Aus Parteikreisen war lediglich zu hören, dass die Infos über den Rücktritt stimmen sollen, berichteten unter anderem „Kronen Zeitung“, „Presse“, „Kurier“ und „Österreich“ (Onlineausgabe). Derzeit laufen Gespräche – zahlreiche SPÖ-Politiker versuchen offenbar, den 52-Jährigen zum Bleiben zu überreden.
Treffen der SPÖ-Landesparteichefs
Für den Abend ist ein Treffen aller SPÖ-Landesparteichefs in Wien geplant. Kern dürfte am Abend bei einem gemeinsamen Essen seinen Rückzug von der Parteispitze bekanntgeben. Am Wochenende gab Kern noch Interviews, in denen er angab, jedenfalls bei der Wahl 2022 antreten zu wollen. Umso überraschender kommt der wahrscheinliche Ausstieg Kerns nun für seine Parteifreunde und "-feinde". Für die SPÖ bleibt nicht viel Zeit, personelle Weichen für eine ohnehin schwierige Zukunft in der Oppositionsrolle zu stellen.
TV-Hinweis „ZIB Spezial“
Zum Rücktritt Kerns wird um 18.00 eine „ZIB Spezial“ in ORF 2 und im Livestream in tvthek.ORF.at übertragen.
Als interimistischer Nachfolger war der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser im Gespräch. Dieser dementierte Gerüchte aber gegenüber der APA. Er werde „sicher nicht“ Kerns Nachfolger. „Ich kann ja auch nicht meine Kandidatur beim Landesparteitag im kommenden Frühjahr jetzt wieder zurückziehen“, sagte Kaiser. An dem gemeinsamen Abendessen werde er zudem nicht teilnehmen.
Als Alternative seien die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und Hans-Peter Doskozil, SPÖ-Landesparteichef im Burgenland, im Gespräch. Dem Vernehmen nach, so berichtet die „Presse“, würde Bures aber lieber Bundespräsidentschaftskandidatin der SPÖ werden, Doskozil lieber im Burgenland bleiben und Landeshauptmann werden. Insiderinformationen zufolge soll deshalb auch SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner bereit sein, den Parteivorsitz zu übernehmen.

„Frau an der Spitze plausibel und notwendig“
Kern hatte am 3. September im ORF-„Sommergespräch“ gesagt, dass er sich „keine Sorgen“ um seinen Posten als Bundesparteiobmann mache. „Die Führungsfrage in der SPÖ ist sonnenklar.“ Er werde sich auch der Wiederwahl zum Bundesparteiobmann stellen, aber: „Eine Frau an der Spitze der SPÖ halte ich für plausibel und notwendig“, so Kern.
Angetreten war Kern als der Mann, der die heimische Sozialdemokratie aus der Krise führen sollte. Im Mai 2015 übernahm der ehemalige ÖBB-Vorstandsvorsitzende die Spitze der Partei und zog als Nachfolger von Werner Faymann ins Bundeskanzleramt ein. Die Motivation war groß: Der Sohn einer Sekretärin und eines Elektroinstallateurs aus Wien-Simmering vermittelte Kompetenz in wirtschaftlichen und sozialen Fragen.
Koalition auf der Kippe
Die Euphorie hielt jedoch nicht ganz so lange, denn Ende Jänner 2017 stand die Koalition mit der ÖVP bereits auf der Kippe. Von Neuwahlen sah Kern aber ab. Kurz zuvor hatte er erst seinen „Plan A“ vorgestellt. Mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) war das Verhältnis zumindest nach außen hin gut, dennoch konnten Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Parteien nicht ausgeräumt werden.
Insbesondere Wolfgang Sobotka, Vertrauter von Kurz und damals Innenminister, bewies sich als großer Kritiker Kerns. Als Mitterlehner im Mai 2017 zurücktrat, wurde Kurz als sein Nachfolger zu Kerns politischem Gegner – er war es, der den Schritt hin zu Neuwahlen machte.
Schwieriger Wahlkampf 2017
Der Wahlkampf 2017 verlief für Kern mühsam. Beim Thema Migrationspolitik war sich die Partei alles andere als einig. Auch die Silberstein-Affäre rückte die SPÖ in ein schlechtes Licht. Nach der Niederlage bei der Nationalratswahl im Oktober musste Kern das Kanzleramt dann an Kurz abtreten. Der Oppositionsführer wäre am SPÖ-Parteitag am 6. Oktober zur Wiederwahl angestanden.
TV-Hinweis „Runder Tisch“
Wie geht es weiter in der SPÖ? In ORF2 diskutieren dazu ab 22.25 Uhr am „Runden Tisch“ Josef Kalina, ehemaliger SPÖ-Bundesgeschäftsführer, Politikwissenschaftler Peter Filzmaier, Eva Linsinger vom „profil“ und Rainer Nowak von der „Presse“ über den Rücktritt Kerns.
In den vergangenen Tagen, so schreibt die „Presse“, sei innerhalb der SPÖ immer öfter zu hören gewesen, dass der Ex-Kanzler in intensiven Verhandlungen mit der russischen Gaswirtschaft stehe. Konkret soll es sich dabei um eine Position im Umfeld von Gazprom handeln. Der Kontakt soll dabei über Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer und den deutschen Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder gelaufen sein. Es wäre nicht der erste Job für Kern in der Energiewirtschaft, er war von 2007 bis 2010 Vorstandsmitglied der Verbund AG.
Mit dem Rückzug Kerns wäre übrigens keiner der Nationalratsspitzenkandidaten der Oppositionsparteien mehr im Amt. NEOS-Chef Matthias Strolz hat an seine Nachfolgerin Beate Meinl-Reisinger übergeben, bei der Liste Pilz hatte sich Peter Pilz zunächst als Parteichef und Abgeordneter zurückgezogen, ehe er doch in den Nationalrat zurückkehrte, und bei den Grünen, die nach ihrer Zertrümmerung bei der Nationalratswahl aus dem Parlament ausgeschieden waren, hat Werner Kogler den Rest der Partei übernommen.