Prozess: Richterin konfrontiert Grasser mit Widersprüchen

Am ersten Verhandlungstag im Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP) und andere nach der Sommerpause hat Richterin Marion Hohenecker ihre Einvernahme des Hauptangeklagten fortgesetzt. Am 48. Verhandlungstag in dem Verfahren hielt sie ihm einige frühere Aussagen vor, die im Widerspruch zu seiner jetzigen Verteidigung stehen.

Spannend wurde es für die Zuhörenden im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts, als sie mit Grasser die Protokolle des parlamentarischen Untersuchungsausschusses durchging. Damals waren die einzelnen Schritte in der – unter Korruptionsverdacht stehenden – Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 ganz genau nachgefragt und beleuchtet worden. Grasser hatte im U-Ausschuss von einem „Finanzierungsrahmen“ von 960 Mio. Euro gesprochen, daher hätte man mehr herausholen können, und daher habe er die zweite Runde empfohlen.

Grasser versuchte, Widerspruch zu erklären

Das ist deswegen bemerkenswert, weil Grasser im laufenden Strafprozess immer gesagt hat, bei den 960 Mio. Euro im Angebot des – letztlich unterlegenen – Bieters CA Immo sei es nicht um einen Finanzierungsrahmen, sondern um ein „Gesamtinvestitionsvolumen“ gegangen. Daher wäre daraus auch kein endgültiger Kaufpreis absehbar gewesen.

Wie Richterin Hohenecker gestern herausarbeitete, hatte Grasser im U-Ausschuss 2012 allerdings vom „Finanzierungsrahmen“ gesprochen. Auch in Notizen von Grassers damaligem Kabinettschef im Finanzministerium, Heinrich Traumüller, taucht „Fin.Zusage“ von 960 Mio. Euro auf.

„Ich habe mich damals im U-Ausschuss fälschlicherweise dazu hinreißen lassen, das zu sagen, was in der Zeitung steht, zu sagen, der Finanzierungsrahmen“, versuchte Grasser gestern, diesen Widerspruch zu erklären. De facto sei es aber der Zinsabschlag gewesen, aus dem man schließen konnte, dass in einer zweiten Runde mehr herauszuholen gewesen wäre, nicht die „Gesamtinvestitionskosten“.

„Die Frage ist, wie man ‚Fin.Zusage‘ interpretiert“

Hätte dann Traumüller nicht auch von einem „Gesamtinvestitionsvolumen“ schreiben müssen, und nicht von einer Finanz- oder Finanzierungszusage?, fragte die Richterin nach. „Die Frage ist nur, wie man Fin.Zusage interpretiert“, so Grasser.

Das Thema ist deswegen so heikel, weil die mitangeklagten Peter Hochegger und Walter Meischberger für die Weitergabe der Information an die Immofinanz, sie sollten „mehr als 960 Mio. Euro“ bieten, eine Millionenprovision von 9,6 Mio. Euro erhielten. Die Anklage sieht Grasser hinter der – profitablen – Information, er habe auch von der Millionenprovision mitgeschnitten – was Grasser dementiert.

Der Prozess wird heute mit der weiteren Einvernahme Grassers durch die Richterin fortgesetzt. Es gilt die Unschuldsvermutung.