Innenminister Herbert Kickl (FPÖ)
APA/Roland Schlager
„Staatsbürgerschaft nennen“

Etliche Fragen nach Ministeriumsmail offen

Die umstrittene Mail aus dem Innenministerium, die einen restriktiven Umgang mit kritischen Medien empfiehlt, hat viele Reaktionen hervorgerufen – nicht zuletzt von Minister Herbert Kickl (FPÖ) selbst. In der Mail wurde Polizeibeamtinnen und -beamten auch nahegelegt, die Staatsangehörigkeit von Verdächtigen zu nennen. Dazu herrscht allerdings Schweigen.

Am Dienstagabend reagierte Kickl per Aussendung auf die zahlreichen Stellungnahmen. Von Bundespräsident Alexander Van der Bellen über Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bis zur Opposition und NGOs war die Empörung einhellig über die Mail, die Innenministeriumssprecher Christoph Pölzl an diverse Polizeidienststellen geschickt hatte. Darin wurde empfohlen, die Kommunikation mit kritischen Medien auf das Nötigste zu beschränken.

„Die Formulierungen bezüglich des Umgangs mit ‚kritischen Medien‘ finden nicht meine Zustimmung“, wurde Kickl in einer Mitteilung von Dienstag zitiert: „Die Pressefreiheit ist unantastbar und ein wesentlicher Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft.“ Er, Kickl, habe mit Pölzl ein klärendes Gespräch geführt. Pölzl habe ihm dabei versichert, dass eine Einschränkung der Pressefreiheit „in keiner Weise Intention seiner Mail an die Kommunikationsleiter in den Landespolizeidirektionen war“.

„Keine Rede von Informationssperre“

In einer „Klarstellung“ auf der Homepage des Innenressorts heißt es zudem: „Von einer ‚Informationssperre‘ kann keine Rede sein“, so der Leiter der Präsidialsektion im Ministerium, Karl Hutter. In dem Schreiben des Ressortsprechers werde nicht nur ausdrücklich auf das „rechtlich vorgesehene“ Maß der Zusammenarbeit mit Medien hingewiesen, sondern es wurde zur Erläuterung auch eine umfangreiche Passage aus dem Auskunftspflichtgesetz beigefügt. Zudem kündigte das Innenministerium an, neue Leitlinien für die Kommunikationsarbeit zu formulieren – „und damit auch einen aktiven Beitrag zur Behebung des entstandenen Schadens zu leisten“.

Keine Korrektur gab es hingegen zu den anderen in der Nachricht enthaltenen Empfehlungen an die Polizeidienststellen. In Pölzls von der Wochenzeitung „Falter“ veröffentlichten Mail stand auch: „Hinkünftig darf ich darum ersuchen, die Staatsbürgerschaft einer mutmaßlichen Täterin bzw. eines mutmaßlichen Täters in euren Aussendungen zu benennen. Zudem gegebenenfalls bei einer/einem Fremden deren/dessen Aufenthaltsstatus, bzw. ob es sich um eine Asylwerberin bzw. einen Asylwerber handelt.“

Das geschehe vor dem Hintergrund "einer größtmöglichen Transparenz sowie einem vorhandenen berechtigten Interesse seitens der Bevölkerung bzw. der Medien“. Auch sollen laut Pölzl Sexualdelikte verstärkt kommuniziert werden – obwohl „aus Opferschutzgründen ein heikles Thema“.

Umgang künftig unklar

Die Pressestelle der Wiener Polizei ließ am Dienstag bereits wissen, dass die Empfehlungen aus dem Innenministerium „keine Änderung im täglichen Gebrauch unserer Medienarbeit“ mitbringen. Wenig Auskunft gab es am Dienstag auf Anfrage von ORF.at aus dem Innenministerium. Alexander Marakovits, Leiter der Kommunikationsabteilung, verwies darauf, dass die Mail keinen Weisungscharakter und keine Verbindlichkeit gehabt habe. Das sei bereits mehrmals kommuniziert worden.

Ob die Herkunft mutmaßlicher Täterinnen oder Täter in Zukunft genannt werden soll, bleibt weiterhin unklar. „Ob das in die neuen Kommunikationsrichtlinien fließen wird, kann man noch nicht sagen“, so Marakovits. Es gebe nun den Auftrag, die Richtlinien zu überarbeiten, in welche Richtung dieser Prozess führe, das zu sagen sei noch zu früh. Man werde sie zu gegebener Zeit publik machen und auch begründen.

Experten sehen Schüren von Vorurteilen

An der Nennung von Staatsbürgerschaften mutmaßlicher Täter und Täterinnen hatte es bereits am Dienstag heftige Kritik gegeben. Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, sagte der APA gegenüber, die Nennung der Herkunft schüre zusätzlich Ängste gegen Fremde."Man sieht, wo die Reise hingeht", so Rösslhumer.

Auch der Österreichische Presserat sah die verstärkte Nennung der Herkunftsländer in Polizeiaussendungen kritisch. Zwar obliege es weiter den Redaktionen, ob sie Nationalitäten nennen, „es ist aber schon eine Signalwirkung“, sagte Geschäftsführer Alexander Warzilek. Journalisten und Journalistinnen sollten genau darüber reflektieren, ob die Herkunft tatsächlich relevant ist oder nur „Vorurteile schürt“.

Der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl sah einen Versuch, Berichterstattung „strategisch zu steuern, um Vorurteile und falsche Einstellungen zu verstärken“. Eine verantwortungsvolle Informationspolitik sei wichtig, "um eine realistische Einschätzung möglich zu machen“, so der Geschäftsführer des Vienna Centre for Societal Security. Medien auf der einen Seite würden relativ selten vorkommende Fälle „hypen“. Der dadurch entstehende Eindruck, solche aufsehenerregenden, aber vergleichsweise raren Vorfälle passierten am laufenden Band, werde auf der anderen Seite noch „verstärkt durch diese ministerielle Strategie“.

Kickl nimmt Stellung

Die Causa schlug auch Wellen über Österreichs Grenzen hinaus. Auch in den Nachbarländern landete die Mail in den Schlagzeilen. So kommentierte etwa die „Süddeutsche Zeitung": Auch wenn Kanzler Sebastian Kurz sich davon distanziert hat: Die FPÖ ist sein Koalitionspartner. Die E-Mail ist zudem nur der neueste Versuch, die politische Berichterstattung zu manipulieren.“

Kickl hat am Mittwoch noch im Nationalrat die Gelegenheit, erneut Stellung zu nehmen. NEOS richtet am Nachmittag eine Dringliche Anfrage an den Minister.