Deniz Yücel erhält Medienpreis und kritisiert Erdogan-Besuch

Beim Empfang eines Medienpreises hat der deutsche „Welt“-Journalist Deniz Yücel den bevorstehenden Deutschland-Besuch des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan kritisiert und der Regierung „Verrat“ vorgeworfen.

Es scheine, „als würde sich die Bundesregierung anschicken, ein weiteres Mal all jene Menschen in der Türkei zu verraten, die sich nach einer freiheitlichen, demokratischen und säkularen Gesellschaft sehnen“, hieß es heute in einem vorab verbreiteten Redetext zur Ehrung Yücels mit dem Medienpreis M100 Media Award in Potsdam. Der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier werde einen „Verbrecher zum Staatsbankett empfangen“, der sich „des Menschenraubs schuldig gemacht habe“.

Haft war für Yücel „Geiselnahme“

Yücel, der für die „Welt“ als Türkei-Korrespondent gearbeitet hatte, war bis zu seiner Freilassung im Februar ein Jahr lang in Istanbul inhaftiert gewesen. Nach seiner Entlassung reiste er aus. Sein Prozess wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda und Volksverhetzung geht jedoch weiter. Yücel erhielt den M100 Media Award für seine mutige und unbestechliche Arbeit, wie es hieß. Der Preis geht an Persönlichkeiten, die sich für Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit einsetzen.

Yücel, der seine Untersuchungshaft als „Geiselnahme“ bezeichnete, räumte laut Redetext ein, dass es eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Türkei geben müsse, diese müsse aber an Bedingungen geknüpft werden. In der Türkei müsse die „gängige Praxis, erst verhaften, dann Beweise suchen und schließlich schmoren lassen“, aufhören. Yücel kritisierte auch den Umgang mit dem deutschen Fußballprofi Mesut Özil und warf denjenigen, die Özils Rausschmiss aus der Nationalmannschaft gefordert hatten, Rassismus vor.