Hans-Georg Maassen
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Nach Aussagen zu Chemnitz

Union stellt sich hinter Maaßen

Nach seinen umstrittenen Äußerungen zu den Ausschreitungen in Chemnitz ist der deutsche Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen am Mittwoch vom Geheimdienstgremium des deutschen Bundestags befragt worden. Angelaufen ist eine zweite Befragung im Innenausschuss – und auch dort verteidigte Maaßen seine Vorgangsweise.

Über den Inhalt der rund zweistündigen Befragung vor dem geheim tagenden Parlamentsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr) wurde nichts bekannt – der um sein politisches Überleben kämpfende Maaßen verließ wortlos den Raum. Während sich die CDU, CSU und die FDP nach der Befragung hinter Maaßen stellten, orten SPD, Grüne und Linke hingegen weiteren Informationsbedarf.

Die im Raum gestandene Entlassung Maaßens dürfte Beobachtern zufolge vorerst dennoch bereits abgewendet sein. Entscheidend ist zwar die Einschätzung von Innenminister Horst Seehofer (CSU), der am Abend zu einer Sondersitzung des Innenausschusses mit Maaßen kam. Es galt aber als unwahrscheinlich, dass sich Seehofer überraschend gegen die Einschätzung der Unionsvertreter in den Ausschüssen stellen würde.

„Lageberuhigung“

Die Unionsparteien sehen Maaßen nach dessen Äußerungen im Parlamentarischen Kontrollgremium entlastet. Geht es nach PKGr-Vorsitzendem Armin Schuster (CDU) sei bei der Befragung deutlich geworden, dass Maaßens Motivation für seine Äußerungen im „Bild“-Interview gewesen sei, zu einer „Lageberuhigung“ beizutragen. Die Forderungen nach Entlassung oder Rücktritt seien auch angesichts der guten Leistungen Maaßens in den vergangenen Jahren „nicht verhältnismäßig“. Schuster geht davon aus, dass der 55-Jährige weiterhin an der Spitze der Behörde stehen werde.

Hans-Georg Maassen auf dem Weg zum Ausschuss
APA/AFP/Odd Andersen
Maaßen rechtfertigte heute in Berlin seine Vorgangsweise nach den Ereignissen in Chemnitz

Auch die CSU-Politikerin und Vorsitzende des Innenausschusses, Andrea Lindholz, sagte, Maaßen genieße weiter ihr volles Vertrauen. SPD, Linke und Grüne sprachen dagegen von einem beschädigten Vertrauen, was auch mit Maaßens Ausführungen nicht wettgemacht worden sei.

„Überzeugt uns nicht“

„Was wir bisher gehört haben, überzeugt uns nicht“, sagte der SPD-Politiker Uli Grötsch. Auch der Grünen-Politiker Konstantin von Notz sagte, das öffentliche Ansehen sei massiv beschädigt. Der Linken-Politiker Andre Hahn monierte, es bleibe der Eindruck, dass Maaßen die Chemnitzer Vorfälle bagatellisieren wollte, was nicht hinnehmbar sei. Maaßen könne mit seiner Erklärung noch nicht „aus dem Schneider sein“.

Die FDP zeigte sich zwar bei der Bewertung der Vorfälle mit dem Verfassungsschützer nicht einer Meinung, fordere aber keine Konsequenzen für Maaßen als Person, sagte der Abgeordnete Stephan Thomae, der gleichzeitig die „sehr ausführlichen“ Erklärungen Maaßens lobte.

Zweifel an „Hetzjagden“

In Chemnitz war am 26. August ein 35 Jahre alter Deutscher erstochen worden. Tatverdächtig sind drei Asylbewerber aus Syrien und dem Irak. Zwei sitzen in Untersuchungshaft, nach dem dritten wird gefahndet. Nach der Tat gab es fremdenfeindliche Ausschreitungen, bei denen es auch zu Gewalt von Rechtsextremisten kam. Diese wurden unter anderem von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Regierungssprecher Steffen Seibert als „Hetzjagden“ bezeichnet.

Laut Umfrage kaum Vertrauen

Eine große Mehrheit misstraut in Deutschland laut einer aktuellen Umfrage dem Verfassungsschutz. Nicht einmal ein Viertel hat großes oder sehr großes Vertrauen. Dagegen sagen fast 58 Prozent, sie hätten wenig bis kein Vertrauen, wie eine Umfrage der Meinungsforscher des Instituts Civey für T-online.de ergab.

