Bundespräsident Alexander Van der Bellen
AP/Michal Dolezal
E-Mail aus Innenministerium

Van der Bellen bekräftigt scharfe Kritik

Auch außerhalb der österreichischen Grenzen hat die E-Mail aus dem Innenministerium über die Arbeit mit kritischen Medien am Dienstag für Aufregung gesorgt. Einerseits, weil international darauf reagiert wurde, andererseits, weil die Staatsspitze zurzeit bei der UNO-Vollversammlung in New York ist. Bundespräsident Alexander Van der Bellen kritisierte aus den USA in der ZIB2 erneut das Schreiben aus dem Innenministerium.

„Es geht nicht an, zwischen einzelnen Medien zu diskriminieren und die Medienfreiheit direkt oder indirekt einzuschränken“, so Van der Bellen in der ZIB2. Am Rande der UNO-Generalversammlung in New York bezeichnete der Bundespräsident zuvor bereits „jede Einschränkung von Pressefreiheit“ als „inakzeptabel“.

Die Botschaft sei von ihm und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bereits klar formuliert worden. Vorläufig sei die Sache nun aber erledigt, so Van der Bellen weiter, da Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) nun darauf reagiert habe. Das Innenministerium habe eingesehen, dass ein Fehler passiert sei, so der Bundespräsident. Man müsse die Sache nun „in Ruhe diskutieren“, das sei aber die Aufgabe des Parlaments.

„Noch nicht auf dem Weg in Diktatur“

Ob er Österreich mit solchen Vorgängen auf dem Weg in eine Diktatur sehe, verneinte Van der Bellen: „Ich glaube, wir sind noch nicht auf dem Weg in eine Diktatur.“ Er mahnte zu Vorsicht mit solchen Aussagen und Begriffen. „Die würden wir ja brauchen, wenn es wirklich so weit wäre.“ Die Vorgänge aufzuklären sei nun Sache des Parlaments und nicht unbedingt die des Bundespräsidenten, so Van der Bellen.

Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) hatte zuvor im ORF-„Report“ deponiert, „dass die Pressefreiheit auf keinen Fall eingeschränkt werden darf“. Zufrieden zeigte er sich über die Ankündigung des Innenministeriums, die Richtlinien für die Medienarbeit nun überarbeiten zu wollen.

Kickl sieht Fehler bei Mitarbeiter

Das kündigte auch Kickl zuvor schon in einer Stellungnahme am Abend an. Außerdem nahm er Bezug auf das Schreiben seines Ressortsprechers Christoph Pölzl. „Die Formulierungen bezüglich des Umgangs mit ‚kritischen Medien‘ finden nicht meine Zustimmung“, so Kickl in einer Aussendung. Der verantwortliche Ministeriumssprecher Christoph Pölzl gesteht darin außerdem einen Fehler ein – neue Richtlinien sollen folgen.

Kickl hat nach eigenen Angaben ein „klärendes Gespräch“ Pölzl geführt. Dieser hatte in der E-Mail an die Landespolizeidirektionen empfohlen, die Zusammenarbeit mit kritischen Medien auf das nötigste Maß zu beschränken. Außerdem forderte er darin, bei der polizeilichen Medienarbeit künftig generell die Herkunft von Tatverdächtigen zu nennen und Sexualdelikte verstärkt zu kommunizieren.

Nachdem Kickl für die Vorgehensweise seines Ressortsprechers massiv kritisiert worden war – auch vom Koalitionspartner ÖVP – versicherte der FPÖ-Minister, dass die E-Mail keine Einschränkung der Pressefreiheit zum Ziel habe. „Die Pressefreiheit ist unantastbar und ein wesentlicher Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft“, so Kickl in der Aussendung.

Pölzl: Formulierung war ein Fehler

Pölzl selbst erklärte in der Aussendung, „dass die Formulierung der kritisierten Passagen ein Fehler war, weil dadurch ein Feld für Interpretationen aufgemacht wurde“. Ihm sei eine transparente Kommunikationspolitik gegenüber der Bevölkerung und damit natürlich auch gegenüber den unterschiedlichen Medien wichtig.

Auf die umstrittene verpflichtende Nennung der Staatsbürgerschaft von Tatverdächtigen gehen weder Kickl noch Pölzl ein. Kickl bekräftigt allerdings, dass Pölzl gemeinsam mit Präsidialsektionschef Karl Hutter und Kommunikationsabteilungsleiter Alexander Marakovits neue Leitlinien für die Kommunikationsarbeit formulieren soll. „Diese Leitlinien sollen einerseits eine Gleichbehandlung aller Medien auf einer guten Vertrauensbasis, andererseits auch eine einheitliche Kommunikation im Sinne größtmöglicher Transparenz gegenüber den Bürgern sicherstellen“, heißt es. Damit einhergehen solle auch eine strukturelle Neuaufstellung der Kommunikationsagenden mit dem Ziel, die Verantwortung für die Medienkommunikation auf eine breitere Basis zu stellen.

