BVT-Verfahrensrichter Eduard Strauss beim Interview mit ORF.at
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Eduard Strauss

Der Aufpasser des BVT-Ausschusses

Der BVT-U-Ausschuss will Antworten liefern. Warum kam es Ende Februar zur Razzia im Staatsschutz? Wer war federführend daran beteiligt? War es eine Hausdurchsuchung wie jede andere? Oder eine vom Innenministerium akkordierte „Umfärbeaktion“, wie die Opposition vermutet? Einer, der nicht nur auf die Antworten penibel achtet, sondern auch auf die Fragestellungen, ist Eduard Strauss – aus der gleichnamigen Musikerfamilie.

Seit September wacht der Senatspräsident des Oberlandesgerichts (OLG) Wien als Verfahrensrichter über den U-Ausschuss, der sich unter anderem mit der Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) beschäftigt. Gemäß Gesetz berät und unterstützt er die Vorsitzende Doris Bures (SPÖ). Genauso legt Strauss auch seine Rolle an: sachlich, ruhig, gesetzeskonform. Trotzdem sticht der langjährige Richter manchmal aus der Masse hervor. Freilich nicht ganz grundlos. Denn er muss auch unzulässige Fragen unterbinden.

Seinen Finger legt Strauss deshalb präventiv auf den Knopf, der das vor ihm stehende Mikrofon einschaltet. Er weiß ja nie, wann es Zeit ist, die Befragung zu unterbrechen. Und wenn er das tut, dann lehnt er sich zuerst ein wenig nach vorn, drückt dann den Knopf und sagt: „Frau Abgeordnete, stellen Sie die Frage bitte anders.“ Oder: „Ich kann mir vorstellen, worauf Sie hinauswollen, aber unterstellen Sie dem Zeugen nicht etwas.“ Oder: „Herr Abgeordneter, erklären Sie mir bitte, was die Frage mit dem Thema ‚Hausdurchsuchung‘ zu tun hat.“

Ein Privatissimum für Peter Pilz

Bisher hat sich Strauss, der ein kleines Büro neben dem Ausschusslokal bezogen hat, mit Interventionen zurückgehalten. Nur in wenigen Fällen hat er die Befragung einer Auskunftsperson unterbrochen. „Ich selbst will ja den Ausschuss nicht andauernd unterbrechen müssen“, sagt er im Gespräch mit ORF.at. Ihm ist es eben wichtig, dass der U-Ausschuss „am Laufen“ gehalten wird, und Unterbrechungen sind seiner Ansicht nach „kontraproduktiv“. Obwohl er es nicht will, wie Strauss zweimal im Interview betont, muss er sich manchmal auf Debatten einlassen.

Eindrücke vom BVT-Untersuchungsausschuss
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Der erfahrene Richter Eduard Strauss ist als Verfahrensrichter im BVT-U-Ausschuss tätig

So etwa am vierten Tag des BVT-U-Ausschusses, als der Polizist der Einsatzgruppe zur Bekämpfung von Straßenkriminalität (EGS), Werner K., geladen war. SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer fragte den EGS-Beamten, ob er „jemals bei einer so grottenschlecht vorbereiteten Durchsuchung“ dabei gewesen war. Strauss lehnte sich vor, drückte den Knopf und mahnte Krainer, dass er die Frage so nicht stellen dürfe. Peter Pilz (Liste Pilz) sah das anders und verteidigte die Fragestellung seines Kollegen. Strauss, der sich schon zurückgelehnt hatte, bugsierte seinen Körper wieder nach vor, drückte auf den Knopf und sagte: „Herr Abgeordneter, ich lade Sie in ein Privatissimum von mir ein, dann kann ich Ihnen sagen, wie man Fragen korrekt stellt und Antworten erhält.“

Das sei lediglich ein Scherz gewesen, sagt Strauss. Pilz brauche zwar kein Privatissimum, aber „wenn notwendig, dann sage ich den Abgeordneten, wenn etwas nicht passt.“ Dazu gehören eben Fragen, die mit dem Thema nichts zu tun haben, oder Fragen, die so gestellt werden, dass eine Antwort quasi vorgegeben wird. „Fragen wie ‚War es nicht so, dass …?‘ sind nicht zulässig. ‚Wie war es denn?‘, muss es richtigerweise lauten. Und wenn ich darauf eine Antwort bekomme, die ich gerne hören möchte, dann darf ich mit mir zufrieden sein“, so Strauss, der seit 1982 als Richter tätig ist.

Ein Leben für Recht und Musik

Eher ungewöhnlich für die bekannte Musikerdynastie Strauss, in die Eduard Strauss 1955 geboren wurde. In jeder Generation vor ihm hat es einen Berufsmusiker gegeben. Sein Ururgroßvater ist Johann Strauss Vater, sein Urgroßonkel der „Walzerkönig“ Johann Strauss Sohn und sein Vater der Kapellmeister Eduard Strauss. Freilich fühle man sich als Strauss „verpflichtet, etwas für die Musik und die Familie zu tun“, betont der Richter. „Aber wissen Sie, Musik zu machen und aus meiner Familie zu kommen, bedeutet, enorme Konkurrenz zu haben. Toppen Sie einmal als Komponist den Donauwalzer und die Fledermaus. Das ist für mich nicht machbar. Das ist eine geniale Musik.“

Sein Vater habe unter dem Namen sehr gelitten. Aber wie viele vor ihm habe er einen „inneren Drang“ verspürt, unbedingt Musik machen zu müssen, erklärt Strauss. Er selbst habe dieses Gefühl nie gehabt. Als ihm sein Vater einmal gesagt hat, dass er Musik ohnehin nur „ganz oder goar ned“ machen könne, habe der „zehnjährige Edi gesagt: ‚Donn goar ned.‘“ Und dabei ist er bis heute geblieben. Er singt zwar im Chor, in dem er auch Obmann ist, allerdings müsse er davon nicht leben, so Strauss, der das Wiener Institut für Strauss-Forschung leitet.

