Man müsse „alles daransetzen, diese letztlich doch auch fragile Grundlage unseres Zusammenlebens sorgsam zu schützen“, so Bierlein über die Demokratie. „Um unsere demokratischen Errungenschaften zu wahren, bedarf es eines feinen Sensoriums für alles, was sie gefährden könnte“, so Bierlein in ihrer Rede.
„Gerade eine Zeit, wie sie nicht nur die EU mit dem Rückbau von Demokratie und Rechtsstaat in einzelnen Mitgliedsstaaten eben erlebt, zeigt, dass die parlamentarisch-demokratische Gesellschaftsordnung nicht selbstverständlich ist, sondern immer wieder von Neuem verteidigt werden muss.“
Entschiedenes Auftreten gefordert
Bierlein sprach von einem herrschenden Unbehagen und von einer Verunsicherung der Menschen. Das sei ernst zu nehmen.
Es gelte entschieden gegenzusteuern, wenn demokratische Einrichtungen und rechtsstaatliche Überzeugungen infrage gestellt würden. Das gelte für rechte wie für linke Tendenzen am Rand gleichermaßen. Legitime politische Anliegen auf der einen Seite und Entwicklungen in Richtung einer Gefährdung demokratischer Institutionen auf der anderen Seite seien strikt zu trennen, betonte die VfGH-Präsidentin.
Plädoyer für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
Ein Plädoyer für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hat die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes, Brigitte Bierlein, anlässlich des Verfassungstages am Montag gehalten.
Demokratie sei ein Kompromiss unterschiedlicher Interessengruppen. Es gebe immer mehrere Antworten auf drängende Fragen. „Da ich Optimistin bin und auf die politischen Akteure vertraue, gehe ich davon aus, dass eine allfällige Legitimationskrise der repräsentativen Demokratie gerade vor dem Hintergrund des Republiksjubiläums und den Erfahrungen aus der Vergangenheit zukunftsrelevant bewältigt wird“, so Bierlein – Audio dazu in oe1.ORF.at.
Die Festrede zum Verfassungstag hielt Altbundespräsident Heinz Fischer. Er gab einen Abriss über die österreichische Verfassungsgeschichte zum Besten und lobte die Bundesverfassung für ihre Festigkeit und gleichzeitige Offenheit für eine sinnvolle Weiterentwicklung.
Van der Bellen schickt „Grußworte“
Nicht anwesend war Bundespräsident Alexander Van der Bellen bedingt durch den offiziellen Besuch des belgischen Königspaares. Er schickte Grußworte, in denen er sich bezüglich der Gesamtänderung der Bundesverfassung durch Staatsverträge für eine Vorabprüfung durch den VfGH aussprach. Beim Verfassungstag wird alljährlich der „Geburtstag“ der österreichischen Bundesverfassung begangen. Sie wurde am 1. Oktober 1920 von der Konstituierenden Nationalversammlung beschlossen.