Der italienische Arbeitsminister Luigi Di Maio neben Innenminister Matteo Salvini
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Abschied von Sparkurs

Italiens Budget wird Herausforderung für EU

Ungeachtet eines Schuldenstandes von 132 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) verabschiedet sich Italien von seinem bisherigen Sparkurs. In Brüssel zeigt man sich von den in Rom von Italiens populistischer Regierung abgesegneten Plänen wenig begeistert. Einem Konfrontationskurs mit der drittgrößten Volkswirtschaft im Euro-Raum geht man – zumindest bisher – aber aus dem Weg.

Dabei handelt es sich aus Sicht von EU-Wirtschafts- und Finanzkommissar Pierre Moscovici um „ein Budget, das außerhalb der Grenzen unserer gemeinsamen Regeln zu sein scheint“. Gegenüber den französischen Sendern BFM-TV und RMC erinnerte Moscovici Rom zudem an dessen bereits angehäufte „explosive Schuldenlast“.

Moscovici zufolge könne es demnach auch nicht im Interesse Italiens sein, sich weiter zu verschulden, denn „jeder Euro, der für die Rückzahlung der Schulden ausgegeben wird, ist ein Euro weniger für Autobahnen, für Bildung und für soziale Gerechtigkeit“. Am Ende sei es „immer die Bevölkerung, die bezahlt“.

Abfuhr für Pläne von Finanzminister Tria

Italien hat nach Griechenland den zweithöchsten Schuldenberg in der Euro-Zone. Die Erfüllung der Maastricht-Kriterien, die eine maximale Verschuldung von 60 Prozent vorsieht, ist für Italien auch ohne neue Schulden wohl noch lange außer Reichweite. Am Donnerstag einigten sich Italiens Regierungsparteien, die rechtspopulistische Lega und die populistische Fünf-Sterne-Bewegung, auf eine Anhebung der Neuverschuldung auf 2,4 Prozent des BIP.

Italiens Finanzminister Giovanni Tria
Reuters/Tony Gentile
Die Vorschläge von Finanzminister Giovanni Tria fanden kein Gehör

Zwar bleibt Rom mit dem aktuellen Vorschlag unter der in den Euro-Stabilitätskriterien vereinbarten Neuverschuldungsgrenze von maximal drei Prozent. Allerdings muss Italien eine ganze Reihe von Aufgaben erfüllen, um etwa das strukturelle Defizit in den Griff zu bekommen. Aus diesem Grund mahnte auch die EU-Kommission ein deutlich niedrigeres Defizit ein.

Der Einigung in Rom waren zähe Verhandlungen im Kabinett vorausgegangen. Das Nachsehen hatte schließlich auch der parteilose Finanzminister Giovanni Tria, der sich zuvor für eine Begrenzung der Neuverschuldung auf 1,6 Prozent ausgesprochen hatte. Italiens sozialdemokratische Vorgängerregierung hatte noch ein Defizit von 0,8 Prozent angepeilt.

Sanktionen wohl kein Thema

Italien muss – so wie die anderen 18 Euro-Länder – seinen Haushaltsentwurf nun bis zum 15. Oktober zur Überprüfung bei Moscovici einreichen. Ungeachtet der bereits geäußerten Bedenken von Moscovici ist Beobachtern zufolge wohl nicht mit Sanktionen zu rechnen. Die Behörde könnte das Budget ablehnen – hat das aber noch nie gemacht. In Diplomatenkreisen war man sich am Freitag in Brüssel zudem einig, dass sich der Nachweis eines Regelverstoßes als sehr komplizierte Aufgabe erweisen könnte.

Gleichzeitig verstärken Italiens Budgetpläne die Sorge vor einer neuen Euro-Krise. „Der Rückfall Italiens in hohe Defizite außerhalb von Krisenzeiten wiegt umso schwerer, als das Land gleichzeitig Arbeitsmarktreformen zurücknimmt, die bislang die Ausrede für das zu hohe Defizit waren“, sagte Ökonom Friedrich Heinemann vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.

