Zu Eklats wie beim Innenministertreffen vergangene Woche in Wien kam es in Linz nicht. Beschimpfungen und heimlich gefilmte und ins Internet gestellte Mitschnitte blieben aus. Eine kleine Demonstration in der Linzer Innenstadt Montagabend, eine Aktion von Greenpeace zu Beginn des Treffens am Dienstag. Mehr Aufreger – so man überhaupt von solchen sprechen will – gab es nicht.
Das heißt nicht, dass die Energieministerinnen und Energieminister der EU bei ihrem informellen Treffen nicht genug zu diskutieren hatten. Bis Ende des Jahres und damit bis zum Ende des österreichischen EU-Ratsvorsitzes sollen alle Teile des „Green Energy Package“ der EU unter Dach und Fach gebracht sein. Der Abschluss des Pakets sei die „wichtigste Priorität“ für den österreichischen Vorsitz im Rat für Energie, sagte nach dem Treffen auch Umweltministerin und Ratsvorsitzende Elisabeth Köstinger (ÖVP).
Streitpunkt Kapazitätsmechanismen
Bei einem großen Teil des Ende 2016 von der Kommission vorgestellten Gesetzespakets kamen Kommission, Parlament und Rat bereits auf einen grünen Zweig. Zur Hälfte der insgesamt acht Gesetzesvorschläge laufen aber noch die Diskussionen. Der große Knackpunkt bleiben die Kapazitätsmechanismen. Sie erlauben EU-Staaten Gelder an Energieanbieter zu zahlen, damit diese unrentable Kraftwerke betriebsbereit halten. Das soll vordergründig sicherstellen, dass Stromengpässe schnell ausgeglichen werden können.
Umweltschutzorganisationen, aber auch manche Politikerinnen und Politiker in der EU sehen darin aber versteckte Förderungen für fossile Brennstoffe und die Atomenergie. Als am Dienstag vor Beginn des Ministertreffens Greenpeace-Aktivistinnen und -Aktivisten auf einem riesigen Transparent die Förderung von Gas, Kohle und Atomenergie anprangerten, richtete sich ihr Protest gegen eben diese Mechanismen.
Diskussion über Begrenzungen
Dass die umstrittenen Fördermaßnahmen von heute auf morgen wegfallen werden, daran glaubt freilich kaum jemand. Sowohl Köstinger als auch EU-Kommissar Miguel Canete gestanden am Dienstag den Kapazitätsmechanismen ihre Berechtigung zu. Köstinger hatte allerdings bereits in der Früh erklärt, sie dürften nicht den Ausbau erneuerbarer Energien behindern.
Und laut Canete können sie „nur das letzte Mittel zur Sicherung der Energieversorgung“ sein. Darüber seien sich auch die Mitgliedsstaaten einig. Der Kommissar ließ aber ebenso durchblicken, dass die Diskussion noch nicht so schnell vom Tisch sein dürfte. Vor allem der Vorschlag der Kommission, die Förderungen nur für Kraftwerke zu vergeben, die maximal 550 Gramm CO2 pro Kilowattstunde Strom, wird laut Canete derzeit diskutiert. Länder wie Polen, deren Stromproduktion stark auf Kohle setzt, wehrten sich bisher strikt gegen solche Beschränkungen.
Initiative soll Wasserstoff voranbringen
Sowohl der EU-Kommissar als auch die Umweltministerin wollten am Dienstag aber ohnehin lieber über ein anderes Thema sprechen. Am Montag hatte der österreichische Ratsvorsitz im Zuge einer Expertenkonferenz in der Linzer voestalpine eine „Wasserstoff Initiative“ präsentiert. Neben Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft und Politik unterschrieben am Dienstag auch 25 EU- und EFTA-Staaten die Deklaration. „Das hat unsere Erwartungen übertroffen“, sagte Köstinger. Wenngleich sie nicht verraten wollte, welche EU-Staaten eine Unterzeichnung (noch) verweigerten.
Rechtliche Folgen hat das knapp dreiseitige Papier ohnehin nicht. Vielmehr handelt sich um eine Willenserklärung, die sich für den Ausbau und eine intensive Forschung an der Technologie starkmacht. Wasserstoff biete sich als eine Lösung für die Energiespeicherung an, sei aber ebenso ein „nachhaltiger klimaneutraler Energieträger und Rohstoff“, heißt es etwa in dem Papier.
Energiespeicher und Brennstoff
Tatsächlich könnte Wasserstoff in Zukunft auch eine Lösung für das Problem sein, mit dem zurzeit auch noch Kapazitätsmechanismen gerechtfertigt werden: Schwankungen bei der Stromproduktion. Und die Problematik wird durch die Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen nicht weniger werden. Manchmal scheint die Sonne stark, dann wieder gar nicht. Und auch der Wind weht nicht immer konstant stark.
Wasserstoff bietet sich in diesem Fall als Zwischenspeicher an. Der überschüssige Strom wird verwendet, um per Elektrolyse Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufzuspalten. Der Wasserstoff wird als Gas gespeichert und kann dann in einer Brennstoffzelle wieder in Strom verwandelt werden.
EU-gefördertes Pilotprojekt in Linz
Der so gewonnene Wasserstoff könnte sich aber auch direkt nützen lassen, etwa in der Stahlindustrie. Die Produktion von Stahl gehört zu den energieaufwendigsten Industrieprozessen. Bisher werden Hochöfen zumeist mit Koks betrieben, so auch in Linz. In den kommenden Jahrzehnten, so die Vision, soll Koks irgendwann durch Wasserstoff ersetzt werden. Wird der auch noch mit „grünem Strom“ produziert, könnte auch die Stahlproduktion ihren CO2-Fußabdruck merklich reduzieren.
Der Weg dahin ist freilich noch ein langer, wie am Montag auch auf dem Gelände der voestalpine zu sehen war. Der Linzer Stahlkonzern arbeitet gemeinsam mit Siemens und dem Verbund an der zurzeit weltgrößten Wasserstoffpilotanlage. Anfang kommenden Jahres soll die zu großen Teilen mit EU-Geldern finanzierte Anlage in Betrieb gehen.
1.200 Kubikmeter Wasserstoff wird sie im Idealfall pro Stunde produzieren. Das klingt nach viel. Für die Stahlproduktion ist es aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Mehr als das Fünfhundertfache des in der Pilotanlage produzierten Wasserstoffs brauchte es, um damit die Stahlproduktion der voest zu betreiben. Umgerechnet in Energieeinheiten sind das 33 Terawattstunden pro Jahr – ziemlich genau die Hälfte der gesamten jährlichen Stromproduktion Österreichs.