Mexikanische Soldaten
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Krieg der Kartelle

2017 fast 30.000 Morde in Mexiko

In Mexiko vergeht praktisch kein Tag ohne Berichte über Morde und Kämpfe zwischen rivalisierenden Drogenkartellen. Gegenüber 2016 stieg die Zahl der Tötungsdelikte im Vorjahr um knapp ein Drittel. Die Intensität der Revierkämpfe nimmt offenbar zu.

Im vergangenen Jahr wurden laut Innenministerium in Mexiko 29.168 Menschen getötet. Gegenüber 2016 entsprach das einer Steigerung von 27 Prozent. Die Zahl ist die höchste an Tötungsdelikten seit Beginn der systematischen Erhebung vor 20 Jahren.

Allerdings wurde auch die Erhebungsmethode geändert: Während bis 2014 die Zahl der Mordermittlungen unabhängig von der Zahl der Opfer gezählt wurde, wird nun die genaue Zahl der Opfer angegeben. Bisher hatte 2011 als das blutigste Jahr der jüngeren Geschichte in dem lateinamerikanischen Land gegolten. Damals wurde in 22.409 Fällen wegen Mordes ermittelt. Mehr als 90 Prozent der Gewaltverbrechen im Land bleiben allerdings unbestraft.

Machtkämpfe der Kartelle

Festnahmen und Tötungen mächtiger Kartellbosse hatten zuletzt brutale Machtkämpfe auch innerhalb der Verbrechersyndikate entfacht. Außerdem konkurrieren zunehmend auch kleinere Banden um Geschäftsanteile und Einflusszonen. Neben dem Drogenhandel sind die Kartelle unter anderem in Schutzgelderpressung, Menschenhandel und Treibstoffdiebstahl involviert.

Mexikanische Soldaten verbrennen Drogen
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Ein Soldat und ein Polizeibeamter überwachen die Vernichtung von Hunderten Kilogramm Kokain

Ihre „Botschaften“ sind oft grausam: „Das wird allen passieren, die sich nicht unserem Befehl beugen“, stand etwa auf einem Plakat in der Urlaubsregion Los Cobos im Bundesstaat Baja California Sur zu lesen. Daneben waren zwei Menschen auf einer Brücke gehängt worden. „Damit ist mehr als bewiesen, dass wir alle Macht haben. Hochachtungsvoll. Guzmanes und Tegoripenos.“

Die beiden Banden etwa ringen mit anderen Splittergruppen um die Kontrolle des Sinaloa-Kartells. Seit der Festnahme und Auslieferung von Kartellboss Joaquin „El Chapo“ Guzman ist in dem Verbrechersyndikat ein Machtvakuum entstanden. Nun kämpfen einzelne Fraktionen um Einflusszonen, Geschäftsanteile und Schmuggelrouten.

Neue kleine Banden „weitaus brutaler“

„Vor zehn Jahren wurde die mexikanische Unterwelt von wenigen großen Kartellen dominiert. Die meisten sind mittlerweile implodiert, weil ihre Anführer entweder festgenommen oder getötet wurden“, analysierte der Sicherheitsexperte Alejandro Hope vom Thinktank Mexican Competitiveness Institute (IMCO). „Die neuen kleinen Banden verfügen nicht über so professionelle Logistik- und Finanzstrukturen wie die traditionellen Verbrechersyndikate, aber sie sind weitaus brutaler.“

Eine Frau auf einem mexikanischen Friedhof
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im vergangenen Jahr wurden laut Innenministerium in Mexiko 29.168 Menschen getötet

Tausende Menschen verschwunden

Neben den Tausenden Mordopfern jährlich gelten mindestens ebenso viele als vermisst. Der bekannteste Fall ist jener der 43 Lehramtsstudenten, die 2014 von Polizisten im Bundesstaat Guerrero verschleppt und dem Verbrechersyndikat Guerreros Unidos übergeben worden waren. Den offiziellen Ermittlungen zufolge wurden die jungen Männer getötet und verbrannt. Unabhängige Untersuchungen zweifeln das allerdings an. Ein Bundesgericht hat nun die Schaffung einer Wahrheitskommission gefordert. Es gebe rechtliche und verfassungsmäßige Unterstützung für die Aufklärung des Falls, betonten die drei Richter am Donnerstag

Anfang des Jahres entdeckte die Polizei im Nordwesten des Landes im Bundesstaat Nayarit Massengräber mit mindestens 32 Toten. Eines wurde laut der zuständigen Staatsanwaltschaft am Rande einer Bananenplantage gefunden, zwei weitere in der Nähe. Der kleine Bundesstaat Nayarit liegt zwischen Jalisco und Sinaloa, wo einander zwei mächtige Drogenkartelle einen blutigen Konflikt um die Vorherrschaft über den Drogenhandel liefern. Nach offiziellen Angaben wurden in Nayarit im vergangenen Jahr 117 Menschen als vermisst gemeldet.

Und die Mordrate in Mexiko steigt weiter: Im ersten Quartal 2018 wurden 7.667 Menschen getötet, wie aus einer Statistik der Regierung Ende April hervorgeht. Das seien 20 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Allein im März wurden den Angaben zufolge 2.729 Menschen getötet. Die meisten seien erschossen worden. Im Jänner gab es laut den Angaben 2.549 Morde, im Februar 2.389.