„Zudem werden die neuen Sozialleistungen bei Rente und Grundeinkommen das Defizit dauerhaft in die Höhe treiben.“ Die einzig angemessene Antwort der Europäischen Kommission wäre die zügige Aufnahme eines Verfahrens wegen eines übermäßigen Defizits, das notfalls bis hin zu Geldstrafen vorangetrieben werden sollte, so Heinemann.

Vizepremier Luigi Di Maio (Fünf Sterne) feiern ihre Einigung auf dem Balkon
AP/Alessandro Di Meo
Di Maio und weitere Vertreter der Fünf-Sterne-Bewegung feiern die Einigung auf den neuen Budgetfahrplan

Budgetplan für Vizepremier Di Maio „historisch“

Von italienischer Regierungsseite wurden die Pläne indes verteidigt, wobei sich auch das bisherige Bild verfestigte, wonach nicht Premier Giuseppe Conte, sondern vielmehr die beiden Vizepremiers Matteo Salvini (Lega) und Luigi Di Maio (Fünf Sterne) in Italien derzeit das Sagen haben.

Wirtschaftsminister Di Maio bezeichnete die Budgetpläne in einer ersten Reaktion als „historisch“. „Nicht besorgt“ sei er mit Blick auf die tiefroten Zahlen und damit die Turbulenzen auf den Anleihen- und Aktienmärkten, welche die Lega-Fünf-Sterne-Einigung am Freitag auf den künftigen Budgetkurs auslösten. Italien wolle Di Maio zufolge auch mit Brüssel nicht auf Konfrontationskurs gehen. Vielmehr sei man „entschlossen, unsere Schulden zurückzuzahlen“.

„Wir haben einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht. Die Finanzmärkte werden sich damit abfinden. Sie werden begreifen, dass wir für das Wohl Italiens arbeiten“, sagte Innenminister und Lega-Chef Salvini. Er dementierte zudem Berichte über einen offenen Konflikt mit Tria. Salvinis Angaben zufolge stand Tria „nie auf der Kippe“.

„Staatsschuld mittels Wachstums abbauen“

Am Freitag meldete sich schließlich auch Conte zu Wort: „Italien ist kein Problem für Europa“, sagte er. So wie zuvor bereits Di Maio und Salvini, verteidigte auch Conte die Vorgangsweise. Zudem habe er ohnehin nie daran gedacht, „dass wir unser Budget aufgrund der Erwartungen eines EU-Kommissars entwerfen würden“. Conte zeigte sich gleichzeitig davon überzeugt, dass die im Haushaltsentwurf enthaltenen Maßnahmen zum Wirtschaftswachstum Italiens beitragen werden: „Wir wollen die Staatsschuld mittels Wachstums abbauen."#

Tajani erhebt Stimme für Forza Italia

Antonio Tajani meldete sich indes als Politiker der oppositionellen Forza Italia und nicht als EU-Parlamentspräsident zu Wort. Geht es nach Tajani, müsse die Lega-Fünf-Sterne-Regierung im Interesse Italiens gestoppt werden.

Der von Silvio Berlusconi angeführten Partei zufolge werde das Land einen sehr hohen Preis für die "verantwortungslose“ wirtschaftspolitische Linie des populistischen Kabinetts in Rom zahlen. Mit versprochenen Steuersenkungen setzt nun allerdings erneut eine Regierung auf ein Mittel, mit dem sich nicht zuletzt auch Berlusconi lange die Gunst der Wähler und Wählerinnen sicherte.

Politisch seien die Ideen der Regierung durchaus einleuchtend, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Gustavo Piga. „Vom Grundeinkommen würden vor allem Menschen im ärmeren Süditalien profitieren, wo die Sterne-Bewegung viele Wähler hat. Und Pensionsänderungen würden vor allem älteren Wählern aus der Arbeiterschicht zugutekommen, einer Kernklientel der Lega.“ Aus ökonomischer Sicht handle es sich Piga zufolge dennoch um „Unsinn“.