Boris Johnson am Parteitag
Reuters/Toby Melville
„Politisch demütigend“

Johnson mit Breitseite gegen Mays Pläne

Der zurückgetretene Außenminister und „Brexit“-Aktivist Boris Johnson hat beim Parteitag der Torys wie erwartet eine Breitseite gegen Premierministerin Theresa Mays „Brexit“-Pläne abgefeuert. Der „Chequers-Deal“ sei „politisch demütigend“, ein „Schwindel“ und „nicht das, wofür wir gestimmt haben“, so Johnson.

Der nach Mays Landgut benannte „Chequers-Deal“ sei ein „Betrug“ und solle verworfen werden, forderte Johnson unter großem Beifall der etwa 1.000 Abgeordneten in Birmingham. Mays Pläne ließen das Land für künftige Generationen weiter unter der Herrschaft der EU. „Das ist nicht Demokratie, das ist nicht das, wofür wir gestimmt haben“, so Johnson. Nun sei der Moment gekommen, „‚Chequers‘ wegzuschmeißen“.

Mays Pläne würden jene ermutigen, die ein zweites Referendum über den „Brexit“ wollen. Ein solches wäre „desaströs“ für das Vertrauen in die Politik. Er rief dazu auf, die „Chequers-Pläne“ zu blockieren und Mays ursprünglichen Plan „sanft, leise und sensibel“ zu unterstützen. Einen Rücktritt Mays forderte er nicht. Johnson – ein Vertreter des „harten Brexits“, wird nachgesagt, die Premierministerin stürzen zu wollen.

Briten sollen „Kontrolle wiedererlangen“

Dass sich Großbritannien immer an der EU ausgerichtet hatte, sei in Zeiten des globalen Handels nicht mehr zeitgemäß. Nun sei der Moment, den britischen Außenhandel zu stärken und die „Kontrolle wiederzuerlangen“. Die durch den „Brexit“ entstehenden Möglichkeiten für Großbritannien seien „immens“. Scheitere die Regierung bei den „Brexit“-Verhandlungen allerdings, werde sie dafür bestraft werden. Man solle niemandem glauben, der sage, es gebe keine Alternative zu Mays Plänen.

Boris Johnson am Parteitag
Reuters/Toby Melville
Johnson sorgt nach wie vor für großes Medieninteresse

Mays „Chequers-Deal“ sieht eine Freihandelszone mit der EU für Waren, aber nicht für Dienstleistungen wie Bankgeschäfte vor. Dafür soll sich Großbritannien eng an Produktstandards und andere Regeln des europäischen Binnenmarkts halten. Zollkontrollen am Ärmelkanal und an der Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland sollen durch ein kompliziertes System verhindert werden. EU-Chefverhandler Michel Barnier erteilte den Plänen wiederholt Absagen, da diese die Integrität des EU-Binnenmarktes infrage stellen würden.

Johnson: „Würde ‚Brexit‘ verschieben“

Bereits unmittelbar vor seiner Rede schoss Johnson gegen May. Er würde den Austritt aus der EU um mindestens sechs Monate verschieben, sollte er Regierungschef werden, berichtete die Zeitung „Sun“ (Montag-Ausgabe). Im Hinblick auf die Grenze zwischen Irland und Nordirland schlug er vor, die Zollkontrollen abseits der eigentlichen Grenze mit modernen technischen Methoden vorzunehmen, um eine „harte“ Grenze zu vermeiden.

Johnson kritisiert Mays „Brexit“-Plan

Theresa Mays Plan für den „Brexit“ hat auf dem Parteitag der Torys in Birmingham zu einem Schlagabtausch zwischen der Premierministerin und „Brexit“-Aktivist Boris Johnson geführt.

Zudem warb er für ein Freihandelsabkommen mit der EU nach dem Vorbild des europäisch-kanadischen CETA-Abkommens. Johnson habe einigen Ministern aus dem Kabinett von May, das er aus Protest gegen Mays „Brexit“-Vorschläge im Juli verlassen hatte, seine Vorstellungen in Privatgesprächen dargelegt.

May präsentiert verschärfte Einwanderungspläne

May hatte vor Johnsons Auftritt ihre Position zum „Brexit“ bekräftigt. Man arbeite an einem guten Abkommen zum Austritt Großbritanniens aus der EU, sagte May. Ziel sei ein reibungsloser Handel. Man habe Vorstellungen der Wirtschaft berücksichtigt. Zudem veröffentlichte die Regierung ein Papier, demzufolge Großbritannien nach dem „Brexit“ einer verschärften Einwanderungspolitik nachgehen wird. Dass die Pläne am Dienstagmorgen vorgestellt wurden, werteten britische Medien als Ablenkungsmanöver vor Johnsons Rede.

Theresa May am Parteitag
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Die Torys sind rund sechs Monate vor dem „Brexit“ tief zerstritten

Nach den neuen Regelungen sollen EU-Bürger und -Bürgerinnen keine bevorzugte Behandlung mehr vor Einwandernden aus anderen Teilen der Welt erhalten. Vor allem Arbeitssuchende mit niedriger Qualifikation dürften es künftig viel schwerer haben. Wer in Großbritannien leben und arbeiten möchte, muss in Zukunft ein Mindestgehalt vorweisen. Familiennachzug soll nur mit Hilfe des Arbeitgebers möglich sein.

Erleichterungen für EU nicht ausgeschlossen

May schloss in einem BBC-Interview aber nicht aus, dass durch Handelsabkommen mit der EU und anderen Partnern Erleichterungen für die Einreise vereinbart werden könnten. Auch für Urlaubende soll das Reisen schwieriger werden. Sie müssen sich künftig – ähnlich wie in den USA – vorab einer Sicherheitsprüfung unterziehen. Studierende sind von den Einreisebeschränkungen ausgenommen. Sie müssen nur nachweisen, dass sie für ihren Lebensunterhalt aufkommen können.

May rief auch dazu auf, die Sorgen der Europäischen Union über die britischen „Brexit“-Vorschläge genau anzuschauen. Die EU sei nicht die Sowjetunion. May bezog sich damit auf Äußerungen ihres Außenministers Jeremy Hunt, der die EU mit der Sowjetunion verglichen hatte. Ein zweites „Brexit“-Referendum lehnte sie erneut ebenso ab wie Neuwahlen. Sie wolle ihr Amt lange ausüben.