Ilyushin Il-20
APA/AFP/Alexander Kopitar
Flugzeugabschuss

Russland gibt Israel die Schuld

Ein russisches Militärflugzeug ist über dem Mittelmeer versehentlich abgeschossen worden. Die syrische Luftabwehr habe die Maschine getroffen, sagt Moskau, gibt aber Israel die Schuld dafür und behält sich Schritte gegen das „feindliche“ Vorgehen vor.

Das russische Propellerflugzeug vom Typ Il-20 mit 15 Soldaten an Bord sei inmitten nächtlicher Luftangriffe auf Syrien vom Radar verschwunden, teilte das russische Militär am Dienstag mit. Zu der Zeit habe ein israelisch-französischer Angriff auf Regierungseinrichtungen in der nordsyrischen Stadt Latakia stattgefunden.

Wie die russische Agentur RIA meldete, wurde die russische Maschine nach Darstellung des Verteidigungsministeriums dabei von der syrischen Luftabwehr versehentlich abgeschossen. Das Flugzeug habe sich auf dem Rückflug zur russischen Militärbasis Hamaimim an der Küste bei der Provinzhauptstadt Latakia befunden, als es in einen Angriff israelischer F-16-Kampfjets geraten sei.

General empört, Putin kalmiert

Über eine Militäroperation in der Region habe Israel Russland erst eine Minute vor Beginn informiert. Die Zeit habe nicht ausgereicht, damit sich das Flugzeug in Sicherheit bringen konnte. Laut General Igor Konaschenkow versteckten sich die israelischen Kampfjets hinter dem russischen Flugzeug. Dabei sei die russische Maschine von der syrischen Luftabwehr über dem Mittelmeer abgeschossen worden. Die 15 russischen Soldaten seien wegen eines „unverantwortlichen“ Vorgehens Israels gestorben, meldete RIA. Russland behalte sich das Recht vor, entsprechend auf das „feindliche“ Vorgehen Israels zu reagieren.

Russlands Präsident Wladimir relativierte die Worte des Generals später. Er wertete den Abschuss als Verkettung unglücklicher Umstände. Man müsse noch genau untersuchen, was in Syrien passiert sei, sagte Putin und kündigte an, die Konsequenzen aus dem Vorfall sollten der Sicherheit der russischen Soldaten in Syrien dienen.

Israel, Frankreich und USA dementieren

Bei dem Raketenangriff auf ein Waffenlager in Latakia kamen Aktivisten zufolge mindestens zwei Soldaten ums Leben, zehn weitere wurden verletzt, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien mitteilte. Aktivisten in der Gegend berichteten, die Raketen seien aus Richtung des Mittelmeers gekommen.

Die israelische Armee äußerte sich nicht dazu. „Wir kommentieren keine Berichte in ausländischen Medien“, sagte eine Sprecherin. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat indes Syrien für den Abschuss eines russischen Militärflugzeugs über dem Mittelmeer verantwortlich gemacht. In einem Telefongespräch sprach Netanjahu dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sein Beileid zum Tod von 15 russischen Soldaten aus, wie das Amt des Ministerpräsidenten mitteilte.

Netanjahu sagte, die russisch-israelische Abstimmung zu Syrien sei wichtig. Sie habe „in den drei vergangenen Jahren schon den Verlust vieler Menschenleben verhindert“. Israel bleibe aber bei seiner Haltung, gegen iranische Truppen in Syrien und Waffenlieferungen an die libanesische Hisbollah-Miliz vorzugehen, sagte Netanjahu. Der Kreml machte zunächst keine Angaben zu dem Gespräch.

Karte zeigt Syrien und die Stadt Latakia
Grafik: APA/ORF.at

Auch die französische Fregatte „L’Auvergne“ habe zur gleichen Zeit Raketen in dem Gebiet abgefeuert, so das russische Verteidigungsministerium. Ein Sprecher der französischen Armee in Paris sagte, das französische Militär weise „jegliche Verwicklung in diesen Angriff“ zurück. Die USA äußerten sich nicht, wer in der Region Luftangriffe geflogen habe, es seien aber nicht die USA gewesen.

Israel hatte in den vergangenen Monaten mehrfach Ziele in Syrien angegriffen, wenn es dort Raketen- oder Waffenlager seines Erzfeindes Iran vermutete. Latakia ist eine der wichtigsten Hochburgen der Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Dort befindet sich auch der größte russische Luftwaffenstützpunkt in dem Land. Wie Russland und die libanesische Hisbollah-Miliz unterstützt auch der Iran Assad.

Aufatmen für Menschen in Idlib

Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan einigten sich unterdessen auf die Schaffung einer demilitarisierten Zone in der syrischen Provinz Idlib. Sie solle 15 bis 20 Kilometer breit sein und ab Mitte Oktober zwischen Rebellen und Regierungstruppen verlaufen, sagte Putin am Montag nach einem Treffen mit Erdogan in Sotschi.

Flüchtlingslager nahe Atimah village, Idlib
Reuters/Khalil Ashawi
Die drohende Offensive auf Idlib hat viele in die Flucht getrieben. Hier ein Flüchtlingslager in Atima.

Die demilitarisierte Zone soll nach Angaben von Putin von türkischen und russischen Patrouillen kontrolliert werden. Schwere Waffen wie Panzer und Raketenwerfer sollen aus der Zone abgezogen werden. Auch „alle radikalen Kämpfer“ wie die Dschihadistengruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) sollen die Zone verlassen. Eine Offensive auf die Rebellenhochburg wird nach den Worten des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu damit verhindert. Auf die Frage, ob es nun keinen Angriff der Regierungstruppen auf Idlib geben werde, antwortete der Verteidigungsminister mit Ja, wie die russischen Nachrichtenagenturen Interfax und TASS berichteten.

Russland unterstützt im Syrien-Konflikt Assad, seit 2015 auch militärisch. Die Türkei steht auf der Seite der Rebellen. Derzeit bereitet sich die syrische Armee auf eine Offensive auf die Provinz Idlib vor, die überwiegend von islamistischen Kämpfern kontrolliert wird. Da es die letzte Rebellenhochburg in Syrien ist, werden erbitterte Gefechte und eine Massenflucht erwartet, vermutlich auch in die Türkei. Erdogan will eine Offensive auf Idlib daher unbedingt verhindern. Russland hatte dagegen Unterstützung für einen Angriff auf die Provinz bekundet.