Waschbär
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„Streit“ um Biomüll

Waschbären überlisten Torontos Mülltonnen

Die Städte wachsen weltweit – und damit werden sie auch zum Lebensraum für Wildtiere. In Kanadas Millionenmetropole Toronto sind es vor allem Waschbären, die Hinterhöfe und Gärten zu ihren Jagdgründen erkoren haben. Eine neue, verschließbare Biomülltonne sollte die Tiere eigentlich stoppen.

Die Stadtverwaltung von Toronto, Hauptstadt der Provinz Ontario und am Ufer des gleichnamigen Sees gelegen, ließ es sich seit 2016 immerhin mehr als 30 Millionen kanadische Dollar (rund 20,4 Mio. Euro) kosten, die Waschbären auszutricksen.

Die Waschbären und ihre „Einbrüche“ in Biotonnen sind seit Jahren ein Thema in der mehr als 2,5 Millionen Einwohner zählenden Stadt, die von lokalen Medien schon zur „Welthauptstadt der Waschbären“ ernannt wurde. Die Stadt schaffte neue, verschließbare Biotonnen an. Damit sollte das Problem, dass hungrige Waschbären den – stinkenden – Inhalt der Tonnen in Gärten und Höfen verteilen, gelöst werden.

Waschbären haben Dreh heraus

Doch da hatte die Verwaltung die Rechnung ohne den Wirt gemacht, wie eine Recherche von Amy Dempsey, Lokalreporterin des „Toronto Star“, ergab. Sie wollte herausfinden, ob die städtischen Waschbären nun Probleme bei der Futtersuche haben. Zu Recherchezwecken installierte sie im eigenen Hinterhof eine Nachtsichtkamera – mit überraschendem Ergebnis: Ein Waschbär schaffte es nach mehrmaligem Versuch, die Biotonne zu öffnen.

Der Deckel der grünen Tonnen ist mit einer drehbaren Halterung versehen – die Tonne öffnet sich nur, wenn man die Halterung dreht. Der Deckel springt zudem auf, wenn die Tonne im Winkel von 110 Grad geneigt wird – das ist nötig, damit die Tonnen automatisch in die Müllautos entleert werden können. In einem der Videos ist zu sehen, wie der Waschbär es nach mehrmaligem Versuch schafft, den Griff der zuvor umgestürzten Tonne zu drehen, den Deckel hochklappt und in der Tonne verschwindet – unmittelbar gefolgt von einem zweiten Waschbären.

Tonne mehrmals getauscht

Die Müllverwaltung tauschte die Tonne aus, da sie davon ausging, dass der Waschbär den Schließmechanismus nur deshalb überlisten konnte, weil dieser schadhaft war. Doch auch die zweite Tonne wurde binnen Kurzem von einem Waschbären „erobert“. Auch diese wurde ausgetauscht, und die Verwaltung beharrte, dass es sich erneut um einen Defekt bei der Tonne handelte.

Skyline von Toronto
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Toronto liegt direkt am Lake Ontario

Jedenfalls leiden die Waschbären offenbar nicht unter den neuen Mülltonnen. Die Expertin Suzanne MacDonald hatte begonnen, tote Waschbären etwa ein Jahr vor Einführung der neuen Tonnen abzuwiegen. Dabei stellte sie laut „Toronto Star“ seit der Umstellung keine gravierenden Gewichtsunterschiede fest.

„Auszeichnung“ für Städte

Immer wieder sind die Tiere auch Anlass für Gesundheitssorgen: Im Februar hatte die Stadtverwaltung wegen des Verdachts auf Tollwut mehrere Tiere gefangen. Für viele Bewohnerinnen und Bewohner Torontos sind die Waschbären aber weniger eine Plage als eine Art erweitertes Haustier. Die nachtaktiven Tiere und ihre Spuren sind für die Bevölkerung längst ein gewohnter Anblick. Viele haben ihr fixes Revier – sprich Garten –, in dem sie sich vorzugsweise bedienen. Sie sind auch ein in Sozialen Netzwerken beliebtes Fotomotiv – und in den Lokalmedien immer wieder beliebtes Thema.

Wildtiere sind in Städten weltweit weiter verbreitet als generell angenommen. Die Bevölkerung bekommt häufig wenig davon mit, da die meisten von ihnen nachtaktiv und scheu sind. Für den Forstdirektor der Stadt Wien, Andreas Januskovecz, ist es eine „Auszeichnung“ für eine Stadt, wenn sich darin viele Wildtiere aufhalten. Es zeige, so im Falle Wiens, „dass sie sich hier wohlfühlen“, nicht zuletzt wegen des hohen Grünraumanteils, sagte er im Frühjahr gegenüber der „Presse“.

„Ha, du kannst mich nicht stoppen“

Gegenüber der Journalistin Dempsey betonte die Behörde von Toronto übrigens, sie habe nur 24 Beschwerden zu den neuen Tonnen erhalten – bei insgesamt rund 500.000 Biotonnen in der gesamten Stadt. Auch Dempsey hält es nicht für ein echtes Problem. Aber man könne nicht ausschließen, dass es auch in anderen Stadtteilen gewiefte Waschbären gibt, die die verschließbaren Biotonen überlisten, so Dempsey lachend gegenüber dem öffentlich-rechtlichen US-Radiosender NPR: „In einem der Videos geht der Waschbär schnurstracks auf die Tonne zu und wirft sie um. Sie landet mit einem Krachen auf dem Boden – und dann dreht sich der Waschbär um und schaut direkt in die Kamera, als ob er sagten wollte: ‚Ha, du kannst mich nicht stoppen.‘“