Orban hält Ausschluss aus EVP für möglich

Nachdem das Europaparlament ein Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn eingeleitet hat, hält Ministerpräsident Viktor Orban den Ausschluss seiner rechtspopulistischen Regierungspartei FIDESZ aus der bürgerlichen Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei (EVP) für möglich.

Die Wahrscheinlichkeit dafür liege bei 50 Prozent, sagte Orban nach Angaben des Nachrichtensenders ATV gestern Abend auf einer FIDESZ-Fraktionsklausur in Velence bei Budapest.

Der Sender bezog sich auf Aussagen von Teilnehmern und Teilnehmerinnen der geschlossenen Sitzung. Orban solle auch behauptet haben, dass der Ausgang der Abstimmung im Europaparlament darauf zurückzuführen sei, dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel die Orban-Regierung „bestrafen“ wolle.

Rechtsstaatsverfahren eingeleitet

Das Europaparlament hatte das Verfahren wegen systematischer Verstöße der Budapester Regierung gegen Prinzipien der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eingeleitet. Die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit war nur zustande gekommen, weil die EVP-Abgeordneten in deutlicher Mehrheit dafür gestimmt hatten.

Sitze im Europäischen Parlament
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Das Verfahren, das am Ende zum Entzug der Stimmrechte Ungarns in den EU-Gremien führen könnte, liegt nun in den Händen der Staats- und Regierungschefs der Union. Für Sanktionen bestehen aber hohe Hürden, so etwa ein Einstimmigkeitsgebot – ohne das betroffene Land – bei der letzten Abstimmung im Rat. Zugleich bedeutet die Einleitung eines Verfahrens wegen der Verletzung grundlegender Werte der EU einen Prestigeverlust für die Regierung des betreffenden Landes.

Zeman und Babis kritisierten EU-Parlamentsbeschluss

Der tschechische Staatspräsident Milos Zeman und Premier Andrej Babis kritisierten den Beschluss des Europaparlaments. Zeman sprach im Interview mit dem privaten TV-Sender Barrandov gestern Abend über „mangelnde Solidarität“ mit Ungarn. Man sollte Solidarität zeigen, weil Ungarn wie Tschechien Mitglied der Visegrad-Gruppe sei, meinte Zeman.

Man sollte Europa nicht spalten, vor allem nicht in Zeiten des „Brexit“, so Babis. „Wir haben die Freiheit und Demokratie. Ein Projekt, das uns den Frieden gebracht hat. Die EU sollte zu ihrem Wesen zurückkehren“, sagte der Premier, der kürzlich mit seinem ungarischen Amtskollegen Orban in Budapest zusammengetroffen war.