Romy Schneider in „The Story of Vickie“, 1954
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Romy Schneider

Späte Antworten auf offene Fragen

Am Sonntag wäre Romy Schneider 80 Jahre alt geworden. Ihr so erfolgreiches wie tragisches Leben bietet immer noch viel Raum für Spekulationen. Bis heute gilt Schneider nach unzähligen Interviews, Biografien und Dokumentationen als ein „Rätsel“ – auch wenn es auf die eine oder andere Frage nun späte Antworten gibt.

Am 23. September 1938 erblickte Rosemarie Magdalena Albach in einem Wiener Spital das Licht der Welt. „Einfach nur schauspielern“ war von klein auf der Herzenswunsch der in eine Familie von Bühnen- und Filmkünstlern geborenen Schneider. Aber es war längst nicht nur ihre Schauspielerei, für die sie in Erinnerung blieb – es waren auch die Tragödien und Skandale.

Sogar jetzt noch rauscht es im Blätterwald. „Meine Mutter schlief mit Hitler“ titelte die deutsche „Bild Zeitung“ Ende August mit einem Gerücht, das schon länger existiert. Anlass war die TV-Doku „Ein Abend mit Romy Schneider“, die ein Interview mit der Journalistin Alice Schwarzer von 1976 aufbereitet. Die Begründerin des feministischen Magazins EMMA hatte das Tonband seit damals unter Verschluss gehalten und machte es jetzt öffentlich – inklusive der nicht aufgenommenen Gesprächspassagen.

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Horst Buchholz und Romy Schneider, 1956
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Horst Buchholz und Romy Schneider 1956 beim Schlittenfahren
Romy Schneider im Film "Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin
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Romy Schneider im Film „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“
Romy Schneider, 1956
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Unbeschwerte Zeiten: Romy Schneider 1956
Romy Schneider und Michel Piccoli, 1976
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Romy Schneider und Michel Piccoli (rechts), 1976
Alain Delon und Romy Schneider in Nizza
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Alain Delon und Romy Schneider in Nizza
Alain Delon und Romy Schneider in „La Piscine“
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Alain Delon und Romy Schneider in „Swimmingpool“
Romy Schneider und ihr Sohn Christoher, 1966
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Romy Schneider und ihr Sohn Christopher, 1966
Romy Schneider und Klaus Kinski
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Romy Schneider und Klaus Kinski
Alain Delon und Romy Schneider, Juli 1961
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Alain Delon und Romy Schneider, Juli 1961
Romy Schneider und Michel Piccoli
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Romy Schneider und Michel Piccoli
Romy Schneider im Film „Das Mädchen und der Kommissar“, 1971
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Romy Schneider im Film „Das Mädchen und der Kommissar“, 1971

Ausbeutung eines Jungstars

Schneider sei überzeugt davon gewesen, dass ihre Mutter, die Schauspielerin Magda Schneider, Sex mit dem „Führer“ hatte, erzählt Schwarzer. Eine andere nicht aufgenommene Aussage wiegt allerdings noch schwerer: Ihr Stiefvater und Manager Hans Herbert Blatzheim hätte mehrfach versucht, sie zu vergewaltigen; die Mutter bot Schneider keinen Schutz.

„KulturDoku“: Ein Abend mit Romy

Über vierzig Jahre nach ihrem exklusiven Interview mit Schneider stellt Alice Schwarzer die Aufnahmen für Patrick Jeudys Doku zur Verfügung und kommentiert das Gespräch.

Allerdings hat Schwarzer diesen Missbrauch durch „Daddy“ – wie die Stieftochter Blatzheim nennen sollte – bereits 1998 in einem Artikel publik gemacht. Verbürgt ist heute, dass sich der Großgastronom an der Karriere der „Sissi“-Darstellerin bereicherte. Nach seinem Tod 1968 musste der 30-jährige Filmstar erfahren, dass der Stiefvater 1,2 Millionen Franken zur Rettung seines Lokalimperiums veruntreut hatte.

Keine Romy für Romeo

Wenn die Arte-Doku auch inhaltlich nichts Neues bietet, so berührt doch Schneiders zwischen intensiv und brüchig changierende Stimme. Ihr Tonfall ist mal als „unnachahmlich bourgeoise Wiener Melodie“, mal als „spezifisch österreichische Müdigkeit beim Sprechen“ beschrieben worden. Landsmann Oskar Werner hätte gerne „Romeo und Julia“ mit Schneider gespielt, aber sie sagte ab. Die beiden unnachahmlichen Timbres möchte man sich gern beim „Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche“-Bettdialog vorstellen.

Während Schwarzer nur einen Abend mit dem Massenidol verbrachte, setzt der letztes Frühjahr in die Kinos gekommene Spielfilm „3 Tage in Quiberon“ ein verlängertes Wochenende in Szene. Abermals geht es um Schneiders Verhältnis zur Presse, ihrer inneren Zerrissenheit nach Privatheit und Preisgabe. Marie Bäumer gelingt in Emily Atefs Streifen zwar gut, Schneiders inneres Leuchten, ihren Schalk und ihren Stolz darzustellen. Aber das Drehbuch zeigt sie letztlich doch als labile Alkoholikerin, was damalige Wegbegleiter kritisierten.

