Innenminister Herbert Kickl (FPÖ)
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Innenministerium veröffentlicht „Falter“-Mails

Der Umgang des Innenministeriums mit Medien schlägt innenpolitisch erneut hohe Wellen. Aktueller Anlass: Nach einem „Falter“-Bericht zur BVT-Affäre erklärte das Ministerium, Chefredakteur Florian Klenk habe keine Stellungnahme dazu eingeholt. Klenk bestritt das, woraufhin das Ministerium kurzerhand die Korrespondenz mit ihm veröffentlichte. Medienvertreter und Opposition sind empört. Die Regierung verteidigt Innenminister Herbert Kickl (FPÖ).

Die Wochenzeitung „Falter“ hatte am Vortag öffentlich gemacht, dass das Kabinett von Kickl im Vorfeld einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats vom Geheimdienst BVT Infos über Ermittlungen gegen Rechtsextreme und schlagende Burschenschaften angefordert hatte.

Konkret hat das Innenministerium am Mittwoch als Reaktion auf die Veröffentlichung eine „Chronologie“ der Kontaktaufnahmen von Klenk mit dem Innenministerium veröffentlicht – und dabei auch die Anfragen wortwörtlich veröffentlicht. Kickl verteidigt damit das Vorgehen seines Generalsekretärs Peter Goldgruber und sieht den Fehler eindeutig bei Klenk: Dieser habe gegen den Ehrenkodex des Presserats, also Grundregeln korrekten journalistischen Arbeitens, verstoßen.

„Nicht alltäglich“

Es ist jedenfalls ungewöhnlich, wenn ein Ministerium, so wie nun vom Innenministerium angekündigt, den Presserat, der als Verein organisiert ist, mit „der Angelegenheit befassen“ will. Wie der Geschäftsführer des Presserats, Alexander Warzilek, gegenüber ORF.at betonte, sei es „nicht alltäglich“, dass sich eine staatliche Einrichtung an den Presserat wendet. Es gab in der Vergangenheit nur zwei solche Fälle.

Die Beschwerde des Innenministeriums gegen den „Falter“ ging Mittwochnachmittag beim Presserat ein. Erstmals befassen wird sich das Gremium am 24. Oktober damit. Dabei wird aber nur darüber entschieden, ob überhaupt ein Verfahren eingeleitet wird.

Vertrauen Basis zwischen Politik und Medien

Dass das Innenministerium die Anfragen von Klenk im Wortlaut veröffentlichte, ist nicht nur ein völlig ungewöhnliches Vorgehen – im Umgang von Journalistinnen und Journalisten mit Behörden und Politikern gilt allgemein ein Vertrauensgebot. Es ist etwa gang und gäbe, dass Journalisten Hintergründe erläutert werden, um Zusammenhänge nachvollziehbar zu machen – diese dann aber „off record“ gesagt werden und Medienvertreter diese dann auch nicht publizieren. Ähnliches gilt auch umgekehrt.

Klenk-Mails „schützenswerte Daten“

Zudem könnte die Veröffentlichung auch gegen die EU-Datenschutzgrundverordnung verstoßen, wie etwa die Medienanwältin Maria Windhager gegenüber der APA sagte. Denn E-Mail-Verkehr an sich stelle nach dieser relativ neuen Rechtslage „personenbezogene Daten“ dar: Nicht nur Mailadressen, sondern auch der Inhalt und „der Umstand, dass er überhaupt geschrieben hat“, seien schützenswerte Daten, deren Veröffentlichung der Verfasser zustimmen müsste. Und dass Klenk selbst eine seiner Mails veröffentlichte, sei zulässig, da er selbst sie geschrieben hatte.

Kurz will Presserat abwarten

Unterstützung erhielten Kickl und Goldgruber von Vizekanzler und FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache. Er warf Klenk vor, er habe „keine solide Recherche“ gemacht, und das sei „traurig und schade“. „Redlicher Journalismus“ sei es, dass man, wenn man Unterstellungen in den Raum stelle, beim Betroffenen rückfrage. Klenk habe aber nicht um eine Stellungnahme des Generalsekretärs im Innenministerium, Goldgruber, angefragt.

Der Koalitionspartner, ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz, wollte nur sehr knapp auf das Thema eingehen: „Der Presserat ist am Zug.“ Er unterstützt damit das angekündigte weitere Vorgehen des Innenministeriums. Der Presserat ist eine Selbstregulierungseinrichtung der heimischen Medien, der etwa im Falle von Verstößen gegen den journalistischen Kodex Rügen erteilt.

Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal betonte auf Klenks Frage, ob künftig zu befürchten sei, dass „vertrauliche Kommunikation mit RegierungspressesprecherInnen ohne Rückfrage öffentlich wird“, ganz allgemein, dass der Regierung ein „vertrauensvoller und faktenbasierter Umgang“ wichtig sei.

Kickl für SPÖ nicht mehr tragbar

Für SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim ist Kickl dagegen nicht länger tragbar. Er sprach von einer „für Kickl bezeichnenden Grenzüberschreitung“ und einem Einschüchterungsversuch. Für Jarolim ist Kanzler Kurz gefordert. Dieser müsse „endlich“ reagieren. Alfred Noll von der Liste Pilz warf Kickl unter Verweis auf die Verweigerung von Antworten auf Anfragen von Medien und Parlament vor, für diesen gelte das Amtsgeheimnis nur, „wenn es ihm gefällt“. Kickl wolle kritische Medien „mundtot machen“.

Nicht erster Vorfall

Erst vor wenigen Tagen war ein internes Schreiben von Kickls Kabinett bekanntgeworden, das an diverse Polizeidienststellen gegangen war. Darin wurde aufgefordert, die Kommunikation mit kritischen Medien auf das nötigste – rechtlich vorgesehene – Maß zu beschränken. Explizit genannt wurden neben dem „Falter“ noch der „Standard“ und der „Kurier“.

Das hatte Kickl von Bundespräsident Alexander Van der Bellen abwärts zahlreiche scharfe Verurteilungen eingebracht. Auch der Koalitionspartner ÖVP distanzierte sich in dieser Causa deutlich vom FPÖ-Minister. „Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel“, sagte Kurz, derzeit auch EU-Ratsvorsitzender, damals von der UNO-Generalversammlung in New York aus. Kickl betonte, er habe von der Mail nichts gewusst.