Die designierte SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner
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SPÖ unter Rendi-Wagner

Experte empfiehlt „Vorbild Kurz“

Die ehemalige Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) steht kurz vor dem Sprung an die Spitze der SPÖ. Am Dienstag tagt der Parteivorstand, der ihre Kür zur ersten SPÖ-Chefin seit Bestehen der SPÖ absegnen muss. Doch was wird sich unter Rendi-Wagner ändern? Was muss sie tun, um die Sozialdemokratie wieder auf Schiene zu bringen?

Grundsätzlich gibt es einige Aufgaben, vor denen die designierte Obfrau stehen wird. Von der Positionierung zur Bundesregierung über die Personalauswahl an der SPÖ-Spitze bis zur Ausbalancierung der parteiinternen Flügelkämpfe. Gerade Letzteres hat nach dem Abgang von Christian Kern – wie auch nach Werner Faymann (2008-2016) – wieder für Aufsehen gesorgt. „Die SPÖ versucht den Schein zu wahren, aber zwischen den Zeilen sind die zerrüttete Verhältnisse der Partei und die Skepsis gegenüber Rendi-Wagner deutlich erkennbar“, sagt der Politikberater Thomas Hofer im Gespräch mit ORF.at.

Während die ÖVP mit ihrer bekannten Westachse aus Vorarlberg, Tirol und Salzburg zu kämpfen habe, rücke bei Rendi-Wagner die Ostachse in den Vordergrund. Die Wiener SPÖ sei schon mit der Kür von Kern zum Parteichef unglücklich gewesen, so Hofer. „Damals hat sich nicht ihr Kandidat durchgesetzt. Auch wenn (SPÖ-Wien-Chef Michael; Anm.) Ludwig seine volle Unterstützung zusichert, dürfte es für die Wiener nun ein Deja-vu geben.“ Denn Rendi-Wagner sei eine „Erfindung“ von Kern und werde sowohl in Wien als auch im Burgenland kritisch beäugt. Wenn sie die „Ostachse“ hinter sich bringen wolle, müsse sie sich deshalb von Kern „freispielen“.

Sesselsägen zum Frühstück

Wie das gelingen kann? „Sie braucht eine klare Handschrift“, betont der Politikberater. Sowohl ein Angebot an die Länderorganisation als auch eine „harte Ansage an beiden Flügeln" könnten zum Vorteil werden. „Fürs Nettsein wird man in der Politik selten gelobt“, sagt Hofer und erinnert an „alte Verhaltensmuster der ÖVP“. Denn dort streuten die Länderchefs den neuen Parteiobleuten nach außen hin Rosen. „Aber es gehörte zum guten Ton, beim Frühstück am Sessel des neuen ÖVP-Chefs zu sägen. Die SPÖ läuft mittlerweile Gefahr, das auch so zu tun.“

Pamela Rendi-Wagner und Andreas Schieder
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Wie geht es mit Andreas Schieder (re.) weiter? Medienberichten zufolge wird er als Klubobmann ersetzt

Wichtig sei, so der Politikexperte, dass Rendi-Wagner klar sage, wohin unter ihr die „alte Dame SPÖ“ steuern soll. Die designierte Parteichefin sollte sich „ein Vorbild an Sebastian Kurz“ nehmen. Der ÖVP-Chef habe es nämlich geschafft, symbolisch frischen Wind zu vermitteln. „Obwohl klar war, dass Kurz nach Reinhold Mitterlehner übernehmen wird, ist er hergegangen und hat gesagt, er übernimmt die Volkspartei nur unter bestimmten Bedingungen“, konkretisiert Hofer. Intern sei die Ansage an die Länderchefs gewesen, dass er schon eine Idee hat und sich nicht „einlullen“ lässt. Extern habe er einen Reformwillen verdeutlicht.

Ganz so weit geht Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle mit ihrer Einschätzung nicht. Allerdings sagt sie im ORF.at-Gespräch, dass Rendi-Wagner sowohl in der innenpolitischen Debatte als auch in der eigenen Partei Akzente setzen muss. „Sie muss sagen, wer die Chefin ist. Nicht der Bürgermeister aus Wien oder der pannonische SPÖ-Chef“, so die Politologin. Es gehe nämlich auch um Respekt. „Dass ein SPÖ-Landeschef seine künftige Parteiobfrau in der Öffentlichkeit Pam nennt, wäre in der ÖVP heute nicht möglich. Vielleicht sagen sie intern Basti, aber bestimmt nicht in aller Öffentlichkeit.“

Neues Personal, neue Chance?

