US-Höchstrichterkandidat Brett Kavanaugh
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Kavanaugh-Affäre

Professorin Ford will im US-Senat aussagen

Im Streit über die Vergangenheit des US-Höchstrichterkandidaten Brett Kavanaugh will die Frau, die ihm einen Vergewaltigungsversuch vorwirft, nun doch aussagen. US-Präsident Donald Trump, der Kavanaugh vorschlägt, hat ihre Glaubwürdigkeit infrage gestellt und damit einen Proteststurm ausgelöst.

Die Psychologie-Professorin Christine Blasey Ford sagte laut Medienberichten zu, in den kommenden Tagen im US-Senat zu ihren Vorwürfen gegen Kavanaugh auszusagen. Ford habe akzeptiert, „kommende Woche über ihre direkten Erfahrungen mit unangemessenem sexuellem Verhalten von Brett Kavanaugh“ zu berichten, hieß es laut US-Medienberichten in einer Mitteilung von Fords Anwälten an den Justizausschuss des US-Senats.

Christine Blasey Ford
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Die Professorin Christina Blasey Ford wirft Kavanaugh vor, sie bei einer Highschool-Party vor 36 Jahren missbraucht zu haben.

Ein Datum für die Aussage wurde in der Mitteilung nicht genannt. Es müssten jedoch noch Einzelheiten ausgehandelt werden. Ford hatte sich bereits zuvor grundsätzlich zu einer Aussage im Justizausschuss des US-Senats bereiterklärt – ebenso wie Kavanaugh. Sie lehnte aber den Vorschlag des Ausschussvorsitzenden Chuck Grassley ab, bereits am Montag in einer öffentlichen Anhörung auszusagen.

Lange geschwiegen

Später setzte Grassley der Professorin eine Frist bis Freitagabend, um darüber zu entscheiden. Andernfalls werde der Ausschuss am Montag über Trumps Wunschkandidaten für den Supreme Court abstimmen – ohne sie vorher anzuhören. Schließlich verlängerte Grassley die Frist dann bis Samstagabend. Zuvor gestattete der Justizausschuss des US-Senats eine Reihe von Forderungen Fords: So dürfe etwa Kavanaugh während Fords Aussage nicht im Raum sein. Der Ausschuss lehnte wiederum ab, dass Kavanaugh als Erster aussagen müsse und dass Ford weitere Zeugen einberufen dürfe.

Die 51-jährige Ford beschuldigt den erzkonservativen Kandidaten für das vakante Richteramt am Supreme Court, im Jahr 1982 bei einer Schülerparty versucht zu haben, sie zu vergewaltigen. Sie hatte nach eigener Schilderung erst 2012 während einer Paartherapie mit ihrem Ehemann erstmals genauer von der sexuellen Attacke erzählt, die sie als 15-Jährige erlebt habe. Kavanaugh weist die Anschuldigung vehement zurück. Trump stellte Fords Glaubwürdigkeit in Frage, was ihm eine heftige Protestwelle eintrug.

Zehntausende stellen sich hinter Ford

Prompt zeigten sich Zehntausende Menschen auf Twitter unter dem Stichwort „#WhyIDidntReport“ solidarisch mit der Professorin. Unter dem Hashtag berichteten viele von Missbrauchsvorfällen, die sie über Jahre für sich behielten – aus Scham oder aus Furcht vor den Konsequenzen. „Ich wurde zweimal sexuell missbraucht. Einmal, als ich ein Teenager war. Ich habe nie eine Anzeige erstattet und 30 Jahre gebraucht, um es meinen Eltern zu sagen“, schrieb die Schauspielerin Alyssa Milano.

US-Präsident Donald Trump
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Trump fordert Ford auf, ihre Vorwürfe zu untermauern – und sorgt damit für Unmut auf Twitter

Die Schauspielerin Ashley Judd erklärte: „Als es das erste Mal passierte, war ich sieben.“ Als sie Erwachsenen davon erzählt habe, hätten diese erwidert, der Täter sei ein „netter alter Mann, der es nicht so gemeint hat“. Als sie mit 15 Jahren ein weiteres Mal vergewaltigt worden sei, habe sie es nur ihrem Tagebuch anvertraut. Die Tochter des Ex-Präsidenten Ronald Reagan, Patti Davis, berichtete in einer Kolumne für die „Washington Post“, dass sie vor 40 Jahren vergewaltigt wurde und sich – wie Ford – nur noch dunkel an die Details erinnern könne.

Trump bezweifelt Fords Glaubwürdigkeit

Zuvor hatte Trump Ford via Twitter aufgefordert, ihre Missbrauchsvorwürfe gegen Kavanaugh zu untermauern. Er habe keinen Zweifel, dass sich Ford oder ihre „liebevollen Eltern“ nach der vermeintlichen Sexualstraftat sofort an die Strafverfolgungsbehörden gewandt hätten – falls die Attacke auf Ford so schlimm gewesen sei, wie sie es nun sage, tweetete Trump am Freitag. Sie solle Ort und Zeit des angeblichen Übergriffs offenlegen.

Ford hatte bereits erklärt, dass sie nach der Party zunächst niemandem von dem Vorfall erzählt habe, auch ihren Eltern nicht. Der US-Präsident warf den oppositionellen Demokraten erneut vor, sie nutzten Fords Vorwürfe, um Kavanaughs Berufung zu verzögern. Er sprach in einem weiteren Tweet von „linksradikalen Politikern“, die keine Antworten wollten, sondern nur verzögern und Unheil anrichten. Richter Kavanaugh bezeichnete er als anständigen Mann mit einem tadellosen Ruf.

Für den Fall, dass sich die Mehrheitsverhältnisse im Senat nach der Zwischenwahl verändern würden, könnten die Demokraten – wie von den Republikanern befürchtet – den erzkonservativen Richter Kavanaugh verhindern. Immerhin muss der US-Senat die hochrangige Personalie bestätigen. Und derzeit halten die Republikaner dort nur eine knappe Mehrheit von 51 der insgesamt 100 Sitze.

Schluss mit Zurückhaltung

Mit seinem Tweet vom Freitag ging der US-Präsident Ford erstmals offensiv an. Mit seinen Tweets habe Trump das getan, was seine Berater seit einer Woche befürchtet hatten, schreibt die „New York Times“. „Er stellte die Aufrichtigkeit einer Frau in Frage, die wegen sexueller Übergriffe klagt. Dadurch riskiert er, wie ein Rüpel auszusehen.“ Trump selbst sah sich bereits im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2016 mit einer Reihe an Vorwürfen der sexuellen Belästigung konfrontiert.

US-Medien berichteten im Vorfeld, dass Trumps Umfeld im Weißen Haus den Präsidenten zuvor sehr zu Zurückhaltung in dem heiklen Fall gedrängt habe, um nicht weibliche Wähler zu verschrecken oder in den eigenen Reihen der Republikaner für Unmut zu sorgen. Die Ernennung des Supreme-Court-Richters ist in den USA ein großes Politikum. Die Nachbesetzung mit Kavanaugh könnte dem Obersten Gerichtshof – höchste Instanz in vielen relevanten gesellschaftlichen Fragen – auf viele Jahre ein konservatives Übergewicht geben.