Richter Brett Kavanaugh
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Streit über Kavanaugh

Trump löst Protestwelle aus

In den USA geht der Streit über die Missbrauchsvorwürfe gegen Brett Kavanaugh, Präsident Donald Trumps Wunschkandidaten für den Obersten Gerichtshof, in die nächste Runde. Während das Gericht der Klägerin mehr Bedenkzeit gibt, überrollt Trump eine Protestwelle unter dem Hashtag „#WhyIDidntReport“.

Die Anwälte der Psychologie-Professorin Christine Blasey Ford baten am Freitagabend beim Justizausschuss des US-Senats um eine weitere Bedenkzeit von 24 Stunden, um zu entscheiden, ob Ford eine offizielle Aussage gegen den erzkonservativen Kandidaten für das mächtige Oberste US-Gericht machen möchte. Ford wirft Trumps Wunschkandidaten für das Amt im Supreme Court vor, dass er versucht habe sie bei einer Highschool-Party vor 36 Jahren zu missbrauchen – Kavanaugh bestreitet das vehement.

Christine Blasey Ford
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Die Professorin Christina Blasey Ford wirft dem konservativen US-Richter Brett Kavanaugh vor, sie bei einer Highschool-Party vor 36 Jahren missbraucht zu haben.

„Ich möchte sie anhören“

Der Justizausschuss entsprach der Bitte. „Ich möchte sie anhören“, schrieb der republikanische Vorsitzende des Ausschusses, Chuck Grassley, in der Nacht zu Samstag auf Twitter. Unentschlossenheit sei nicht seine normale Herangehensweise, so Grassley weiter. Wegen all der neuen Fristen, die man Ford gewährt habe, fühle er sich mittlerweile, „als ob ich im justiziellen Orchester die zweite Posaune spielen würde“, fügte Grassley hinzu.

Grassley hatte zunächst eine Frist bis Freitag, 22.00 Uhr (Ortszeit), gesetzt, bis zu der die Anwälte erklären sollten, ob ihre Mandantin am Mittwoch nächster Woche vor dem Ausschuss aussagen will oder nicht. Falls nicht, wolle der Ausschuss bereits am Montag über die Bestätigung des Richters entscheiden. Daraufhin bezeichnete eine Anwältin von Ford, Debra Katz, die Frist des Ausschusses als „willkürlich“. Ihre Klientin werde unter Druck gesetzt, damit sie Bedingungen zustimme, die zum Vorteil Kavanaughs seien.

Zuvor gestattete der Justizausschuss des US-Senats eine Reihe von Forderungen Fords: So dürfe etwa Kavanaugh während Fords Aussage nicht im Raum sein. Der Ausschuss lehnte wiederum ab, dass Kavanaugh als Erster aussagen müsse und dass Ford weitere Zeugen einberufen dürfe.

Zehntausende stellen sich hinter Ford

Für große Aufregung in der Causa sorgte am Freitag aber auch Präsident Donald Trump. Nachdem Trump die Glaubwürdigkeit von Kavanaugh-Klägerin Ford in Frage gestellt hatte, zeigten sich prompt Zehntausende Menschen auf Twitter unter dem Stichwort „#WhyIDidntReport“ solidarisch mit der Professorin. Unter dem Hashtag berichteten viele von Missbrauchsvorfällen, die sie über Jahre für sich behielten – aus Scham oder aus Furcht vor den Konsequenzen.

US-Präsident Donald Trump
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Trump fordert Ford auf, ihre Vorwürfe zu untermauern – und sorgt damit für Unmut auf Twitter

Die Tochter des Ex-Präsidenten Ronald Reagan, Patti Davis, berichtete in einer Kolumne für die „Washington Post“, dass sie vor 40 Jahren vergewaltigt wurde und sich – wie Ford – nur noch dunkel an die Details erinnern könne. Zuvor hatte Trump Ford via Twitter aufgefordert, ihre Missbrauchsvorwürfe gegen Kavanaugh zu untermauern.

Trump bezweifelt Fords Glaubwürdigkeit

Trump habe keinen Zweifel, dass sich Ford oder ihre „liebevollen Eltern“ nach der vermeintlichen Sexualstraftat sofort an die Strafverfolgungsbehörden gewandt hätten – falls die Attacke auf Ford so schlimm gewesen sei, wie sie es nun sage, tweetete Trump am Freitag. Sie solle Ort und Zeit des angeblichen Übergriffs offenlegen.

Ford hatte bereits erklärt, dass sie nach der Party zunächst niemandem von dem Vorfall erzählt habe, auch ihren Eltern nicht. Der US-Präsident warf den oppositionellen Demokraten erneut vor, sie nutzten Fords Vorwürfe, um Kavanaughs Berufung zu verzögern. Er sprach in einem weiteren Tweet von „linksradikalen Politikern“, die keine Antworten wollten, sondern nur verzögern und Unheil anrichten. Richter Kavanaugh bezeichnete er als anständigen Mann mit einem tadellosen Ruf.

Für den Fall, dass sich die Mehrheitsverhältnisse im Senat nach der Zwischenwahl verändern würden, könnten die Demokraten – wie von den Republikanern befürchtet – den erzkonservativen Richter Kavanaugh verhindern. Immerhin muss der US-Senat die hochrangige Personalie bestätigen. Und derzeit halten die Republikaner dort nur eine knappe Mehrheit von 51 der insgesamt 100 Sitze.

Schluss mit Zurückhaltung

Mit seinem Tweet vom Freitag ging der US-Präsident Ford erstmals offensiv an. Mit seinen Tweets habe Trump das getan, was seine Berater seit einer Woche befürchtet hatten, schreibt die „New York Times“. „Er stellte die Aufrichtigkeit einer Frau in Frage, die wegen sexueller Übergriffe klagt. Dadurch riskiert er, wie ein Rüpel auszusehen.“ Trump selbst sah sich bereits im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2016 mit einer Reihe an Vorwürfen der sexuellen Belästigung konfrontiert.

US-Medien berichteten im Vorfeld, dass Trumps Umfeld im Weißen Haus den Präsidenten zuvor sehr zu Zurückhaltung in dem heiklen Fall gedrängt habe, um nicht weibliche Wähler zu verschrecken oder in den eigenen Reihen der Republikaner für Unmut zu sorgen.

Die Ernennung des Supreme-Court-Richters ist in den USA ein großes Politikum. Die Nachbesetzung mit Kavanaugh könnte dem Obersten Gerichtshof – höchste Instanz in vielen relevanten gesellschaftlichen Fragen – auf viele Jahre ein konservatives Übergewicht geben.