Kickl reagiert auf veröffentlichte E-Mail

Kickl reagierte am Dienstag erstmals auf jene veröffentlichte E-Mail aus dem Innenministerium, in der unter anderem von eingeschränkten Informationen für kritische Medien die Rede ist.

Europarat aktiviert

Zahlreiche internationale Medien berichteten von der E-Mail, die ihren Weg in die Öffentlichkeit fand. Eine Rüge inklusive Warnungen vor Einschränkung der Pressefreiheit kam vom Internationalen Presse-Institut (IPI) mit Sitz in Wien, einem 1950 gegründeten Netzwerk von Journalisten und Verlegern zur Verteidigung und Stärkung der Medienfreiheit, dem Vertreter aus über 100 Ländern angehören. Doch allein bei der Warnung blieb es nicht. Das IPI aktivierte auch den Europarat. Konkret wurde ein „Media Freedom Alert“ eingebracht. Die österreichische Regierung hat nun Gelegenheit, dem Europarat gegenüber Stellung zu beziehen.

Kurz kritisiert Innenministerium

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte am Dienstag ebenfalls am Rande der UNO-Vollversammlung das Innenministerium wegen der Überlegungen, kritischen Medien nur noch die gesetzlich gebotenen Polizeiinfos zukommen zu lassen, kritisiert und war auf Distanz gegangen. Es dürfe durch Kommunikationsverantwortliche keine Ausgrenzung gewisser Medien geben, so Kurz.

„Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel“, so Kurz’ Botschaft in Richtung Kickls.

„Maulkorberlass“ und Rücktrittsforderungen

Scharfe Kritik am Innenminister setzte es zuvor auch seitens der Oppositionsparteien. Die SPÖ legte Kickl den Rücktritt nahe, NEOS und Liste Pilz wollen Kickl mit der Causa im Parlament konfrontieren. Der Innenminister wird sich einer Dringlichen Anfrage von NEOS stellen, auch ein neuerlicher Misstrauensantrag steht im Raum. Zunächst hieß es, Kickl sei am Mittwoch im Parlament nicht anwesend.

Das wurde jedoch am Abend dementiert – es sei ein Fehler des Kanzleramts gewesen. Wie der APA aus dem Büro von Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) mitgeteilt wurde, hat der dortige Verbindungsdienst dem Parlament irrtümlich die Abwesenheit Kickls angekündigt. „Der Verbindungsdienst hat fälschlicherweise in einem ersten Schritt eine gesamthafte Vertretung für den ganzen Tag eingemeldet“, so das Kanzleramt: „Dieses Versehen hat leider zu einem erheblichen Missverständnis und einer falschen Außenwahrnehmung geführt, was von Seiten des Bundeskanzleramtes sehr bedauert wird.“

Verhaltene Kneissl-Reaktion

SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda nannte die „Empfehlungen“ des Innenministeriums indes einen „Maulkorberlass für unabhängige Medien“. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sah bei Kickl alle Hemmschwellen fallen. „Kritische Stimmen zu bestrafen und gefügige Medien zu belohnen, kennt man eigentlich nur aus illiberalen Autokratien. Kickl ist ein echtes Risiko geworden – er ist endgültig rücktrittsreif.“ Die Liste Pilz stellte in einer Anfrage 50 Fragen an den Innenminister.

Verhaltener hingegen war die Reaktion von FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl. Sie habe durch ihre vielen Termine bei der UNO-Vollversammlung keine Zeit gehabt, sich in das Thema zu vertiefen. Was sie über die Affäre um das Innenministerium gelesen habe, habe bei ihr aber den Eindruck hinterlassen, dass das „rechtlich Erforderliche“ schon „eingehalten“ werde. Die Pressefreiheit bezeichnete sie aber als „wesentliches Gut“.

Fachleute: Vorurteile werden verstärkt

Experten und Expertinnen kritisierten aber nicht nur die Sanktionierung kritischer Medien, sondern auch die Überlegungen des Innenressorts in der polizeilichen Medienarbeit künftig generell die Herkunft von Tätern zu nennen und Sexualdelikte offensiver zu kommunizieren. Es gehe dem Ministerium offenbar darum, die Berichterstattung strategisch zu steuern, um Vorurteile und falsche Einstellungen zu verstärken, so der Vorwurf.