Ein Blumenprint von Andy Warhol. Ein Seerosenteich von Claude Monet. Eine romantische Landschaft von Caspar David Friedrich. Alles Ikonen der Kunstgeschichte, erhabene Bilder an den Wänden renommierter Museen. Bis zu dem Zeitpunkt, da Draschan sie fotografiert und zu Statisten verblüffender neuer Bilder macht: Dann verschwimmt eine Besucherin im Blumenkleid mit den Seerosen, setzt ein Punk mit seiner Frisur dem Warhol einen Farbakzent ins Bild.
Visuelle Pointen
Die Fotografien von Draschan sind verblüffend, sie funktionieren immer. Und sie zeigen, dass die Kunst die Betrachterin oder den Betrachter braucht. Überraschend ist nur, dass die jetzt plötzlich mit im Bild sind. Fast immer sind die Museumsbesucherinnen und -besucher von hinten zu sehen, manchmal geht die Kleidung mit den Gemälden eine schrille Symbiose ein, manchmal sind es die Frisur oder die Haarfarbe, die „matchen“. Ohne es zu bemerken, werden die Menschen über ihr Äußeres zu ästhetischen oder künstlerischen Komplizen der jeweiligen Kunstschaffenden.
Manche Konstellation ist so gekonnt, dass das Bild regelrecht inszeniert wirkt. Passt der farbige Kragen der Besucherin tatsächlich zum Blumenornament des Klimt-Bildes, das sie gerade im Belvedere betrachtet? Ist es Zufall, dass zwei Mädchen genau die Rot-Schwarz-Kombination tragen, die mit dem Rothko-Gemälde im Centre Pompidou zu einer Farbeinheit verschmilzt? Ja. Wer Draschan jemals bei der Arbeit begleitet hat, weiß, dass es eine Jagd nach dem richtigen Moment ist.
Elf Sekunden für den magischen Moment
Wie ein Raubtier bewegt sich der Künstler mit seiner Nikon durch Museumsräume und Ausstellungen, legt sich auf die Lauer, wechselt blitzschnell die Position. Damit auf dem späteren Foto die Frau im Grafikprintpullover wie zufällig vor dem passenden Gerhard-Richter-Bild steht, muss er sie vorher belauern und verfolgen. Dabei ist Draschan alles andere als unauffällig. Baumlang ragt der in Linz geborene, in Berlin und Wien lebende Künstler heraus wie ein Lehrer aus seiner Volksschulgruppe.
Und während er noch die Pulloverfrau „stalkt“, hat er gleichzeitig einen Burschen mit zitronengelber Baseballmütze auf dem Radar, beobachtet einen alten Mann mit Bart aus dem Augenwinkel. Es ist ein bisschen wie in den Überwachungsräumen für die U-Bahn, wo ein Mensch vor zehn Bildschirmen sitzt und nicht übersehen darf, wenn dann auf genau einem etwas passiert. Der Moment ist flüchtig: Elf Sekunden bleiben dem Fotografen im Schnitt, um seine „Beute“ festzuhalten. So lange verharren Museumsbesucher und -besucherinnen laut einer Studie vor einem Ausstellungsobjekt.
Digital Dandy
Die Fotografie hat der 1979 geborene Draschan spät für sich entdeckt („Als ich mit dem Rauchen aufhörte, brauchte ich etwas, um meine Hände zu beschäftigen“). Dafür spielt er sie jetzt virtuos in den Sozialen Netzwerken aus und hat mit seinen verschiedenen Serien mittlerweile Kultstatus erreicht. Neben „People Matching Artworks“ fotografiert er auch Menschen, die in Museen schlafen („People Sleeping In Museums“) oder Autos, die aus irgendeinem seltsamen Grund zu den Häusern passen, vor denen sie geparkt sind („Cars Matching Homes“).
Ausstellungshinweis
„Stefan Draschan. People Matching Artworks. Curated by Angela Stief“, ab 19. September, montags bis freitags, 10.00 bis 18.00 Uhr, kuratierte Verkaufsausstellung im Wiener Palais Kinsky.
Da fotografiert einer, der nicht nur die Kunstgeschichte gut kennt (und stundenlang vor Vermeers und Caravaggios stehen und schauen kann), sondern auch einer, der den Blick eines Romantikers hat: „Es ist vergleichbar mit dem Verlieben. Ich freue mich einfach, wenn etwas zusammenpasst.“ Aber Draschan ist auch Fahrradaktivist, fotografiert sich mit Selbstauslöser in akrobatischen Posen, posiert als Dandy lesend in bizarren Umgebungen, gerne auch manchmal im Wasser liegend oder stehend. Exzentrik liegt ihm.
„Rotziger demokratischer Ansatz“
Im Innenhof des Palais Kinsky hat das Auktionshaus mit Namen Im Kinsky einen zusätzlichen Schauraum für zeitgenössische Kunst angemietet. Jetzt wird diese Location als „Kunstraum“ mit einer Ausstellung von Arbeiten Draschans eröffnet. Kuratorin Angela Stief kombiniert dafür auf 300 Quadratmeter seine Fotoarbeiten mit Gemälden und Möbeln, die im Oktober in der Auktion „Alte Meister, Gemälde des 19. Jahrhunderts und Antiquitäten“ versteigert werden.
„Der rotzige demokratische Ansatz von Draschan ist ein guter Gegensatz zum elitären Kunstbetrieb“, sagt Stief und lässt die rund 30 Fotoarbeiten in Dialog mit dem barocken Palais treten. Fehlen nur noch die Menschen, die zu den Kunstwerken passen.