Innenministerium (BMI) in der Wiener Innenstadt in der Herrengasse
ORF.at/Carina Kainz
Umgang mit „kritischen Medien“

E-Mail aus Innenministerium sorgt für Wirbel

Das Innenministerium unter Minister Herbert Kickl (FPÖ) will offenbar seinen Umgang mit Medien ändern. Hinweise dafür liefern „Kurier“ und „Standard“ mittels brisanter Auszüge aus einer E-Mail, die an Pressestellen der Landespolizeidirektionen erging. Das Ministerium spricht in einer ersten Reaktion von „Anregungen und Kommentaren ohne jeden Verbindlichkeits- oder gar Weisungscharakter“.

In dem vierseitigen Schreiben werden die Landespolizeidirektionen „angeregt“, die Kommunikation mit „kritischen Medien“ auf „das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken“. Weiter heißt es: „Leider wird wie eh und je seitens gewisser Medien (zum Beispiel ‚Standard‘, ‚Falter‘) sowie neuerdings auch seitens des ‚Kuriers‘ eine sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI beziehungsweise die Polizei betrieben“.

Keine „Zuckerln“ mehr

Das Schreiben sei den beiden Medien „über mehrere Stationen“ („Standard“) bzw. über Mittelsmänner (so heißt es beim „Kurier“) zugespielt worden. Gleichermaßen berichten die Medien, dass die Authentizität der Zuschrift von mehreren Beamten bestätigt worden sei. Neben dem Beschränken der Kommunikation auf das Nötigste wird den Pressestellen zudem geraten, den genannten Medien „nicht noch Zuckerln wie beispielsweise Exklusivbegleitungen zu ermöglichen (…)“.

„Themen im Studio von uns bestimmt“

Dagegen soll, so legen es die Auszüge nahe, mit jenen zusammengearbeitet werden, die sich – so schreiben „Standard“ und „Kurier“ – „kooperationsbereit“ zeigen. In der Mail ist von „neutraler oder positiver Berichterstattung“ die Rede. Ins Treffen geführt wird eine ab Jänner geplante Serie des TV-Senders ATV mit dem Arbeitstitel „Live PD“, in der Seherinnen und Sehern der Polizeialltag nähergebracht werden soll.

Auch dazu findet sich nach Angaben der beiden Medien eine Passage im E-Mail – und zwar zum Ablauf der Zusammenarbeit in solcherart Fällen: „Jede Folge wird abgenommen und geht erst nach positiver Abnahme auf Sendung. Es handelt sich dabei um imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Themen im Studio von uns bestimmt werden können.“

ATV droht mit Formatstopp

ATV wies indes die Darstellung des Innenministeriums zurück. „Wie bei allen Produktionen liegt die redaktionelle Hoheit ausschließlich bei ATV“, hieß es am Dienstag in einer Stellungnahme des Senders. Sollte es zu Versuchen kommen, in die Gestaltung einzugreifen, werde man das Format stoppen.

Man arbeite seit über zehn Jahren mit der Polizei für Formate „über den Polizeialltag“ zusammen und pflege auch den „professionellen Austausch mit den diversen Polizeieinheiten“. Das geplante Format, eine Eigenproduktion, beruhe „zur Gänze auf realen Einsätzen und laufenden Ermittlungen, die real-live mitgefilmt werden“. Daher sei „schon aus rechtlichen Gründen des Personenschutzes ein geordneter und korrekter Ablauf mit der Polizei einzuhalten“, auch was die „erforderliche Sensibilität“ etwa bei Täter- und Opferschutz betreffe.

ATV verweist auf Grundsätze

„Die endgültige redaktionelle Verantwortung der Sendungen liegt ausschließlich bei ATV“, betonte der Sender aber. „Auch bei dieser geplanten Sendung wird sich daran nichts ändern, auch wenn es womöglich Mitarbeiter des Innenministeriums vielleicht gerne anders gestaltet hätten. Im Falle eines versuchten redaktionellen Eingriffs würde ATV die Produktion einstellen.“

Abschließend hielt der Sender fest, dass „wir uns von der Vorgehensweise des Innenministeriums in der Frage des Umgangs mit Medien und der journalistischen Freiheit distanzieren“. Man werde auch in Zukunft keine Projekte realisieren, „wo dieser Grundsatz infrage gestellt wird“.

