Gebrauchte Volkswagen
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Dieselnachrüstung

Autokonzerne sträuben sich

Nach zähem Ringen hat sich die deutsche Regierung auf eine Einigung in der Dieselkrise verständigt. Besitzerinnen und Besitzer älterer Dieselfahrzeuge sollen zwischen einem Umtausch- und einem Nachrüstangebot wählen können. Den Autokonzernen gefällt das jedoch nicht. VW etwa will die Kosten der Nachrüstung nicht voll tragen, BMW und Opel lehnen eine Nachrüstung generell ab.

VW will weiterhin nur einen Teil der Kosten für eine Hardwarenachrüstung älterer Dieselautos tragen. „Wenn die Nachrüstung beim Kunden Akzeptanz finden sollte, werden wir uns wie zugesagt beteiligen“, sagte ein Insider der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. Damit widersprach VW der in dem Kompromisspapier von CDU und SPD enthaltenen Forderung nach einer vollen Kostenübernahme durch die Autohersteller. VW hatte im Vorfeld der Beratungen im Koalitionsausschuss lediglich eine Kostenübernahme von 80 Prozent zugesagt.

Außerdem hält VW dem Insider zufolge eine Nachrüstung weiterhin für das falsche Mittel, um Fahrverbote in Städten zu vermeiden. Der Konzern macht seine Zusage zudem davon abhängig, dass Drittanbieter SCR-Katalysatoren zur Nachrüstung entwickeln, die dauerhaft halten und vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zugelassen werden. In der Branche wird damit gerechnet, dass das mehr als ein Jahr dauern dürfte.

BMW und Opel gegen Nachrüstung

VW forderte nach dem Kompromiss, dass auch andere Hersteller eine Nachrüstung anbieten: „Im Hinblick auf die Nachrüstung gehen wir davon aus, dass die Bundesregierung sicherstellt, dass sich alle Hersteller an den entsprechenden Maßnahmen beteiligen“, sagte ein VW-Sprecher am Dienstag.

Wie andere Hersteller setzt VW vor allem auf Prämien zum Umtausch von älteren Diesel in Neuwagen. BMW zum Beispiel entschloss sich, Dieselfahrern sofort bis zu 6.000 Euro Umtauschprämie in Regionen zu zahlen, lehnt Hardwarenachrüstungen auf Unternehmenskosten aber ab. Laut Vorstandschef Harald Krüger geht es darum, „den Diesel weiterhin als Technologie auch zu erhalten und dem Kunden Lösungen für mögliche Fahrverbote zu bieten“.

Auch Opel lehnt Hardwarenachrüstungen ab. Sie seien ökonomisch nicht sinnvoll und technologisch nicht ausgereift, teilte Opel am Dienstag mit. „Zudem würde es zu lange dauern, sie zu implementieren.“ Daimler will deutschen Dieselbesitzern beim Kauf eines neuen Mercedes-Benz-Fahrzeugs bis zu 10.000 Euro Umtauschprämie zahlen. Die Erneuerung des Fahrzeugbestands sei das effektivste Mittel, um die Luftqualität in den Innenstädten schnell weiter zu verbessern und gleichzeitig die individuelle Mobilität der Autofahrer zu sichern, teilte der Konzern am Dienstag mit. Man werde sich aber auch an Hardwarenachrüstungen beteiligen – wie genau das aussehen wird, stand allerdings noch nicht fest. Der französische Autohersteller Renault kündigte unterdessen an, deutschen Haltern alter Diesel-Pkws eine Umtauschprämie bis zu 10.000 Euro beim Kauf eines Neuwagens gleich welcher Antriebsart anzubieten. Das Angebot gelte für Dieselfahrer aller Marken und sei bis zum 30. November befristet.

Verkehrsminister: Noch Details offen

Union und SPD hatten sich in der Nacht auf Dienstag nach stundenlangen Beratungen im Koalitionsausschuss auf ein Maßnahmenpaket verständigt, um Dieselfahrverbote in besonders schadstoffbelasteten Städten zu vermeiden. Neben Angeboten der Hersteller mit attraktiven Umtauschprämien oder Rabatten – anders als in der Vergangenheit beim Tausch nicht nur gegen ein Neufahrzeug, sondern nun auch gegen ein Gebrauchtfahrzeug – soll es auch technische Nachrüstungen geben. Allerdings kann die Regierung die Hersteller dazu nicht zwingen.

Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sieht bei den Nachrüstungen noch einigen Klärungsbedarf. „Das Thema Tausch und Umtausch oder Prämien wirkt unmittelbar und sofort, das haben mir die deutschen Hersteller so auch zugesagt“, sagte er bei der Vorstellung des Dieselkonzepts. „Bei der Hardwarenachrüstung müssen wir noch Gespräche führen, nicht nur auf der finanziellen Seite, sondern auch auf der technischen Seite.“

Vor allem für schmutzige Euro-5-Diesel soll als Option neben einer Umtauschprämie für den Kauf eines sauberen Autos der Einbau zusätzlicher Abgasreinigungstechnik am Motor ermöglicht werden. Wenn Besitzer eine solche Hardwarenachrüstung wollen und solche Systeme verfügbar und geeignet sind, erwartet der Bund „vom jeweiligen Automobilhersteller, dass er die Kosten hierfür einschließlich des Einbaus übernimmt“. Die Haftung sollen die Nachrüstfirmen übernehmen.

Hofer: Andere Ausgangsposition in Österreich

Für Österreich sei das deutsche Modell kein Vorbild, sagte Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) am Dienstag in Wien. Österreich habe eine andere Ausgangssituation, da es hier keine Fahrverbote gebe. Eine Verschrottungsprämie sei derzeit nicht angedacht, das wäre angesichts einer Hochkonjunktur kontraproduktiv.

Dieseleinigung in Deutschland

Die deutsche Regierung hat für die Besitzer älterer Dieselautos ein Paket geschnürt: Sie sollen Umtauschprämien bekommen oder ihre Autos kostenlos umrüsten lassen können.

Der Verein für Konsumentenschutz (VKI) und der ARBÖ sind für Hardwarenachrüstung auf Herstellerkosten. Der ÖAMTC befürwortet einen österreichischen Dieselgipfel, „wenn es hilft, dass die österreichischen Konsumenten dieselben besonderen Umtauschprämien/Aktionen erhalten wie die deutschen Autobesitzer“.

Fahrverbote in deutschen Städten

Hintergrund für die neuen Maßnahmen ist zu schmutzige Luft in vielen deutschen Städten. Dieselabgase gelten als ein Hauptverursacher dafür. Daher drohen Fahrverbote für ältere Diesel. In Hamburg sind schon zwei Straßenabschnitte für sie gesperrt. In Stuttgart ist 2019 ein großflächiges Einfahrverbot geplant. Kürzlich hatte ein Gericht auch Fahrverbote für die Innenstadt der Pendlermetropole Frankfurt am Main ab 2019 angeordnet. Die EU-Kommission macht ebenfalls Druck und will Deutschland per Klage beim Europäischen Gerichtshof zur Einhaltung der Grenzwerte zwingen, die schon seit 2010 verbindlich sind.

Wahlkampf in Bayern und Hessen

Die Regierung habe „etwas Gutes auf den Weg gebracht“, sagte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). In den vergangenen Jahren sei viel Vertrauen verloren gegangen – nun habe die Regierung sich „handlungsfähig“ gezeigt. Das ist auch vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen in Bayern am 14. Oktober und zwei Wochen danach in Hessen zu sehen. Zuletzt war die CDU in Hessen bei Umfragen auf unter 30 Prozent und die CSU in Bayern auf 35 Prozent abgerutscht. Auch die SPD kann nicht profitieren, wenn die Koalition im Autoland Deutschland keinen Weg aus dem Dieseldilemma findet.

„Doppelte Nulllösung“ für Dieselbesitzer

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die mehrere Fahrverbote erwirkte, sieht im Dieselkompromiss eine „doppelte Nulllösung. Drei Jahre warten Millionen unter giftigen Dieselabgasen leidende Menschen nun auf das Tätigwerden einer Bundesregierung, die sich weiter im Würgegriff der Dieselkonzerne befindet“, kritisierte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch in Berlin.

Den von Dieselfahrverboten betroffenen Autohaltern verweigere die Bundesregierung weiter eine wirksame Hilfe. Sie könnten nicht ihren Diesel zurückgeben und sich den Kaufpreis beziehungsweise einen um 20 Prozent erhöhten Zeitwert erstatten lassen. „Auch die sogenannte Umtauschprämie ist ein Muster ohne Wert“, so Resch. „Es geht der Bundesregierung dabei ausdrücklich nicht um saubere Neufahrzeuge.“ Es genüge, wenn im Tausch beliebig schmutzige Gebrauchtfahrzeuge ausgegeben werden. „Wichtig scheint nur, dass diese formal – noch – nicht von Fahrverboten betroffen sind“, so Resch.

Automarkt um 30 Prozent eingebrochen

Nach der Einführung strengerer Abgasregeln brach der Automarkt im September um 30,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr ein. Am stärksten war das Minus nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes bei den VW-Töchtern Audi, Porsche und Volkswagen. Vor allem um Diesel machten Neuwagenkäufer einen Bogen: Hier fiel der Rückgang mit 43,8 Prozent deutlich stärker aus als bei den Benzinern mit minus 25,2 Prozent.