Zum zwölften Mal läuft nun in Wien schon seit Tagen die Vienna Design Week. Und blickt man auf die Dauer von mittlerweile schon eineinhalb Wochen, dann ist damit zu rechnen, dass nach dem Andrang des Eröffnungswochenendes im aufgelassenen Wiener Sophienspital die Besucherzahlen des Vorjahres (immerhin gut 35.000 Menschen) in diesem Jahr locker überschritten werden.
Dass die Vermittlung von Design in der Stadt der Wiener Werkstätten kein Selbstverständnis ist, weiß Design-Week-Chefin Lilli Hollein offenkundig. Die Location, an der die Begegnung von Kunst, Design und Alltagsanwendung in diesem Jahr inszeniert ist, könnte spezieller nicht sein. In zwei Pavillons im aufgelassenen Wiener Sophienspital ist so etwas wie eine Documenta des Designs entstanden.
Der schwierige Umgang mit dem Thema Design
Ehemalige OP-Säle und Krankensäle werden zu Mikrokosmen für die Präsentation von Gestaltungsarbeit. Der Mix in den Spitalspavillons reicht von künstlerischen Installationen bis hin zu Designanwendungen im Alltag. Dazwischen sind auch Erkundungen möglich, wie etwa der virtuelle Flug über Wien und das Erleben der Stadt aus der Adlerperspektive.
„Die Location war immer schon ein wesentlicher Faktor“, erklärt Hollein im Gespräch mit ORF.at und verweist darauf, dass der Hauptaufwand ihres Teams gerade das Finden und Aufbereiten der nächsten Lokalität für die Design-Week sei: „Ein ganz wesentlicher Aspekt für die Vermittlung von Design ist der Umstand, dass sich das ganze durch die Stadt bewegt.“
Dass, wie man heuer am Zustrom zu den Veranstaltungen sieht, das Interesse an Design und der Gestaltung des Alltags größer geworden ist, sieht Hollein auch als gesellschaftliches Phänomen: „Es gibt mittlerweile ein Interesse an Produktionsvorgängen. Und es gibt ein Interesse am Handwerk, das früher so noch nicht da war.“ Auch der Trend, mehr von der Herkunft von Produkten wissen zu wollen, schlage sich im Bereich der Gegenstände, mit denen man den Alltag verbringe, nieder.
„Und natürlich hoffen wir, dass wir mit zwölf Jahren Design Week einen Beitrag zur Verbreitung des Interesses an Design“ gesteigert haben, so Hollein, die deshalb die Schiene ihres Festivals als großes Crossover-Event angelegt hat. Nicht nur Begegnungen mit dem Handwerk werden auf der Design Week über die „Passionswege möglich“. Im Finale vor dem Abschlusswochenende wird auch noch einmal groß aufgekocht, etwa im Rahmen einer „Food Night“.
Mikrokosmos Sophienspital
Einen speziellen Erlebnisraum, auf den das Publikum seit der Eröffnung besonders stark reagiert, stellt die Zentrale des Festivals im ehemaligen Sophienspital im siebenten Wiener Gemeindebezirk da. Eigentlich setzt das Festival ja auch der Architektur aus den späten 1990er Jahren von Martin Kohlbauer ein Monument. Denn während die historischen Teile des Spitals denkmalgeschützt sind, muss der Westflügel des Spitals dem Wohnraumbeschaffungsprogramm weichen.
Das Flachdach des „Europa-Pavillons“ zum Gürtel hin präsentiert eine von den Landschaftsarchitekten Auböck und Karasz gestaltete Installation, die sogar die Umgebung des Wiener Westbahnhofes poetisch wirken lässt: Tüllberge sind hier wie Schutzhauben über einer Armada von Blumentöpfen drapiert; unter der geometrischen Anordnung darf freilich die Wildnis einer Spontanvegetation sprießen. Das Publikum hat sich am Eröffnungswochenende von dieser völlig neuen Blicksetzung auf eine Gegend, die normalerweise als Verkehrshölle zu erleben ist, verzaubern lassen.
Hinweis
Die Veranstaltungen der Vienna Design Week laufen noch bis einschließlich 7. Oktober.
Das polnische Designalphabet
Vor dem Hintergrund der Idee, jedes Jahr ein neues Gastland zu präsentieren, ist heuer Design aus Polen dran. Ordnungsmuster ist, darunter das Projekt des „Polnischen Designalphabets“, das gerade auch den Fokus auf die Bruchlinien der Gesellschaft vor und nach 1989 setzt. Vielleicht ist es dabei ja gerade auch dem Retrokult zu verdanken, dass Arbeiten vor der politisch-gesellschaftlichen Wende in den Blick genommen werden können, ohne dass man dabei die Umstände der Entstehung vergisst oder verklärt.
Arbeiten mit einer großen gestalterischen Klarheit sind zu entdecken. Und auch für die gerade im digitalen Zeitalter blühende Liebe zur Typographie kann hier neue Inspirationen gefunden werden. „Lettering wird just in einer Zeit wichtiger“, meint Hollein, „in der die Leute eigentlich nicht mehr selbst mit der Hand schreiben können“, weil man ja hauptsächlich über Devices tippe.
Eröffnung der Vienna Design Week
Bei der Vienna Design Week wird der Frage nachgegangen, was innovatives Design bedeutet. Nationale und internationale Kreative bieten eine Plattform für Ideen.
Design kann den Unterschied machen
Insgesamt zeigen die Veranstaltungen, Ausstellungen und Events in dieser Woche, dass Design ein Medium für Identifikation schafft. „Dort, wo alles uniform wird, sucht man nach Elementen, die den Unterschied machen“, so Hollein zu der gerade in den Gegenwart so blühenden Liebe zum Design.
Bis zum 7. Oktober kann man sich in Wien jedenfalls auf eine lange, intensive Identitätssuche über die sinnvollen oder vielleicht gerade auch sinnlosen Objekte des Alltags begeben. Und wer die Nachhaltigkeit liebt, der kann sich auch am Projekt „Pee Power“ erfreuen.