Facebook-Seite von Italiens Innenminister Matteo Salvini
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Eklat in Wien

Ruf nach Konsequenzen für Salvinis Mitschnitt

Die Aufnahme von Italiens Innenminister Matteo Salvini beim EU-Ministertreffen vergangene Woche in Wien soll nicht folgenlos bleiben. Salvini hatte ein deftiges Wortgefecht mit Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn filmen lassen und den Clip veröffentlicht – für die EU eine Maßnahme, die Vertrauen untergräbt. Das könne man nicht ignorieren.

„Darüber können wir nicht hinwegsehen“, sagte ein hoher EU-Beamter dem „Kurier“ (Dienstag-Ausgabe). „Solche Maßnahmen untergraben das Vertrauen der Teilnehmer.“ Nach Ansicht des Europarechtsexperten Walter Obwexer von der Universität Innsbruck stellt das Vorgehen, während einer nicht öffentlichen Ratssitzung zu filmen, einen „groben Verstoß gegen die Geschäftsordnung des EU-Ministerrates“ dar.

Streit über Migration eskalierte

Der Vorfall zieht immer weitere Kreise. Bei dem Treffen in Wien wurden gegenseitige Verbalattacken in Sachen Migration von Salvini und Asselborn aufgenommen, Salvini veröffentlichte danach das Video in Sozialen Netzwerken. Wie auf den Aufnahmen zu sehen war, unterbrach Asselborn sein Gegenüber, nachdem sich dieser über Asselborns Aussage mokiert hatte, dass die alternde Bevölkerung Europas Zuwanderung brauche.

Salvini sagte, dass er eine „ganz andere Weltsicht“ als Asselborn habe. „Ich arbeite lieber dafür, dass die italienischen und europäischen jungen Leute mehr Kinder in die Welt setzen, weil ich keine neuen Sklaven will.“ Nachsatz: „Wenn Ihr Luxemburg neue Migration braucht – in Italien helfe ich lieber den Italienern, dass sie wieder Kinder machen.“

Asselborn geriet daraufhin in Rage. Er wies darauf hin, dass in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche italienische Migrantinnen und Migranten nach Luxemburg gekommen seien, „weil ihr nicht für eure Kinder sorgen konntet in Italien“. Daraufhin warf der Politiker seinen Kopfhörer auf den Konferenztisch und rief: „Merde alors“ (Scheiße noch einmal).

"Sache der österreichischen Ratspräsidentschaft“

Die FPÖ hatte die Aufnahme verteidigt mit dem Argument, es habe sich um einen „informellen“ Rat gehandelt, für den es keine offizielle Geschäftsordnung gebe. Jurist Obwexer ließ das am Dienstag nicht gelten – für diese Räte gelte die Regelung aus Brüssel „analog“. „Da wie dort“ seien Sanktionen allerdings nicht vorgesehen, sollte die Geschäftsordnung verletzt werden. Asselborn selbst sagte nach dem Vorfall, er sei wohl in eine Falle gelockt worden.

Als Reaktion rief Asselborn die europagesinnten Parteien zur Bildung einer Anti-Populisten-Front auf. „Uns Sozialdemokraten ist die Notwendigkeit klar, für Frieden und Freiheit, die Werte der EU, zu kämpfen“, so Asselborn laut der römischen Tageszeitung „La Repubblica“. „Nach dem Zweiten Weltkrieg haben wir das vereinte Europa aufgebaut, das auf gemeinsamen Gesetzen und Werten basiert. Die Populisten wollen das nationale Interesse über alles stellen. Sie wollen die EU zerstören, wie wir sie heute kennen. Das dürfen wir ihnen nicht erlauben.“

Unternehmen will er aber in der Causa selbst nichts mehr. „Mich interessiert die Substanz der Debatte, der Rest ist Sache der österreichischen Ratspräsidentschaft“, so der Minister laut „Kurier“.

Wien zurückhaltend

Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft war zunächst schweigsam in der Causa. Am Dienstag ließ das Bundeskanzleramt schließlich wissen, nicht über Salvinis Mitschnitt informiert gewesen zu sein. Bei formellen Räten würden öffentliche Teile extra angekündigt, hieß es in einer Stellungnahme. „Für informelle Treffen gibt es keine EU-Regeln“, begründete das Bundeskanzleramt seine Zurückhaltung. „Als Vorsitz ist uns ein offener, sachlicher und vertraulicher Austausch von Argumenten wichtig.“

Website des italienischen Innenministeriums
Screenshot www.interno.gov.it/it
Ein Bildausschnitt von Salvinis Facebook-Video auf der Seite von Italiens Innenministerium

Dazu gehöre, andere ausreden zu lassen und respektvoll zu behandeln, kritisierte die Ratspräsidentschaft den Umgangston der Diskutanten und kündigte an, darauf „auch zukünftig in geeigneter Form hinweisen“ zu wollen. Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) sagte: „Ich gehe davon aus, dass alle wissen, dass die Treffen informell und vertraulich sind.“

EU-Kommission: „Spricht für sich selbst“

Der deutsche Staatssekretär für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth: „Es muss natürlich immer ein Mindestmaß an Vertraulichkeit, an Freundschaft und an Solidarität geben, sonst kann das Ganze nicht funktionieren.“ Ihm bereiteten eher Entwicklungen in den Mitgliedsländern Sorgen: „Wir müssen alle darauf achten, dass wir anständig miteinander umgehen.“

Das habe aber nichts mit der österreichischen Ratspräsidentschaft zu tun, sondern mit einem grundlegenden politischen Klima in Europa, „mit dem Anwachsen von Nationalismus und Populismus“. Die EU-Kommission wollte den Streit nicht weiter kommentieren. Das Ereignis „spricht für sich selbst“, so ein Sprecher am Montag in Brüssel. Generell meinte er, ein „gewisses Niveau der Kooperation und Loyalität zwischen EU-Staaten“ sei wichtig.