Türkische Soldaten bewachen den eingan des Gefängnisses in Sincan, nahe Ankara
APA/AFP/Adem Altan
Türkei

Österreichischer Journalist in U-Haft

Der vergangene Woche in der Türkei festgenommene Journalist und Student Max Zirngast befindet sich in Ankara in U-Haft. Entsprechende Medienberichte bestätigte das Außenministerium in Wien am Freitag. Der Österreicher war von der türkischen Anti-Terror-Polizei im Zuge von Ermittlungen gegen eine verbotene linksextreme Gruppe festgenommen worden.

Laut einem Bericht der „Presse“ wird dem 29-Jährigen – wie in ähnlich gelagerten Fällen – die Mitgliedschaft in einer staatsfeindlichen Vereinigung vorgeworfen. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. Laut dem Außenministerium wurde aber noch keine Anklage erhoben.

Anwalt weist Vorwürfe zurück

Zirngasts Anwalt wies die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurück. Sein Mandant habe „keine Verbindung“ zu Terrororganisationen und halte sich bei seiner Arbeit als Journalist an die Gesetze. Bei einer Anhörung wurde er zu seinen Artikeln und zu Recherchen über einen kommunistischen Politiker aus der Türkei befragt, wie aus dem Anhörungsprotokoll hervorgeht.

Max Zirngast
ORF
Zirngast wurde am 11. September verhaftet

Zirngast sagte laut den Angaben, er sei Wissenschaftler und besitze Bücher über links- und rechtsgerichtete Ideologien „und sogar literarische Werke“. Zu seinen Artikeln über den Kurdenkonflikt und die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sagte Zirngast, er berichte darüber „objektiv“.

Noch kein Besuch von Diplomaten

Vor Verhängung der U-Haft befand sich Zirngast in Polizeigewahrsam. Die türkische Staatsanwaltschaft hatte diesen zweimal verlängert, ursprünglich um vier Tage. Begründet wurde die Verlängerung mit noch unvollständigen Unterlagen, berichtete einer der Anwälte des Österreichers, Teoman Özkan, der „Presse“ und dem „Kurier“.

Österreichische Diplomaten durften den Beschuldigten bisher nicht besuchen, weil das laut türkischem Recht in Polizeigewahrsam nicht möglich sei. In Untersuchungshaft werde Botschafterin Ulrike Tilly ihm nun einen Besuch abstatten, so der Sprecher. Das Außenministerium stehe in ständigem Kontakt zu seinen Anwälten und seiner Familie. Die Bundesregierung hatte kurz nach Zirngasts Festnahme eine Konkretisierung der Vorwürfe, andernfalls dessen Freilassung gefordert. Ankara hatte allerdings nicht reagiert.

In frühen Morgenstunden festgenommen

Der Österreicher und drei türkische Staatsbürger waren am Dienstag vergangener Woche in den frühen Morgenstunden von der Anti-Terror-Polizei im Zuge von Ermittlungen gegen die verbotene linksextreme Gruppe TKP/Kivilcim in Ankara festgenommen worden. Der 29-Jährige soll Beiträge für die Publikation einer Organisation verfasst haben, die mit der TKP/Kivilcim in Kontakt stehen soll.

Von der Festnahme hatte zuerst die Redaktion des „re:volt magazins“ berichtet, für das Zirngast Beiträge verfasst hatte. Die Redaktion des nach Eigenbezeichnung „linksradikalen Politik-Analyse-Bewegungs-Magazins“ hatte einen Zusammenhang mit „politischen Publikationen“ erwogen. Andere Beobachterinnen und Beobachter äußerten die Vermutung, dass mit der Festnahme in bilateralen Verhandlungen mit der Türkei Druck auf die österreichische Regierung ausgeübt werden sollte.

Seit 2015 in Ankara

Zirngast studiert seit 2015 in Ankara Politikwissenschaft an der Middle East Technical University. Davor hatte der Steirer an der Universität Wien Politikwissenschaft und Philosophie studiert. Er war als freier Autor tätig und beschäftigte sich unter anderem mit der Politik von Recep Tayyip Erdogan und der Lage der Kurden in der Türkei. Ehemalige Kollegen und Kolleginnen von der Universität Wien äußerten in einer Unterstützungserklärung die Überzeugung, dass es sich bei den ihm zur Last gelegten Vorwürfen um einen haltlosen Vorwand handelt, um kritische Stimmen in der türkischen Öffentlichkeit einzuschüchtern und mundtot zu machen.

Haftstrafen für Personen aus dem Ausland

Die Türkei geht seit dem Putschversuch im Juli 2016 immer wieder auch gegen ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger vor. Die Festnahmen erfolgen meist wegen „Terrorverdachts“. Daran ändert offenbar auch ein Ende des Ausnahmezustands nichts. Erst vergangene Woche wurden ein Brite zu sieben, seine bulgarische Verlobte zu zwei und ein Deutscher zu drei Jahren Haft verurteilt. Den beiden Männern wurde Terrorunterstützung, der Frau Terrorpropaganda vorgeworfen.

Am Freitag wurde laut Medienberichten erneut ein Deutscher in der Türkei festgenommen. Der ehemalige Vorsitzende der Alevitischen Gemeinde Hamburg, Nurali Demir, wurde diesen zufolge bei seiner Einreise auf dem Istanbuler Flughafen in Gewahrsam genommen. Er sei von einem Staatsanwalt verhört worden, sagte Demir den Medien. Ihm sei „Propaganda gegen den türkischen Staat“ vorgeworfen worden. Das deutsche Außenministerium machte vorerst keine Angaben zu dem Fall.