Charles Aznavour bei einem Konzert im Dezember 2017 in Paris
APA/AFP/Eric Feferberg
König des Chansons

Charles Aznavour ist tot

Er war der König des Chansons und ein Weltstar alter Schule: Charles Aznavour ist im Alter von 94 Jahren gestorben, wie sein Pressesprecher am Montag bekanntgab. Berühmt war er für Hits wie „La Boheme“, „La Mamma“, „Que c’est triste Venise“, „She“ und „Mourir d’aimer“.

Aznavour war Franzose und Armenier, in beiden Ländern wurde er fast wie ein Heiliger verehrt. In der armenischen Hauptstadt Eriwan wurde ein Kulturhaus nach ihm benannt. An der Einweihung nahm damals auch Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy teil. Aznavour schuf in seiner über 70-jährigen Karriere mehr als 700 Chansons, noch mehr interpretierte er selbst und wirkte in rund 70 Filmen mit. Einige seiner Lieder sang er auch auf Deutsch, darunter „Du lässt dich geh’n“.

Der in Paris geborene Künstler verbrachte sein ganzes Leben im Umfeld der Bühne. Als Knirps sang er im Restaurant seiner Flüchtlingseltern im Pariser Quartier Latin armenische Lieder und als Neunjähriger stand er erstmals auf der Bühne. Aznavours Vater Mischa war, bevor er aus Armenien floh, Bariton und seine Mutter Schauspielerin.

Charles Aznavour am 13. März 1967 vor eine Konzert in der Royal Albert hall am Londoner Flughafen
AP/Peter Kemp
Charles Aznavour 1967 vor einem Konzert in der Royal Albert Hall in London

Von Edith Piaf entdeckt

Der Durchbruch gelang ihm, als Edith Piaf 1946 auf ihn aufmerksam wurde und mit ihm durch Frankreich und die Vereinigten Staaten tourte. Seine Lieder handeln von Liebe, Familie, Randgruppen und Armenien. In seiner Jugend war Aznavour politisch progressiv. „Eigentlich konnte man mich als Kommunisten bezeichnen, der verächtlich, vielleicht auch neidisch auf den Kapitalismus blickte“, sagte er einmal der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“).

Sendungshinweis

Ö1 erinnert am Dienstag um 17.30 Uhr in den „Spielräumen“ an Charles Aznavour. Am Samstag um 17.05 Uhr widmet sich „Diagonal“ dem Chansonnier – mehr dazu in oe1.ORF.at.

Später, als erfolgreicher Sänger und Schauspieler, habe er auf großem Fuß gelebt und einen Rolls-Royce gefahren. Aznavour war mehrfacher Vater und zuletzt in dritter Ehe mit einer Schwedin verheiratet. Aznavour lebte die letzten Jahre in der Schweiz – auch deshalb, weil er mit Frankreich Steuerärger hatte.

Charles Aznavour am 20. November 1987 bei einem Galakonzert im Pariser Lido mit Liza Minnelli
AP/Laurent Rebours
Charles Aznavour 1987 bei einem Galakonzert im Pariser Lido mit Liza Minnelli

Engagiert für Armenien

Aznavour stand für das ein, was er sang. Für sein Engagement, vor allem für Armenien, wurde er 1993 vom Präsidenten der Kaukasus-Republik zum „Sonderbotschafter für humanitäre Aktionen“ ernannt, 1995 bestellte ihn die UNESCO zum Sonderbotschafter für Armenien, und seit 2009 war er armenischer Botschafter in der Schweiz.

Seinen Durchbruch zum Schauspieler schaffte er im Jahr 1960 mit „Schießen Sie auf den Pianisten“ von Francois Truffaut. Mit der oscarprämierten Verfilmung „Die Blechtrommel“ von Volker Schlöndorff wurde er als Schauspieler auch in Deutschland bekannt. 2008 gab er seinen Abschied von der Leinwand bekannt. Gesungen hat er jedoch bis zuletzt.

Trauer in Frankreich und Armenien

Auf die Nachricht vom Tod Aznavours reagierte auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron betroffen. Der „in aller Welt“ verehrte Aznavour habe „drei Generationen in Freud und Leid begleitet“, schrieb Macron auf Twitter. Seine „Meisterwerke, seine Klangfarbe, seine einzigartige Ausstrahlung“ würden noch lange in Erinnerung bleiben.

Auch in Armenien wurde getrauert. Tausende Menschen legten Blumen auf dem Aznavour-Platz in der Hauptstadt Eriwan nieder. Auch Ministerpräsident Nikol Paschinjan und andere Regierungsmitglieder kamen auf den Platz, um Kerzen zu entzünden, wie die Agentur Interfax meldete. „Das ist ein großer Verlust für das armenische und das französische Volk. Das ist ein Verlust für die ganze Menschheit“, sagte Paschinjan. Am Tag der Beerdigung werde in Armenien Staatstrauer gelten, kündigte er an.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte in Brüssel, er sei „sehr traurig“ über Aznavours Tod. „Jahrzehntelang und bis zu seinem letzten Atemzug hat dieser großartige facettenreiche Künstler, Sänger, Komponist und Schauspieler unser Leben mit größtem Vergnügen bereichert“, schrieb Juncker. Aznavours „immenses Talent“ werde unvergessen bleiben. „Europa hat heute eine seiner schönsten Stimmen verloren“, endete Junckers Erklärung.