr als 1.560 Menschen kamen in diesem Jahr bereits auf der zentralen Mittelmeer-Route zwischen Libyen und Italien ums Leben oder werden vermisst, wie es am Montag von der Organisation hieß. 2017 waren nach Angaben des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) 3.139 Menschen im Mittelmeer ums Leben gekommen oder gelten als vermisst.