SPÖ-Bundesparteichef Christian Kern
APA/Roland Schlager
Kern zu Abgang

„Nicht ideale Speerspitze der Opposition“

Nach der Ankündigung, die Leitung der SPÖ abzugeben, wird Christian Kern in den kommenden Wochen einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin suchen. Das kündigte der Noch-Parteichef am Mittwoch an. Seinen Abgang begründete Kern auch mit seinem Hadern mit der Oppositionsrolle.

Er selbst habe sich die „persönliche Entscheidung“ lange überlegt, sagte Kern. Er räumte ein, dass sein „persönliches Profil nicht unbedingt die ideale Speerspitze der Opposition“ sei. „Das ist nicht mein Stil, mit dem Bihänder auf Leute einzudreschen“, so Kern. Die Zuspitzung sei eine „ehrenvolle Aufgabe“. Es gebe aber andere in der SPÖ, „die das mindestens so gut können wie ich“, so Kern.

„Sondierungsgespräche“ zu Nachfolge

Eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger für Kern dürfte noch etwas auf sich warten lassen. Er sei beauftragt worden, Sondierungsgespräche über seine Nachfolge zu führen, sagte Kern nach dem Parteipräsidium Mittwochmittag. Das werde er in den kommenden Wochen tun. „Wir werden uns da ausreichend Zeit nehmen“, so Kern. Bundesgeschäftsführer Max Lercher präzisierte nach den Sitzungen von Parteipräsidium und -vorstand, dass die Suche nach einem oder einer neuen Parteivorsitzenden bis spätestens 15. Oktober abgeschlossen sein solle.

Kern sucht Nachfolge

SPÖ-Parteichef Christian Kern (SPÖ) wird in den nächsten Wochen die Sondierungsgespräche über seine Nachfolge führen.

Gewählt werden solle die Person gemeinsam mit der Liste für die EU-Wahl an einem Parteitag am 24. und 25. November. Lercher bestätigte, dass Kern bei der Nachfolgesuche führend aktiv sein werde – allerdings „im Wechselspiel mit dem Parteipräsidium", so der Bundesgeschäftsführer. Laut Lercher hat sich die Parteispitze auch auf interne Kriterien für die zukünftige Führungsperson geeinigt. Für die Öffentlichkeit seien diese allerdings nicht bestimmt. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sprach von „Parametern“, die entwickelt würden, um „die geeignete Person“ zu finden – mehr dazu in wien.ORF.at.

Reihe von Absagen

Der Pool, aus dem Kern schöpfen kann, schrumpfte bereits zusammen. Nachdem schon am Dienstag der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser abgewunken hatte, erteilten am Mittwoch auch die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und der burgenländische Neo-SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil Spekulationen über ihre Person eine Absage. Noch nicht in die Karten schauen lassen wollte sich Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner.

Viele in eigener Partei überrumpelt

Die Suche dürfte sich für Kern kaum einfach gestalten. Umso mehr, als große Teile der Partei von seiner Ankündigung offenkundig überrumpelt worden waren. Vor allem aus den Landesparteien kam am Mittwoch Befremden über die Art und Weise, wie Kern seinen Schritt von der Parteispitze kommuniziert hatte.

Bisweilen richtete sich die Kritik auch an – namentlich nicht genannte – Personen in der eigenen Partei. Der Salzburger Landeschef Walter Steidl sprach von Indiskretion in den eigenen Reihen. Gegner Kerns in der SPÖ hätten bösartige Gerüchte gestreut – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Auch Tirols SPÖ-Landeschefin Elisabeth Blanik ärgerte sich darüber, dass es „einzelne mit einem besonderen Mitteilungsbedürfnis“ gebe. Ein solches Verhalten sei „unsinnig und schädigend“. Der steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer stellte am Mittwoch in seiner ersten Stellungnahme nach den Ereignissen vom Dienstag fest: „So ein Tag wie gestern darf nicht noch einmal passieren.“

Spekulationen über Quelle der Gerüchte

Wer genau am Dienstag „Presse“ und „Kronen Zeitung“ informiert hatte, dass Kern seinen Rücktritt plane, blieb auch am Mittwoch Gegenstand von Spekulationen. Die Rede war zum einen von Personen im Umfeld der Wiener Landespartei. Zum anderen stand im Raum, dass das Leak seinen Ursprung in der burgenländischen Landesorganisation hatte. Fest steht aber, dass nur die Information über Kerns Abgang gestreut wurde. Seine Kandidatur bei der EU-Wahl blieb ausgespart.