Der Wille zur Veränderung spiegelt sich aber auch im Personal wieder. Wie es an der Spitze künftig aussehen wird, ist unklar. Viele Posten gibt es nicht zu besetzen. Laut „Kurier“ soll zum Beispiel Ex-Kulturminister Thomas Drozda Andreas Schieder als geschäftsführender Klubobmann der SPÖ beerben. Politologin Stainer-Hämmerle erwartet sich, dass Kern seinen Klubobmannsessel schon bald an Rendi-Wagner übergeben wird. Das sei nämlich die einzige Position, wo man sich als Chefin einer Opposition profilieren könne.

In der SPÖ – wie auch in der FPÖ – teilt man sich den Klubvorsitz. Einer tritt nach außen auf, der andere kümmert sich um das Prozedere im Parlament (Stichwort Geschäftsordnung). „Das war es auch schon fast wieder mit der Personalentscheidung“, so Stainer-Hämmerle. Besetzen kann Rendi-Wagner noch den Posten des Bundesgeschäftsführers. Dort sitzt seit Dezember vergangenen Jahres Max Lercher. Spekuliert wurde zuletzt, dass er bleibt. Aber „üblicherweise muss der Parteimanager ein enges Vertrauensverhältnis zum Chef oder zur Chefin haben. Am besten, er oder sie nimmt eine komplementäre Position ein.“

Gemeint ist: Wenn Rendi-Wagner die Rolle als Vermittlerin einnimmt, muss die Person des Parteimanagers eine Art „Kettenhund“ sein. Wenn die Parteichefin allerdings klare Kante zeige, brauche es jemanden, der schon mal die Länderchefs „umarmt“, sagt die Expertin. Politikberater Hofer sieht es ähnlich. Wenn es um Strukturen und Prozesse geht, müsse Rendi-Wagner „Ausrufezeichen“ setzen. Für eine breite Front gegen die Bundesregierung brauche sie Flügelspieler. „Denn – völlig wertfrei – Rendi-Wagner ist auch nicht die, die mit dem Bihänder um sich schlägt, wie Kern die Oppositionsarbeit beschrieben hat. Aber am Ende braucht es ein bis zwei Leute, die das auch können“, so Hofer.

Antithese zur Regierung

Was nicht ganz außer Acht gelassen werden dürfe, sei, dass Rendi-Wagner im Gegensatz zu ihren Vorgängern Kern und Faymann eine Oppositionspartei in einer „Identitätskrise“ übernehme, sagt Stainer-Hämmerle. „Aber die SPÖ vergisst, dass sie in ihrer Rolle keine konkreten Antworten liefern muss“, erkärt sie weiter. Wichtig sei, dass die SPÖ geschlossen auftritt und punktuell Themen setzt, die eine Antithese zur ÖVP-FPÖ-Bundesregierung darstellen.

Christian Kern und Pamela Rendi-Wagne
APA/Georg Hochmuth
Nach dem Abgang von Christian Kern (er wechselt für die SPÖ nach Brüssel) soll Rendi-Wagner übernehmen

„Rendi-Wagner kann darauf setzen, die Schwachpunkte der Regierung besser zu nutzen. Aber sie muss auch die eigenen offenen Flanken wie Migration versuchen zu schließen“, sagt auch Politikberater Hofer. In ihrer Rolle als Gesundheitsministerin und SPÖ-Gesundheitssprecherin habe sie ihre Themen gut bespielt, aber entscheidend sei nun, wie sie als Allrounderin funktioniert. „Jetzt wird sie zu jedem Thema befragt. Dabei könnte ihr die derzeitige Schwäche der Opposition nützen.“

Und wie wird die Regierung auf Rendi-Wagner reagieren? Hofer und Stainer-Hämmerle gehen beide davon aus, dass Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nicht riskieren werden, die designierte SPÖ-Chefin „groß zu machen“. Beide Parteien würden laut der Politologin hoffen, dass die SPÖ weiter mit sich selbst beschäftigt ist.