Das Amtsgebäude des Bundesverwaltungsgerichtes in Wien
APA/Roland Schlager
Richterbesetzung

Keyl zieht nach Kritik Bewerbung zurück

Hubert Keyl zieht seine Bewerbung als Bundesverwaltungsrichter zurück. Er handle ausschließlich zum Schutze seiner Familie, schrieb er heute in einer Aussendung. Er war von der ÖVP-FPÖ-Regierung für den Posten nominiert worden.

Keyl meinte, er könne seiner Familie die für ihn „vorher unvorstellbare mediale Hetzjagd“ nicht mehr zumuten. Zu dieser sei es trotz eines erfolgreich absolvierten, unabhängigen Auswahlverfahrens und einer Prüfung durch die Bundesregierung gekommen. „Als in Onlineforen die Namen und Arbeitsstellen meiner Töchter veröffentlicht wurden, war jede Grenze überschritten. Ich nehme meine Verantwortung gegenüber meiner Familie wahr“, so der Jurist.

In den vergangenen Tagen war Kritik an Keyl laut geworden. Keyl hatte vor einigen Jahren in einem Leserbrief dagegen angeschrieben, dass Franz Jägerstätter, der den Wehrdienst unter den Nazis verweigert hatte und dafür hingerichtet wurde, seliggesprochen wird. Wer den Dienst in der Wehrmacht verweigert habe, sei „ein Verräter, und Verräter soll man verurteilen und nicht seligsprechen“, wurde Keyl, einst enger Mitarbeiter des früheren Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ), im FPÖ-nahen Medium „Zur Zeit“ zitiert.

Keyl: Artikel nicht mehr so veröffentlichen

Über die Causa Jägerstätter sagte Keyl in der Aussendung, die er über eine FPÖ-nahe Rechtsanwaltskanzlei veröffentlichen ließ, dass sich nicht nur die Rechtslage geändert habe, sondern auch seine persönliche Ansicht. „Ich würde diesen Artikel heute nicht mehr so veröffentlichen“, so Keyl, dem zudem vorgeworfen wird, sich im Umfeld des Neonazis Gottfried Küssel bewegt zu haben. Keyl bestritt das.

Zuletzt hatte es auch aus der ÖVP offene Kritik an Keyl gegeben. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) zeigte Unverständnis über Keyls Aussagen zur Seligsprechung von Jägerstätter. Stelzer betonte, dass das allgemein gültige Geschichtsverständnis zur Person Jägerstätter selbstverständlich sein sollte – mehr dazu in ooe.ORF.at.

FPÖ stellt sich hinter Keyl

Bereits am Samstag hatte Keyl in einer Aussendung betonen müssen, niemals eine gemeinsame politische Vergangenheit mit Küssel gehabt zu haben und auch in keinerlei Kontakt mit ihm zu stehen. Den Nationalsozialismus und seine grausamen Verbrechen lehne er in aller Entschiedenheit ab, unterstrich er. Die FPÖ sprang Keyl zur Seite und verteidigte die Nominierung durch die Bundesregierung.

Nach Keyls Verzicht auf das Amt zeigte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Verständnis für die Entscheidung. Keyl sei „zum Opfer einer politischen und medialen Hexenjagd geworden“, so der Vizekanzler in einer Aussendung. NEOS-Vizeklubchef Nikolaus Scherak wiederum meinte, dass sich solch ein Fall nicht wiederholen dürfe: „Es kann nicht sein, dass ÖVP und FPÖ Personen zu Richtern nominieren, die derart fragwürdige Gesinnungen vertreten und offensichtlich der Neonazi-Szene nahestehen. So jemand hat in der Gerichtsbarkeit nichts verloren.“

Stellungnahmen aus dem von der ÖVP geführten Justizministerium und von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) blieben bisher aus. Auf ORF.at-Anfrage hieß es, ein Mitarbeiter von Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal habe die Beantwortung der Anfrage „am Radar“ und werde sich mit einer Stellungnahme melden. Das Ressort von Justizminister Josef Moser, das für das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist, reagierte weder auf einen Anruf noch auf eine E-Mail.

Abfuhr von Van der Bellen?

Laut Gesetz werden die Mitglieder der Verwaltungsgerichte auf Vorschlag der Bundesregierung durch den Bundespräsidenten ernannt. Erforderlich sind ein abgeschlossenes Jusstudium und eine fünfjährige juridische Berufserfahrung. Mitte September hatte die Regierung im Ministerrat die Nominierten für die Posten bekanntgegeben. Neben Keyl wurden noch weitere neun Bewerber und Bewerberinnen vorgeschlagen.

Dass Van der Bellen Keyl zum Richter ernannt hätte, wird nach seiner Rücknahme der Bewerbung aber in Zweifel gezogen. Nach APA-Informationen hatte das Staatsoberhaupt am Wochenende höchsten Regierungskreisen klargemacht, dass er einer Bestellung des umstrittenen Juristen nicht zustimmen wird. Van der Bellen avisierte den Regierungsspitzen offenbar sein Veto, falls die Bewerbung nicht zurückgezogen wird. Die Präsidentschaftskanzlei wollte die Causa am Montag allerdings nicht offiziell kommentieren.