Strafverfahren gegen Ungarn: Österreich am Zug

Knapp eine Woche nachdem das EU-Parlament in Straßburg die Einleitung eines Artikel-7-Rechtsstaatsverfahrens gegen Ungarn beschlossen hatte, ist der Fall einem Medienbericht zufolge bei der österreichischen Ratspräsidentschaft gelandet.

Das Magazin „Politico“ (Onlineausgabe) berichtete heute, EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani habe Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gestern in einem Brief über die Entscheidung der Abgeordneten informiert. Damit liegt der Ball bei Österreich, das laut dem Magazin nun entscheiden muss, wann das Thema auf die Agenda des Europäischen Rates gesetzt wird.

In seinem Schreiben an Kurz fordert Tajani laut „Politico“ den Europäischen Rat auf festzustellen, „ob das Risiko eines ernsthaften Verstoßes Ungarns gegen die Werte, auf denen die Union beruht, eindeutig besteht“. Er wolle „vermitteln, welche Wichtigkeit das EU-Parlament dem Thema beimisst“, so Tajani weiter.

„Systemische Bedrohung der Demokratie“

Das Europaparlament hatte Mittwoch vergangener Woche Ungarn eine „systemische Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte“ bescheinigt und per Zweidrittelmehrheit ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der Europäischen Verträge ausgelöst.

Im äußersten Fall droht Ungarn der Verlust der Stimmrechte im EU-Ministerrat. Bis dahin gibt es aber hohe Hürden. Die ungarische Regierung hat bereits angekündigt, gegen das Votum vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anfechten zu wollen.

Ungarn startet Kampagne gegen EU-Parlament

Im eigenen Land startete die ungarische Regierung indes eine Kampagne gegen das EU-Parlament. Auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichte sie ein knapp halbminütiges Video mit dem Titel „Geben wir der Erpressung nicht nach!“ In dem mit dramatischer Musik untermalten Clip sagt ein Sprecher: „Die einwanderungsfreundliche Mehrheit im Europaparlament will uns zum Schweigen bringen, weil wir unsere Heimat und Europa mit einem Grenzzaun schützen.“

Das Video ist offenbar nur Teil einer breiter angelegten Kampagne zur Darstellung der Position der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban. Ähnliche Clips und Tonbeiträge würden in den kommenden Tagen als Anzeigen in Fernsehen, Radio und Onlinemedien geschaltet, berichtete die regierungsnahe Tageszeitung „Magyar Idök“.

Die rechtsnationale Regierung Ungarns hat der UNO indes vorgeworfen, „skandalöse und inakzeptable Lügen“ über die Flüchtlingspolitik des Landes zu verbreiten. „Ungarn wird nie ein Einwanderungsland sein“, sagte Außenminister Peter Szijjarto vor dem UNO-Menschenrechtsausschuss in Genf. „Wir werden immer die Sicherheit des ungarischen Volkes verteidigen.“ Kein einziger „illegaler Migrant“ werde ungarischen Boden betreten.