Nicola Werdenigg
GEPA/Ralph M. Fischer
Ein Jahr „MeToo“

Prominente Fälle in Österreich

In Österreich hat sich die „MeToo“-Debatte vor allem in den Bereichen Politik, Kultur und Sport medial präsent gezeigt. Mehrere Fälle wurden seit Oktober 2017 öffentlich gemacht und hielten die Diskussionen über Sexismus und Machtmissbrauch am Laufen.

November 2017: Die ehemalige Skirennläuferin Nicola Werdenigg geht mit Missbrauchsvorwürfen an die Öffentlichkeit. Die Olympiaabfahrtsvierte von 1976 berichtet von weitverbreiteter „sexualisierter Gewalt“ im österreichischen Skisport der Siebzigerjahre. Als Täter erwähnte sie „Trainer, Betreuer, Kollegen und Serviceleute“. Sie selbst sei als 16-Jährige von einem Teamkollegen vergewaltigt worden. Der Zeitpunkt, über den Missbrauch zu reden, sei ihr nun wegen der „MeToo“-Kampagne in Sozialen Netzwerken günstig erschienen. Mit dem von ihr gegründeten Verein #WeTogether will Werdenigg eine Anlaufstelle für Betroffene sein und auch Impulse im Bereich der Vorbeugung und Forschung setzen. Namen, die im Zuge ihrer Aussagen fallen, sind Toni Sailer und Karl Kahr.

Der langjährige Parlamentarier Peter Pilz zieht bereits kurz nach der Nationalratswahl im Herbst Konsequenzen aus den Vorwürfen der sexuellen Belästigung gegen ihn und nimmt sein Nationalratsmandat nicht an. Nach Medienberichten hat sich eine ehemalige Assistentin von Pilz Ende 2015/2016 mit protokollierten verbalen und körperlichen Belästigungen an die Gleichbehandlungsanwaltschaft gewandt. Körperliche Übergriffe streitet Pilz vehement ab. Dann werden Anschuldigungen publik, wonach Pilz 2013 beim Forum Alpbach eine Mitarbeiterin der Europäischen Volkspartei in betrunkenem Zustand vor Zeuginnen und Zeugen begrapscht haben soll. Pilz gibt zunächst an, sich nicht daran erinnern zu können und bestreitet die Vorwürfe dann. Nach mehreren Personaländerungen innerhalb der Liste Pilz ist der Listengründer nun aber wieder in den Nationalrat zurückgekehrt.

Februar 2018: Der Blogger Markus Wilhelm veröffentlicht auf seiner Website anonyme Vorwürfe, die von „modernem Sklaventum“ über Verdacht auf Lohndumping bis hin zu sexueller Belästigung durch den damaligen künstlerischen Leiter der Festspiele Erl, Gustav Kuhn, reichen. Die Verantwortlichen weisen die Anschuldigungen aufs Schärfste zurück. Im Juli klagen fünf Künstlerinnen in einem offenen Brief sexuelle Übergriffe bzw. Missbrauch durch Kuhn an. Sie sprechen von „anhaltendem Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen“ während ihres Engagements. Im September verkünden die Festspiele die Beurlaubung Kuhns als Dirigent bis zur endgültigen Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe durch das Gericht und die Gleichbehandlungskommission. Im September werden von weiteren acht Personen Vorwürfe gegen Kuhn erhoben.

April 2018: Ein an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw) tätiger Professor wird nach Vorwürfen des „gröblichen Missbrauchs seiner Stellung“ entlassen. Der Musiker war infolge der Entscheidung der Universität an der Staatsoper und bei den Philharmonikern im Einvernehmen vom Dienst freigestellt worden. Seit 17. September ist der Musiker wieder an der Wiener Staatsoper und folglich auch bei den Philharmonikern tätig. Nach „Prüfung der Faktenlage“ hätten Gespräche „keinen konkreten arbeitsrechtlich oder strafrechtlich relevanten Vorwurf an den Musiker ergeben“, heißt es seitens der Oper. Somit bestehe „keinerlei Anlass für eine weitere Dienstfreistellung“.

Mai 2018: Die ehemalige Grünen-Abgeordnete Sigrid Maurer macht obszöne Nachrichten an sie öffentlich und beschuldigt darin einen Wiener Biergeschäftsbesitzer als Verfasser. Im September muss Maurer sich vor Gericht wegen übler Nachrede und Kreditschädigung verantworten, sie wird von dem Mann auf insgesamt 60.000 Euro geklagt. Sie habe keine andere Möglichkeit gesehen, sich zu wehren, so Maurer. Auf die Frage des Richters, ob sie ihr Handeln bereue, meint die erklärte Feministin: „Nein, wir leben im Jahr 2018.“ Der Prozess wird auf 9. Oktober vertagt.

September 2018: Die ÖVP trennt sich von ihrem Nationalratsabgeordneten Efgani Dönmez. Der frühere grüne Politiker, der vor der vergangenen Nationalratswahl bei der ÖVP von Sebastian Kurz angeheuert hatte, wurde wegen eines sexistischen Tweets gegen die deutsche SPD-Politikerin Sawsan Chebli aus dem Parlamentsklub geworfen. Parteiobmann Kurz und Klubchef August Wöginger erklären, dass „sexistische, beleidigende Entgleisungen nicht akzeptabel sind“. Dafür gebe es in der neuen ÖVP keinen Platz.