Orcaweibchen in der Nähe von Neuseeland
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„Dreckiges Dutzend“

Verbotenes Umweltgift bedroht Orcas

Ein langlebiges Umweltgift bedroht einer neuen Studie zufolge einen großen Teil der weltweiten Orcapopulationen. Die zum „dreckigen Dutzend“ gehörenden polychlorierten Biphenyle (PCB) könnten noch fast 15 Jahre nach ihrem Verbot ganze Bestände der Delfinart auslöschen, so die in „Science“ publizierte Studie.

PCB wurde von 1930 bis in die 1990er Jahre in einer Menge von einer bis eineinhalb Millionen Tonnen produziert. Es handelt sich um einen jener Giftstoffe, die wegen ihrer stark krebserregenden, genverändernden und reproduktionstoxischen Wirkungen als „dreckiges Dutzend“ bekanntwurden.

Dauerbelastung in Nahrungskette

2001 einigten sich 120 Staaten in den „Stockholmer Konventionen“ auf ein Herstellungsverbot, das 2004 in Kraft trat. In Österreich sind PCB seit den 90er Jahren verboten. Dennoch sind die langlebigen, gegen Hitze, Säure und Wasser beständigen Stoffe inzwischen weit verbreitet und reichern sich in der Nahrungskette an. Die Auswirkungen sind bis heute zu beobachten, wie auch die neue Studie zeigt.

Orcaschule an der kanadischen Küste
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Vor allem regional sind Orcapopulationen bedroht

Am stärksten belastet sind Tiere an der Spitze der Nahrungskette: Im Fettgewebe von Orcas, auch Schwertwale genannt, wurden den Forschern und Forscherinnen zufolge schon Konzentrationen bis 1.300 Milligramm pro Kilo gefunden. Studien zeigen, dass bereits Werte von 50 Milligramm pro Kilo die Fruchtbarkeit und das Immunsystem der Tiere schädigen können. Problematisch ist dabei auch, dass die Tiere in Hungerzeiten ihre Fettreserven abbauen. Dadurch gelangen die Giftstoffe in das Blut.

Hälfte der Populationen gefährdet

Nun wertete das Forschungsteam um Jean-Pierre Desforges von der dänischen Universität Aarhus die PCB-Werte von 351 Orcas aus: Besonders belastet sind Populationen, die in der Nähe von Industrieregionen leben. Anhand der Belastung verschiedener Bestände simulierte das Team in einem Modell deren Entwicklung für die kommenden 100 Jahre. Resultat: In zehn der insgesamt 19 untersuchten Populationen bedroht das Umweltgift das dauerhafte Überleben.

Ein besonders bedeutsamer Effekt erhöhter PCB-Konzentrationen sei Nachwuchsmangel, betonen sie. „In den belasteten Gebieten können wir nur noch selten neugeborene Orcas beobachten“, wurde Koautorin Alisa Hall von der schottischen Universität St. Andrews in einer Mitteilung zitiert. In den am stärksten belasteten Gebieten drohe innerhalb der nächsten 30 bis 40 Jahre ein Zusammenbruch vieler Populationen.

Arktis und Antarktis weniger kontaminiert

Die von dem Forscherteam ausgemachte Bedrohung ist lokal: Betroffen seien Gewässer bei Brasilien, Gibraltar und den Kanarischen Inseln sowie Regionen vor Großbritannien, Japan und im Nordostpazifik. In anderen, weniger kontaminierten Regionen in der Arktis und Antarktis sei dagegen mit einem Wachstum der Populationen zu rechnen.

Allerdings betonen die Forscher, dass auch viele andere Umweltgifte den Tieren zusetzen könnten, darunter Organophosphat-Flammschutzmittel, Perfluor-Alkylsäuren (PFAAs) und polychlorierte Naphthaline (PCN). Daraus entstehende Giftcocktails seien für die Tiere besonders gefährlich. Laut einer anderen Studie der spanischen Loro-Parque-Stiftung schadet eine Kombination aus Giftstoffen mehr, als es ein Giftstoff in derselben Konzentration tun würde.

Auch andere Faktoren setzen den Orcas und anderen Meerestieren seit Jahren zu. Wasserverschmutzung durch Plastik und Öl, Lärm durch Schifffahrt, Unterwasserbohrungen und Fischfarmen sowie Nahrungsmangel sorgen bei den Tieren teils für großen Druck. Bei einer Population vor British Columbia in Kanada sind in den vergangenen drei Jahren 100 Prozent der Schwangerschaften gescheitert, weil die Wale nicht genug Nahrung hatten. Denn deren Hauptnahrungsquelle – die Chinook-Lachse – ist ebenso wie die Orcas stark gefährdet.