BVT-Verfahrensrichter Eduard Strauss beim Interview mit ORF.at
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Strauss erklärt ORF.at den Stammbaum seiner Familie. Insgesamt gab es sechs Strauss-Musiker, sein Vater war der letzte

Damit möchte er „Kitschwölkchen“ über seiner Familie vertreiben, sagt er. „Der goldene Johann Strauss Sohn steht im Wiener Stadtpark auf einem Podest. Aber so goldig, wie er da steht, war er nicht. Er war ein genialer Musiker, aber menschlich war er kein Heros. In der Familie wurde auf Mord und Tod gestritten“, beschreibt Strauss das normale Leben außerhalb des Walzers. Obwohl der langjährige Richter eine Aversion gegen Strauss-Kitsch pflegt, müsse er vorsichtig sein. „Ich will nicht sagen: ‚Du bist ein Böser, weil du dir kitschigen Strauss von Andre Rieu anhörst.‘ Was der Mann macht, ist furchtbar. Aber er bringt mir andererseits Hunderttausende Leute wieder zur Strauss-Musik.“

Aufgabe für „erfahrene Pensionisten“

Dass Strauss beruflich nicht der Tonleiter, sondern der juristischen Karriereleiter gefolgt ist, liegt an seinem Onkel, der ihm dazu geraten hat, „etwas G’scheites“ zu lernen. „Dann habe ich halt Jus studiert und die Gerichtspraxis gemacht“, erzählt er. Dabei habe ihn der Beruf des Richters am meisten fasziniert. Er müsse nämlich nicht nur eine Sicht vertreten, wie es beispielsweise ein Anwalt tut. Sondern er muss alle Interessen in seine Entscheidung einfließen lassen. „Wenn sich Parteien nicht einigen können oder wollen, dann haben sie sich dem Richter ausgeliefert“, sagt er lachend. Aber dann dürfe man sich auch nicht wundern, wenn etwas rauskommt, was einem nicht gefällt.

Derzeit ist Strauss für seine Aufgabe im BVT-U-Ausschuss vom Dienst freigestellt. Allerdings betont er, dass „das Amt des Verfahrensrichters an sich ein Amt für Pensionisten“ sei. Der erfahrene Richter verweist auf die Verfahrensordnung für U-Ausschüsse, in der festgeschrieben ist, dass man sich entweder im dauernden Ruhestand befinden oder für die Dauer des U-Ausschusses dienstfrei gestellt sein muss. Da er die Pension erst in zwei Jahren antrete, kam nur eine Dienstfreistellung infrage. „Laut Gesetz ist es eine Aufgabe für erfahrene Pensionisten. Da kannst du dir in der Pension ein bisschen was dazuverdienen.“

BVT-Verfahrensrichter Eduard Strauss beim Interview mit ORF.at
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Ein Begleiter durch den Alltag von Verfahrensrichter Strauss: die Verfahrensordnung und Geschäftsordnung

U-Ausschuss bis Dezember 2019?

Tatsächlich ist es nicht unüblich, dass Verfahrensrichter pensioniert sind. So beriet 2015 der frühere Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck, Walter Pilgermair, den Vorsitz bei der Causa Hypo-Alpe-Adria-Bank. Im derzeit parallel laufenden Eurofighter-U-Ausschuss fungiert mit Ronald Rohrer der ehemalige Vizepräsident des Obersten Gerichtshofs als Verfahrensrichter. Er war es auch, der beim letzten Kampfflugzeug-U-Ausschuss 2017 in diese Rolle schlüpfte. Strauss geht nach dem Ausschuss wieder an das OLG Wien zurück. Bis er in die Pension „diffundiere“, will er noch „fest arbeiten. Der Senat muss wissen, dass der Vorsitzende noch da ist.“

Bis die Affäre rund um den Staatsschutz geklärt ist, wird es aber noch ein paar Monate dauern. Wenn der gesetzliche Rahmen zur Gänze ausgereizt wird, können sich die Befragungen auf einen Zeitraum bis Dezember 2019 strecken. Strauss geht davon aus, dass der Ausschuss mit einer Verlängerung bereits im September endet. Dann wird es einen Abschlussbericht geben. Wie dieser genau aussieht, müsse man noch klären. Strauss schwebt ein „Lebenssachverhalt“ vor, in dem die einzelnen Aussagen der geladenen Zeuginnen und Zeugen ineinander verwoben werden sollen. Zum Status quo will er sich nicht äußern. Nur so viel: Alle bemühen sich, und „es entsteht langsam ein Bild.“