Rettungsboot nimmt Flüchtlinge auf
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„Anlandeplattformen“ und „Asylzentren“

Neue Gräben statt fixer Zusagen

Eigentlich hätte die Konferenz zur Sicherheit und Migration in Wien Fortschritte in Partnerschaftsfragen mit Drittstaaten bringen sollen. Zählbares gab es in der Frage der umstrittenen Installierung von EU-Einrichtungen („Anlandeplattformen“ und „Asylzentren“) außerhalb der EU aber nicht. Vielmehr rissen EU-intern neue Gräben auf.

Das Ansinnen der EU ist rasch erklärt: „Anlandeplattformen“ sollen in nordafrikanischen Ländern bzw. „Asylzentren“ in Staaten des Westbalkans entstehen. Dorthin überführt sollen etwa endgültig abgelehnte Asylwerber werden. Dabei geht es um die Länder Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Albanien und Mazedonien. Im Falle Afrikas heißen die Verhandlungspartner Ägypten, Algerien, Libyen, Mali, Marokko, Niger und Tschad – allesamt waren sie, so hieß es offiziell, mit Delegierten bei der Konferenz vertreten.

Kein verbindliches Signal

Doch Greifbares wurde nicht geliefert, weder aus den Balkan-Staaten noch aus einem nordafrikanischen Staat konnten verbindliche Signale vernommen werden. Stattdessen mussten Beobachter das Gefühl bekommen, dass innerhalb der EU neue Gräben entstanden sind. Hinweise darauf wurden gleich mehrere geliefert. Die Aktanten: EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos, Gastgeber Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), Italiens Matteo Salvini und Luxemburgs Jean Asselborn.

Zwar gaben sich Kickl und Avramopoulos beim Abschlussstatement betont sachlich, doch hatte Kickl den EU-Kommissar noch vor Beginn der Tagung heftig kritisiert. Noch am Vortag hatte Avramopoulos die Realisierung von Camps oder „Plattformen“ als „unmöglich“ bezeichnet. Der Innenminister reagierte mit Unverständnis: Es sei „ein schlechtes Signal, jetzt zu verkünden, dass alles keinen Sinn macht“, Avramopoulos werfe „schon die Flinte ins Korn“. Auf ORF.at-Nachfrage bestätigte er fortlaufende Gespräche.

„Lassen wir uns ein bisserl Zeit“

Ähnlich wurde es zum Abschluss der Konferenz verlautbart: Kickl schlug vor, die Sache „umzudrehen“: Es gäbe bis dato keine Absage von einem afrikanischen Staat. „Lassen wir uns mit der Sache ein bisserl Zeit“, meinte der Innenminister, der auf erste Gespräche mit den Staaten verwies und in diesem Zusammenhang auf das Ausräumen des „einen oder anderen Missverständnisses“. Avramopoulos drehte den Spieß wiederum um: „Niemand hat bis jetzt zugestimmt, das macht mich pessimistisch.“ Immerhin: Fortlaufende Gespräche auf allen Ebenen bestätigte er.

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und sein italienischer Amtskollege Matteo Salvini
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Kickl und Salvini: Gute Stimmung und Einigkeit

Doch bis zu neuer Kritik Kickls an Avramopoulos dauert es nicht lange – bis zu einem gemeinsamen Auftritt mit dem italienischen Innenminister Matteo Salvini gleich im Anschluss: Er glaube nicht, dass „es gescheit ist, wenn man als eines der wichtigsten Sprachrohre der EU einen solchen Satz in die Öffentlichkeit bringt“, sagte Kickl. Das könne nämlich in Afrika „fälschlicherweise“ so verstanden werden: „Wenn die das sagen, dann brauchen wir keine Anstrengung.“

„Merde alors“

In Grundsatzfragen gab es gar eine Eskalation – während der Sitzung. Asselborn hatte Salvini unterbrochen, nachdem sich dieser über Asselborns Aussage mokiert habe, wonach die alternde Bevölkerung Europas Zuwanderung brauche. Salvini sagte, er „arbeite lieber dafür, dass die italienischen und europäischen Jugendlichen mehr Kinder in die Welt setzen, weil ich keine neuen Sklaven will“. Nachsatz: „Wenn ihr Luxemburg neue Migration braucht – in Italien helfe ich lieber den Italienern, dass sie wieder Kinder machen.“

Asselborn geriet in Rage und unterbrach Salvini. Er wies darauf hin, dass in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche italienische Migranten nach Luxemburg gekommen sind, „weil ihr nicht für eure Kinder sorgen konntet in Italien“. Daraufhin warf der Politiker seinen Kopfhörer auf den Konferenztisch und rief: „Merde alors!“ (frei übersetzt: „Verdammt!“). Dem anschließenden Familienfoto blieb Asselborn fern, während sich Salvini recht prominent ins Bild stellte.

Gruppenfoto des europäischen Innenministertreffens in Wien
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Asselborn fehlte auf dem Gruppenfoto des zweiten Tages – Salvini hinter Avramopoulos und Kickl (erste Reihe Mitte)

Kickl und Salvini luden zum Finale

Am Ende des Tages lieferte Kickl am Rande der Tagung in Beisein Salvinis noch einen neuen Vorschlag: Bereits auf Schiffen mit Geflüchteten solle eine „Schnellklärung“ stattfinden, ob eine Person überhaupt schutzbedürftig sei. Diese Prüfung könne man an Land machen, „am besten an der Außengrenze“, oder eben auf einem Schiff. Am Ende müsse es im Idealfall überhaupt so sein, dass keine Person mehr ohne vorangegangene Prüfung auf europäischen Boden gelangen könne. Um dorthin zu kommen, dürfe es „keine Denkverbote" geben“.

„Ich bin dafür“, sagte Salvini mit Blick auf Kickls Vorschlag zur Asylprüfungen auf Schiffen. Seine erste Reaktion (eine scherzhafte Distanzierung, Anm.) sei ironisch gemeint gewesen und habe ein Hinweis darauf sein sollen, dass ein Richter ihn angeklagt habe, weil er Migranten mehrere Tage in einem Hafen festhalten habe lassen. „Es wäre viel besser, wenn man diese Identifizierung schon auf den Schiffen gemacht hätte“, sagte er.

Der französische Innenminister Gerard Collomb rief die EU-Staaten unterdessen zu Einigkeit in der Migrationspolitik auf. „Nur ein ausgewogenes und koordiniertes europäisches Vorgehen ist eine effiziente und dauerhafte Antwort auf die Herausforderungen“, schrieb Collomb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Keine Details zu „Rückkehrzentren“

Bereits am Donnerstag waren Einrichtungen außerhalb der EU bei der Konferenz Thema gewesen – im Fokus standen dabei allerdings Länder des Westbalkans, deren Vertreter zur Konferenz in Wien geladen waren. Geht es nach den Initiatoren der Idee – Österreich und Dänemark –, sollen an möglichst abgelegenen Orten „Rückkehrzentren“ installiert werden. Doch vorerst bleibt auch in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe an Fragen offen.

Das zeigte sich im Falle Albaniens, das bei der Konferenz in der Auslage stand: Der albanische Innenminister Fatmir Xhafaj gab sich bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kickl zur Errichtung von „Rückkehrzentren“ auf albanischem Gebiet betont zurückhaltend. Auf eine entsprechende Frage antwortete er ausweichend. Auch Kickl lieferte keine Details, ausbleibende Angaben rechtfertigte er mit einem Spruch: „Ungelegte Eier“.