Maaßen widersprach dieser Einschätzung später in einem am 7. September veröffentlichtem „Bild“-Interview. Konkret hatte Maaßen gegenüber der „Bild“-Zeitung gesagt, seiner Behörde lägen keine belastbaren Informationen für Hetzjagden in Chemnitz vor. Auch gebe es keine Belege dafür, dass das im Internet kursierende Video dazu authentisch sei. Seehofer hatte von Maaßen einen Bericht mit Begründungen für die Thesen verlangt.

„Würde Interview so wieder geben“

Wie Seehofer im Innenausschuss sagte, habe Maaßen das „Bild“-Interview mit ihm nicht abgesprochen. Persönliche Konsequenzen gibt es für Maaßen dennoch keine. Dafür gebe es Seehofer zufolge „keine Anhaltspunkte“. Wie die dpa mit Verweis auf Teilnehmerkreise berichtete, habe Maaßen vor den Ausschussmitgliedern zuvor nicht nur seine Vorgangsweise erneut gerechtfertigt, sondern auch gesagt: „Ich würde das Interview so wieder geben.“

Video rückt in Zentrum von Debatte

In seinem an Seehofer geschickten Bericht habe Maaßen laut dpa seine Äußerungen zu den fremdenfeindlichen Vorfällen in Chemnitz mit Sorge vor einer Desinformationskampagne begründet. In dem vierseitigen Bericht verwies Maaßen Reuters-Angaben zufolge auch darauf, dass er nie behauptet habe, dass das von Nutzer „Antifa Zeckenbiss“ ins Netz gestellte Video gefälscht oder manipuliert worden sei. Er habe aber in Zweifel gestellt, dass das Video authentisch eine „Menschenjagd in Chemnitz“ zeige, wie es die Überschrift nahelegt.

Das 19-sekündige Video zeige lediglich, dass eine Person von einer anderen Person über etwa fünf bis sieben Meter verfolgt werde. „Das Video dokumentiert selbst keine Szenerie einer Menschenjagd …“, hieß es dort.

Aus dem Film werde nicht erkennbar, warum die dort zu sehende Person verfolgt wurde und wann das Video aufgenommen worden sei. Es sei auch davon auszugehen, dass die falsche Bezeichnung des Videos vorsätzlich erfolgte, „um eine bestimmte Wirkung zu erzielen“. Laut Verfassungsschutz ist nicht bekannt, wer sich hinter „Antifa Zeckenbiss“ verbirgt.

Auch wegen AfD-Kontakten in Kritik

Kritiker werfen Maaßen vor, die Chemnitzer Ereignisse verharmlosen zu wollen und rechten Gruppen und Parteien wie der AfD in die Hände zu spielen. Er steht auch wegen Kontakten zur AfD in der Kritik. Aufgrund von Aussagen einer AfD-Aussteigerin steht der Vorwurf im Raum, Maaßen habe ihr Ratschläge gegeben, wie sie eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz vermeiden könne. Maaßen hat eine Beratung von AfD-Politikern dementiert. Medienberichten zufolge soll Maaßen zudem versucht haben, den Einsatz eines V-Mannes im Umfeld des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri zu verschweigen.

Merkel gegen Debatte über Begrifflichkeiten

Die Causa Maaßen war am Mittwoch auch Thema bei der Generaldebatte im deutschen Bundestag. Kanzlerin Merkel ging nur indirekt darauf ein und forderte in Anspielung auf die Debatte, ob es Hetzjagden in Chemnitz gegeben habe, ein Ende der politischen Auseinandersetzungen über Begrifflichkeiten. Vielmehr warnte sie nach den jüngsten fremdenfeindlichen Demonstrationen vor rechter Hetze und Ausgrenzung.

Was die Ereignisse in Chemnitz am 27. August betrifft, war nach Angaben des deutschen Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ polizeiintern offenbar von einer „intensiven Bedrohungssituation“ die Rede. Nach Demonstrationen der AfD und der rechtsgerichteten Bewegung Pro Chemnitz seien Gewalttäter durch die Stadt marodiert, wie es mit Verweis auf einen Polizeibericht dazu hieß. Die Rede sei von „Vermummten“, die sich „mit Steinen bewaffnen“, „Ausländer suchen“ und ein jüdisches Restaurant überfallen.