Bundeskanzler Sebastian Kurz
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Kurz zu Flüchtlingspolitik

„Hoffnung“ liegt in Nordafrika

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Donnerstag nach dem informellem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Salzburg einen „schrittweise ständigen Fortschritt“ in der Flüchtlingspolitik verortet. Es gelte nun, Partner in Nordafrika zu finden – denn dort, so Kurz, „liegt unsere Hoffnung“.

Kurz unterstrich in dem Gespräch mit der ZIB2, dass es auf dem EU-Gipfel eine Einigung auf eine vertiefte Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten gegeben habe. EU-Ratspräsident Donald Tusk werde in Kürze Verhandlungen in der Region starten. Ein sehr gutes Gesprächsklima gebe es etwa mit Ägypten.

Ägypten gegen Zentren

Den Einwand, dass Ägypten (neben anderen nordafrikanischen Ländern) dem Bau von Flüchtlingszentren erst vergangene Woche eine Absage erteilt hatte, wollte Kurz nicht gelten lassen: „Ägypten hat jetzt schon 500.000 Migranten im Land, und das nicht in Zentren.“ Insofern würden dort auch keine neuen Zentren errichtet. Ohnehin wies Kurz das Wort „Anlandeplattformen“ zurück, das bei dem Flüchtlingsgipfel im Juni noch in aller Munde gewesen war: Dieses halte er für „skurril“. Für ihn sei entscheidend, dass es keine illegalen Übertritte nach Europa mehr gebe.

Kanzler Kurz zum EU-Gipfel

Beim informellen EU-Gipfel in Salzburg waren die Hauptthemen Migration und der „Brexit“. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) äußert sich dazu im ZIB2-Interview.

Indirekt stimmte Kurz zu, dass afrikanische Flüchtlinge in Afrika bleiben sollten. „Wenn es die Möglichkeit gibt, in Afrika in Sicherheit zu leben, ist es wesentlich besser, als wenn diese Menschen alle nach Europa aufbrechen.“ De facto gehören aber laut der UNO-Flüchtlingsorganisation UNHCR Uganda, der Sudan und Äthiopien bereits jetzt zu den größten Aufnahmeländern der Welt. Allein in Uganda lebten im vergangenen Jahr 1,4 Millionen Flüchtlinge. Insgesamt leben laut UNHCR weltweit 85 Prozent der Flüchtlinge in Entwicklungsregionen.

Kurz verwies auch auf Resettlement-Programme: Die europäischen Staaten müssten sich aussuchen können, welche Personen aufgenommen würden. „Es müssen nicht nur junge Männer aufgenommen werden, die aus dem Mittelstand in Afrika kommen, den Schlepper bezahlen können und fit genug sind, die Reise zu überstehen.“ Wie viele Menschen man aufnehmen wolle, sollte jedes Land frei bestimmen können. Ohnehin sieht Kurz den großen Fortschritt in der Flüchtlingspolitik darin, dass nicht mehr über Verteilung, sondern über Grenzschutz gesprochen werde.

Kurz ortet Naivität

In dem Gespräch wurde auch Bezug darauf genommen, dass Kurz kürzlich gesagt hatte, dass seine Ideen vor drei Jahren noch als rechtsextrem gegolten hätten und nun umgesetzt würden. Das sei, so Kurz, keineswegs beunruhigend: Für ihn zeige das, dass damals viele naiv gewesen seien und diese nun zugeben müssten, falsch gelegen zu sein. Dieser neue Weg sei „richtiger und menschlicher“, was sich auch darin zeige, dass die Zahl der Toten im Mittelmeer massiv zurückgegangen sei.

Dass am Donnerstag noch nicht einmal bei der Aufstockung und den künftigen Aufgaben der Grenzschutztruppe Frontex unter den Staaten Konsens geherrscht hatte, wollte er ebenfalls nicht überbewerten: Es spieße sich „bei der Frage der Souveränitätsrechte“. Es gelte nun, das Mandat so zu gestalten, dass kritische Staaten wie Italien, Frankreich und Spanien zustimmen könnten.

Juncker: „Nützlicher Gipfel“

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte nach dem Treffen von einem „nützlichen und positiven Gipfel“ gesprochen. In Sachen Außengrenzschutz gebe es einen „Grundkonsens“, zeigte sich Juncker erfreut. Salzburg sei ein Garant für Gipfelerfolge, schließlich gebe es viele Gipfel rundherum, scherzte Juncker. „Alles war sehr gut, es wird aber noch besser werden“, schloss Juncker sein Statement ab.

Gruppenfoto der Teilnehmer und Teilnehmerinnen am EU-Gipfel in Salzburg
AP/Matthias Schrader
Bei dem Gipfel am Samstag standen Migration und „Brexit“ im Mittelpunkt

Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte, man strebe ein Flüchtlingsabkommen mit nordafrikanischen Staaten an – ähnlich wie mit der Türkei. Man sei sich innerhalb der EU-Mitglieder einig, den Dialog mit Ägypten, aber auch mit Tunesien, Marokko und Libyen zu intensivieren, sagte Merkel zum Abschluss des Gipfels. Letztlich seien Abkommen und Absprachen nötig. Mit Fragen der Verteilung von Flüchtlingen in Europa habe man sich eher weniger befasst, da klar gewesen sei, dass es hier keine Resultate geben werde.