Flüchtlinge in Libyen
Reuters/Ismail Zetouni
Migration, „Brexit“ und Afrika

Die zentralen Gipfelthemen

Zwar sind beim informellen Gipfel der EU-Staats- und -Regierungsoberhäupter am Donnerstag in Salzburg keine Beschlüsse geplant, diskutiert werden aber die derzeit herausforderndsten Themen der Europäischen Union – allen voran Migration und „Brexit“. Im Folgenden ein Überblick.

Ein verstärkter Außengrenzschutz scheint derzeit der kleinste gemeinsame Nenner der EU-Mitgliedsstaaten in Sachen Migrationspolitik zu sein. Doch darüber, wodurch das erreicht werden soll, herrscht offenbar noch Uneinigkeit.

Laut Plan der EU-Kommission soll die EU-Grenzschutzagentur Frontex bis 2020 von derzeit rund 1.600 auf 10.000 Mann aufgestockt werden und umfassende Kompetenzen erhalten, beispielsweise auch ohne vorherige Rücksprache mit nationalen Behörden tätig werden können. Österreich, Frankreich und Deutschland unterstützen die Vorschläge weitgehend, Italien und Spanien, die selbst über EU-Außengrenzen verfügen, stehen ihnen skeptisch gegenüber. Für Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist die Stärkung von Frontex die „einzige wirkliche Lösung der Migrationskrise“.

Noch viele offene Fragen zu „Brexit“

Es wird erwartet, dass die EU-Staats- und -Regierungschefs am Donnerstag das Datum für einen „Brexit“-Sondergipfel bekanntgeben. Die Verhandlungen über einen Austritt Großbritanniens aus der EU sind zuletzt ins Stocken geraten, weshalb es mittlerweile als unwahrscheinlich gilt, dass ein entsprechendes Abkommen bis – zunächst geplant – Mitte Oktober fertig sein wird.

Vor allem der Status der Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland ist umstritten. In Großbritannien wurden zuletzt Warnungen vor den Folgen eines „Brexits“ ohne Abkommen mit der EU laut. Davor fürchtet sich insbesondere die Wirtschaft auf der Insel. Am 29. März 2019 wird Großbritannien die EU verlassen.

Gipfelschlagwort „Innere Sicherheit“

Offiziell ist der informelle Gipfel seit Monaten unter dem Schlagwort „Innere Sicherheit“ geplant. So wurde es von EU-Ratspräsident Donald Tusk festgesetzt. Unter anderem soll es eine Debatte zu Cybersicherheit geben sowie zur Ankündigung von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, dass terroristische Propaganda binnen einer Stunde vom Netz genommen werden soll. Mittlerweile wurden die Themen aber von Migration und „Brexit“ überschattet.

Nächster Anlauf für „Anlandezentren“

Die Idee der Errichtung von „Anlandezentren“ bzw. „Ausschiffungsplattformen“ für Flüchtende in Nordafrika wurde zwar erst beim letzten regulären EU-Gipfel Ende Juni in Brüssel beschlossen. Schon jetzt sind aber die Gräben zwischen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft und der EU-Kommission sichtbar.

EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos hält diese Plattformen für „unmöglich“, vor allem weil derzeit kein geografisch infrage kommendes Land Bereitschaft dahingehend signalisiert hat. Österreich sieht das offenbar anders, Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) rügte Avramopoulos dafür, schon jetzt „die Flinte ins Korn zu werfen“.

Tatsächlich gibt es bei dem Thema aber noch viel Diskussionsbedarf: Auch für den Fall, dass sich ein nordafrikanisches Land bereit erklärt, ein Asylzentrum zu beherbergen, gilt es etwa zu klären, ob dort ein Asylantrag gestellt werden kann, wer diesen prüft, wer für Betreuung der Schutzsuchenden zuständig ist und nach welchem Schlüssel schlussendlich verteilt wird.

Rom stellt „Sophia“-Bedingungen

An einer Diskussion über den EU-Mittelmeer-Einsatz „Sophia“, der die Bekämpfung der Schlepperkriminalität zum Ziel hat, hat vor allem Italien Interesse. Nach der Drohung, die Mission zu verlassen, sicherte die Regierung in Rom nun doch zu, an „Sophia“ festzuhalten, fordert jedoch eine Neuregelung.

Demnach soll ein „Rotationsprinzip“ für die Häfen, die im Mittelmeer gerettete Asylsuchende aufnehmen, eingeführt werden. Bis dato war Italien erste Anlaufstelle für die Schiffe von „Sophia“, aber auch von internationalen Hilfsorganisationen. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos erklärte kürzlich, dass er mit einer Einigung über die EU-Mission in Salzburg rechne.

Flüchtlingsverteilung und Dublin-Reform

Auch bei diesem Thema ist Italien treibende Kraft. Nachdem die verpflichtenden Quoten zur Aufnahme von Flüchtlingen innerhalb der EU jedoch aufgrund des Widerstands einiger Länder weitgehend als gescheitert betrachtet werden, steht die Reform des europäischen Asylsystems sowie des Dublin-Systems weiterhin auf der To-do-Liste der Union. Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft war vom Gipfel im Juni beauftragt worden, bis zum regulären EU-Gipfel in Oktober in Brüssel Bericht zu erstatten.

Neue Ansätze für „Hilfe vor Ort“

Dass die EU eine bessere, kohärentere Afrika-Politik braucht, ist vielen Brüsseler Diplomaten bewusst. Im Bemühen, die Fluchtbewegungen aus dem südlichen Kontinent zu reduzieren, wurde das Thema wieder öfter auf die Agenda diverser Treffen gesetzt. Neben der Errichtung möglicher „Anlandezentren“ ist immer wieder auch die Rede von mehr „Hilfe vor Ort“, um Fluchtursachen zu bekämpfen.

Signifikante Erhöhungen der Entwicklungshilfegelder oder der Akut-/Katastrophenhilfe gab es seither jedoch nicht. Kanzler Kurz wird wohl die Gelegenheit in Salzburg nutzen, um für den von Österreich initiierten EU-Afrika-Gipfel, der Anfang Dezember in Wien über die Bühne gehen wird, zu werben. Dabei soll es vorrangig um wirtschaftliche Beziehungen mit afrikanischen Ländern bzw. um diese „Hilfe vor Ort“ gehen.