Polen wegen Exhumierung von Smolensk-Opfern verurteilt

Mit der zwangsweisen Exhumierung von Opfern des Flugzeugabsturzes von Smolensk haben die polnischen Behörden die Rechte von Angehörigen verletzt. Das urteilte heute der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Polen muss zwei Beschwerdeführerinnen nun je 16.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Mit der Exhumierung hätten die Behörden gegen deren Recht auf Privatleben verstoßen.

Geklagt hatten die Ehefrauen zweier Opfer des Flugzeugabsturzes, bei dem im Jahr 2010 in Russland 96 Menschen ums Leben kamen, darunter der damalige Präsident Polens, Lech Kaczynski. Gegen den Willen der beiden Frauen hatten die polnischen Ermittlungsbehörden rund sechs Jahre nach dem Absturz veranlasst, dass die Leichen der Ehemänner aus ihren Gräbern geholt werden. Bei einer Autopsie sollten Erkenntnisse über die Ursache des Absturzes gewonnen werden.

Bei diesem Vorgehen hätten die Behörden nicht abgewogen, ob der Eingriff in das Recht auf Privatleben der Frauen angemessen gewesen sei, argumentierten die Straßburger Richter. Es gebe natürlich ein großes Interesse daran, die Ursachen des Absturzes aufzuklären. Aber im polnischen Recht fehle ein Mechanismus, der erlaube, dieses Ziel mit den Interessen der Angehörigen auszubalancieren. Beide Seiten können das Urteil innerhalb von drei Monaten anfechten.

Verschwörungstheorien halten sich

Polens Regierende gaben der Vorgängerregierung Schuld an dem Richterspruch. Die Exhumierungen habe es nur wegen der Versäumnisse der damals zuständigen Behörden gegeben, sagte Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro. Viele Anhänger der PiS vermuten hinter dem Absturz einen Anschlag, die Partei lässt den Fall seit ihrer Machtübernahme neu untersuchen – bisher aber ohne Durchbruch.