Fokus auf Sexualdelikte und Herkunft

Es soll aber den Angaben zufolge auch noch andere Änderungen geben: Künftig sollen – so heißt es in der E-Mail – die Staatsbürgerschaft und der Aufenthaltsstatus von Verdächtigen in Presseaussendungen der Polizei explizit genannt werden. Auch Sexualdelikte sollen verstärkt kommuniziert werden. „Dies vor dem Hintergrund einer größtmöglichen Transparenz sowie eines vorhandenen berechtigten Interesses seitens der Bevölkerung beziehungsweise der Medien“, lautet die Begründung nach Angaben des „Standard“.

Was die Anzeigenstatistik sagt

Laut der aktuellen Anzeigenstatistik – Kriminalstatistik genannt – des Innenministerium von Anfang August ist die Zahl der Anzeigen wegen Vergewaltigung gestiegen – von 261 auf 374, wobei unter den Opfern besonders die Zahl der Frauen aus Afghanistan steigt. Nicht beantworten lässt sich aus Sicht der Polizei zunächst die Frage, ob mehr solche Taten verübt werden oder Frauen eher bereit sind, Anzeige zu erstatten.

Der Absender der E-Mail bittet, „vor allem Taten, die in der Öffentlichkeit begangen werden, besondere Modi Operandi (zum Beispiel Antanzen) aufweisen, mit erheblicher Gewalteinwirkung oder Nötigungen erfolgen oder wenn zwischen Täter und Opfer keine Verbindung besteht, auch proaktiv auszusenden“.

„Anregungen ohne jeden Weisungscharakter“

Das Innenministerium reagierte am Abend mittels einer Aussendung: „Bei dem (…) Schreiben handelt es sich um ein Mail des BMI-Ressortsprechers (Christoph Pölzl, Anm.) an die Kommunikationsverantwortlichen in den neun Landespolizeidirektionen.“

„In diesem Mail werden zahlreiche aktuelle Themen angesprochen. Es handelt sich dabei um Anregungen und Kommentare ohne jeden Verbindlichkeits- oder gar Weisungscharakter“, hieß es einleitend. Kickl sei „weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mitteilung“, auch nicht sein Kabinett, hieß es in der Aussendung – das Vorgehen wurde mit „Voreingenommenheit“ von „Kurier“ und „Standard“ verteidigt.

„Dass der Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist“, zeige sich an der aktuellen Berichterstattung, hieß es. So werde durch die Betitelung im „Kurier“ („Geheimpapier: Kickls brisante Medienkontrolle“) und in einem dem Hauptartikel („Innenministerium beschränkt Infos für ‚kritische Medien‘“) zur Seite gestellten Kommentar im „Standard“ unter dem Titel „Innenminister Kickl greift die Medienfreiheit frontal an“ der Eindruck erweckt, die Empfehlungen kämen vom Minister oder seien in seinem Auftrag geschrieben worden.

„Einheitlicherer Auftritt“

Weiter heißt es: „Dem Schreiben wohnt in vielen Passagen die Absicht inne, einen einheitlicheren Auftritt der Polizei und des Innenministeriums in bestimmten Bereichen der Medienarbeit anzuregen. Insbesondere die Erläuterungen zur Nennung der Nationalität ausländischer Tatverdächtiger und zur Information über Sexualverbrechen fußen auf teils bisher sehr unterschiedlichem Umgang in den Landespolizeidirektionen“.

Ziel der diesbezüglichen Empfehlungen sei es, „dem Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf umfassende und klare Information im Sinne größtmöglicher Transparenz Rechnung zu tragen. Ausdrücklich wird in diesen Zusammenhängen in dem Schreiben auf die Rechtslage verwiesen.“

Basierend „auf jahrelangen Erfahrungen“

Auch die Passage zur Einschränkung der Arbeit mit bestimmten Medien wird kommentiert: „Was den besonders achtsamen Umgang mit den erwähnten Medien betrifft, so basieren die Erläuterungen auf teils jahrelangen Erfahrungen vieler Kommunikationsmitarbeiter im BMI.“

Weiter heißt es: „Selbstverständlich ist es das Recht und sogar die Pflicht aller Medien, die Arbeit der Polizei, des Innenministeriums und auch des Innenministers kritisch zu beleuchten. Doch es ist ebenso das Recht von Kommunikationsmitarbeitern, sich angesichts der von ihnen gegebenen Informationen und der daraus resultierenden Berichterstattung ein Bild zu machen und daraus qualitative Schlüsse zu ziehen.“