SPÖ-Chef Christian Kern
APA/Roland Schlager
Abgang

Kern erklärt sich SPÖ-Mitgliedern

Der scheidende SPÖ-Chef Christian Kern hat sich zum Abschied den Mitgliedern der Partei erklärt. In einem längeren Text würdigt er umfangreich seine eigenen Leistungen und entschuldigte sich für die Vorgänge der vergangenen Tage.

Kern erklärt seinen Wechsel nach Brüssel mit der Erkenntnis, dass andere Opposition „ebenso gut können“ wie er. Kern verweist dabei nicht nur auf seine Tätigkeit als Regierungschef, sondern auch auf die als Parteivorsitzender. Den Stimmenzuwachs bei der vergangenen Nationalratswahl lobt er als gegen den europäischen Trend, die Verjüngung der SPÖ schreibt er sich zu, ebenso das neue Parteiprogramm und das vor Kurzem vorgelegte Migrationspapier. Es sei für ihn auch eine „riesige, unbeschreibliche Ehre und ein ganz besonderer Höhepunkt“ in seinem Leben gewesen, „Vorsitzender dieser im besten Sinn einzigartigen Partei zu werden“.

„Plan A“ für Oppositionsrolle

Für die weitere Oppositionszeit der SPÖ sieht Kern die Basis geschaffen – und zwar durch seinen „Plan A“. Mit diesem verfüge die Partei über einen reichlichen Fundus an Ideen, der Österreich auch aus der Opposition heraus deutlich besser machen könne.

Zu den Wirrnissen um seinen Wechsel nach Brüssel meint Kern: „Was in den vergangenen Tagen konkret passiert ist, war sicher nicht akzeptabel. Mir selbst wäre ein geordneter Übergang natürlich viel lieber gewesen.“ Wiewohl das Geschehene nicht nur in seinem Einflussbereich zu suchen sei, übernehme er als Parteichef selbstverständlich die Verantwortung dafür – und er „möchte an dieser Stelle alle davon Betroffenen um Entschuldigung bitten“.

„Freundschaft“

Den Mitgliedern versichert der scheidende Parteichef, nun mit ganzer Energie und größter Leidenschaft dafür zu kämpfen, dass die SPÖ bei der kommenden Europawahl Erster und die Sozialdemokratie in Europa gestärkt werde. Optimismus wird gleich nachgeliefert: „Unsere sozialdemokratische Bewegung hat eine große Vergangenheit – und eine große Zukunft“, schreibt Kern und beschließt sein Schreiben mit einem „Freundschaft“.

Kern entschuldigt sich

Kern erklärte sich am Vorabend auch in Vorarlberg am außerordentlichen Parteitag der Vorarlberger SPÖ – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Er wolle auch nach seinem angekündigten Abgang von der Parteispitze die Sozialdemokraten als Nummer eins im Land sehen: „Wenn wir nicht Erster sind, werden wir nicht regieren“, stellte Kern klar. In diesem Sinne werde er auch versuchen, seine Nachfolge zu regeln. Die SPÖ habe einen „großen Fundus an starken Frauen, aber auch Männern“ für diese Funktion, unterstrich Kern – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Der Altbundeskanzler ließ manche Geschehnisse der vergangenen Tage Revue passieren, bekannte, „sehr wenig“ geschlafen zu haben, entschuldigte sich für den „danebengegangenen Übergang“ und bat um Verständnis für seine persönliche Entscheidung, in die Europapolitik wechseln zu wollen. Er habe sie „gegen jede Emotion getroffen“.

„Ehrenvolle Aufgabe“

Er sei vor der Entscheidung gestanden, sein Leben als Berufspolitiker fortzusetzen oder einen guten Übergang zu schaffen. Die Opposition sei zwar eine „ehrenvolle Aufgabe“, er sehe sich aber doch als Gestalter. Seine politische Leidenschaft sei ungebrochen, betonte Kern.

An den Befindlichkeiten von ÖVP und FPÖ übte der scheidende Parteichef scharfe Kritik. Die ÖVP sei vor allem an Macht interessiert, stellte Kern fest. Es sei klar gewesen, dass, „wenn jemand Skrupelloserer als Reinhold Mitterlehner die Partei führt“, diese mit den Freiheitlichen regieren werde. Bei der FPÖ seien die „Suppenhühner“ vielleicht doch in größerer Menge vorhanden als in anderen Parteien. Es sei immer klar gewesen, „dass ich mit denen nicht in einem Boot sitzen möchte“, so Kern.

Kern betont Abgrenzung von FPÖ

Die Abgrenzung zur FPÖ sei für die SPÖ ein „gutes Prinzip“, denn es gebe mit der FPÖ sozialpolitisch keine gemeinsame Grundlage. Die FPÖ arbeite mit Desavouierung und Diffamierung. Kern führte als Beispiel jenen Lehrling an, dem die FPÖ fälschlicherweise Sympathie zu einer Terrororganisation unterstellt hatte. Mit dieser Vorgangsweise habe die FPÖ „dem Bundespräsidenten (Alexander Van der Bellen, Anm.) ins Gesicht gespuckt“.

Die Sozialdemokratie hingegen sei das Bekenntnis zu Solidarität, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit für alle Menschen. Diese Werte seien „massiv herausgefordert“, doch gelte es, die Schlacht für diese zu führen, in Europa und in Österreich, so Kern. Die Partei werde am Ende immer größer als eine Einzelperson sein. Er schloss seine Rede mit einem Appell an die Genossen: „Am Ende hängt es an euch und nur an euch.“ Die Delegierten quittierten Kerns Worte mit Standing Ovations.

Bures: Mein Platz ist im NR-Präsidium

Unterdessen ist weiterhin unklar, wer Kern nachfolgen soll. Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) dürfte sich nicht überreden lassen, die SPÖ-Spitze zu übernehmen. Am Freitag sagte sie in einer schriftlichen Stellungnahme wohl endgültig ab: „Mein Platz ist im Präsidium des Nationalrats.“

Bures galt als Wunschkandidatin der östlichen Bundesländer, verfügt die ehemalige Bundesgeschäftsführerin und Ministerin doch über eine exzellente Kenntnis der Partei und seit ihrem Wechsel ins Parlamentspräsidium auch über gute Persönlichkeitswerte. Ihr wird allerdings nachgesagt, eher an einer Hofburg-Kandidatur interessiert zu sein, die mit einer Rolle als SPÖ-Chefin nicht mehr so leicht machbar wäre.

Am Freitag schrieb Bures, in den vergangenen Tagen viel Zuspruch erhalten zu haben, die Position der Parteichefin zu übernehmen. Es sei eine große Ehre, gefragt zu werden, den Vorsitz in der traditionsreichen Partei zu übernehmen: „Wichtig ist aber, dass man sich von der Ehre nicht blenden lässt.“ So habe sie sich nach Abwägung aller Argumente dazu entschieden, für die SPÖ-Spitze nicht zur Verfügung zu stehen