Von den Nonnen aufs Filmset

„Es liegt am Blick, am Ausdruck, einfach ihrer ganzen Aura“, sagt Kurator Florian Widegger vom Filmarchiv Austria über das „Rätsel Romy Schneider“. Widegger hat im Metro Kino die aktuelle Retrospektive „Romy Schneider. Acht Filme zum 80. Geburtstag“ gestaltet. An die 50 Filme hat die 1982 im Alter von 43 Jahren an Herzversagen verstorbene Filmkünstlerin hinterlassen. Die Reihe des Filmarchivs konzentriert sich auf ihr unter die Haut gehendes Spätwerk.

Schneiders Filmografie lässt sich grob in drei Blöcke gliedern. Frisch aus der Klosterschule startete die 15-Jährige an der Seite ihrer Mutter mit dem Heimatfilm „Im Prater blühen wieder die Bäume“. Von 1955 von 1957 folgte die legendäre „Sissi“-Trilogie. Bei der Begegnung mit ihrer ersten Liebe Alain Delon in der Schnitzler-Verfilmung „Christine“ hatte die junge Frau schon 13 Filme gemacht, darunter „Monpti“ mit Horst Buchholz und „Mädchen in Uniform“ mit Lilli Palmer.

Erstmals nackte Haut

Sehr zum Ärger ihrer Eltern schlug die Akteurin eine Million D-Mark für einen vierten „Sissi“-Teil aus und übersiedelte 1957 nach Paris. Der deutschsprachige Boulevard geißelte das als „Verrat“. Ihr mittleres Werk setzt mit der Zusammenarbeit mit dem italienischen Regisseur Luchino Visconti ein. In dessen Episodenfilm über moderne Liebe und Moral „Boccaccio 70“ zeigt die nun selbstbestimmte Schauspielerin erstmals nackte Haut.

Mit neuem Regisseur, Coco Chanel als Modecoach und Sprachunterricht überwand Schneider ihr anfängliches Tief in Paris. Für Visconti schlüpfte sie 1972 im Kostümfilm „Ludwig II.“ sogar noch einmal in die Rolle von Elisabeth I. In Orson Welles’ Kafka-Verfilmung „Der Prozess“ trifft sie auf „Psycho“-Darsteller Anthony Perkins, in „What’s New Pussycat?“ tanzt sie mit Woody Allen. Wenig bekannt sind ihre Hollywood-Engagements. Während die „Sissi“-Trilogie in den USA bis heute kaum bekannt ist, brachten die Disney Studios 1954 ihren Film „Mädchenjahre einer Königin“ heraus.

Mythos Romy Schneider

Sie war süße Sissi und verletzliche Femme Fatale – und eine Filmikone, die alle zu kennen glaubten, aus der jedoch niemand schlau wurde. Der „kulturMontag“ widmete sich dem Mythos Romy.

Angewidert von Hollywood

„Dreh alles, was kommt, solang es nicht absoluter Dreck ist. Dreh alles!“, riet ihr der emigrierte Landsmann Otto Preminger, in dessen Kirchenmelodram „Der Kardinal“ sie 1963 in Los Angeles mitwirkte. Aber Schneider war angewidert vom „Starsystem“ der US-Filmstudios, die Schauspielerinnen und Schauspieler vertraglich knebelten. Das erzählt sie in Hans-Jürgen Syberbergs Dokumentation „Porträt eines Gesichts“, der die 27-Jährige beim Skiurlaub in Kitzbühel traf.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Shooting Star von Filmsets die Nase voll. Sie wollte auf die Bühne. Schneider gestand Syberberg auch ihre Angst vor der Zukunft ein, vor dem Älterwerden und davor, keine guten Rollen mehr angeboten zu bekommen. Bald wird sich Schneider in der Ehe mit Harry Meyen als Mutter und Hausfrau versuchen, Rollen, die sie zwar nicht ausfüllen, aber sie wohl für spätere Parts reifen lassen.

Ein französischer Star

Nach zweijähriger Babypause ermöglicht Delon seiner Ex-Geliebten ein Comeback in dem Erotikthriller „Swimmingpool“. Bereits Schneiders Ankunft am Flughafen wird als Medienevent inszeniert. Die Poolszenen im Bikini spielt sie souveräner denn je, ihr Mädchenimage hat sie abgelegt. Der Film mit Delon ist der Startschuss für ihren rasanten Aufstieg zu einer der führenden Schauspielerinnen Frankreichs.

In Claude Sautet findet Schneider den Regisseur ihres Lebens. „Sautet war kein Nouvelle-Vague-Regisseur, sondern eher zweite Reihe“, erklärt Filmkurator Widegger. Vom Thriller-Genre kommend, engagiert er die Deutsche für bürgerliche Melodramen mit großen Frauenrollen. Voller Hingabe und arbeitswütig verkörpert sie fast immer zerrissen Liebende. Mit Filmen wie „Le Train“ und ihrem letzten Werk „Die Spaziergängerin von Sans Souci“ nimmt sie sich auch der verdrängten Thematik des Nationalsozialismus an.

Tragischer Schlussakt

„Wie kann jemand mit so viel Erfolg und Bewunderung so unglücklich sein?“, formuliert Widegger eine Frage, die sich freilich auch bei vielen anderen vor der Zeit verstorbenen Stars stellt. Schneider hat den tragischen Unfalltod ihres Sohnes David nicht verkraftet. „Romys Sohn aufgespießt“, titelte die „Bild Zeitung“ zum Tod des 14-Jährigen, der beim Zaunklettern abgerutscht war. Später hieß es oft, der Filmstar sei an „gebrochenem Herzen gestorben“. Viel Schmerz entstand aber zweifellos aus dem Dreck, mit dem sie sensationsgeile Medien so gern beworfen haben.