Nach dem Aufkommen der Gerüchte blieb Kern aber noch mehrere Stunden in Deckung, ehe er bei einem kurzen Medienauftritt am frühen Abend klarstellte: Er wolle bei der EU-Wahl im Mai nächsten Jahres als Spitzenkandidat antreten und spätestens dann die SPÖ-Führungsposition niederlegen. Der „Standard“ berichtete am Mittwoch unter Verweis auf informierte Parteikreise, dass Kern noch am Dienstagnachmittag Bures und Rendi-Wagner angerufen habe. Der SPÖ-Chef habe beide gebeten, sich für den Parteivorsitz zu bewerben, von Bures aber umgehend eine Absage erhalten, so die Zeitung.

Heftige Kritik von Altkanzler

Heftige Kritik am Vorgehen Kerns kam am Mittwoch von einem seiner Vorgänger. „So kann man sich nicht verhalten, so kann man nicht abtreten“, sagte Altkanzler und Ex-SPÖ-Vorsitzender Franz Vranitzky in der „Tiroler Tageszeitung“. Zwar müsse man persönliche Entscheidungen respektieren, „aber man muss wissen, dass solche Entscheidungen immer ursächliche Auswirkungen auf die Gesamtsituation der Partei haben“. Zu den Vorgängen in seiner Partei insgesamt meinte der Altkanzler: „Mich erfasst ein großes Entsetzen.“

Gänzlich unterschiedlich urteilte eine andere ehemalige SPÖ-Größe über Kerns Abgang. „Nein, das ist alles keinesfalls so negativ“, sagte Ex-SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch gegenüber der „Krone“ (Onlineausgabe). „Das ist doch ein ehrenvoller Abgang für den Parteivorsitzenden. Und die SPÖ in die EU-Wahl zu führen ist eine große und wichtige Aufgabe. Jetzt hat die Partei dafür einen bekannten und guten Spitzenkandidaten, Christian Kern kann damit viel gewinnen“, sagte Androsch.

Noch keine Entscheidung über S&D-Kandidaten

Kern bestätigte am Mittwoch, dass er von der SPÖ beauftragt worden sei, als Spitzenkandidat in die EU-Wahl zu ziehen. Die EU stehe sowohl vor inneren als auch äußeren Herausforderungen. Sein Ziel sei es, die Sozialdemokraten wieder zu stärken, so Kern. Als Ziel gab er Platz eins in Österreich und zumindest Platz zwei für die sozialdemokratische Fraktion (S&D) auf EU-Ebene aus.

In der EU-Fraktion bewirbt sich Kern ebenfalls um die Spitzenkandidatur, wie er Mittwochnachmittag auch bei einem Treffen der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) in Salzburg bekanntgab. Kern tritt damit parteiintern gegen den slowakischen Sozialdemokraten und Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic an, der sich bereits am Montag offiziell um den Posten beworben hatte. In den kommenden Wochen könnten weitere Kandidatinnen und Kandidaten hinzukommen. Die Frist läuft bis 18. Oktober. Die endgültige Entscheidung fällt am 7. Dezember bei einem S&D-Kongress in Lissabon.

Kerns Bewerbung dürfte dabei auch manche Parteifreunde in der EU überrascht haben. Die „Presse“ berichtete am Mittwoch, dass am Dienstagnachmittag in Deutschland das „unmittelbare Umfeld “ der SPD-Chefin Andrea Nahles von Kerns Ankündigung „überrascht“ gewesen sei. Kern selbst sagte in Salzburg, dass der Prozess rund um die Ankündigung seiner Kandidatur „nicht nur in meinem Einflussbereich etwas holprig gelaufen“ sei.