Pallas Athene vor dem Parlament
ORF.at/Sonja Ryzienski
Umweltverfahren

Höhere Hürden für NGOs geplant

Aufregung herrscht derzeit in Zusammenhang mit der von ÖVP und FPÖ geplanten Verkürzung von Umweltschutzverfahren. Die Regierungsparteien brachten einen Abänderungsantrag durch den Umweltausschuss, der es Vereinen und damit Umwelt-NGOs erschweren dürfte, an den Umweltverträglichkeitsprüfungen als Partei teilzunehmen.

Konkret wollen die Regierungsparteien die Beteiligung von Umweltschutzorganisationen bei Umweltrechtsmaterien offenbar deutlich einschränken. Geplant sei, dass künftig nur noch Organisationen mit mehr als 100 Mitgliedern anerkannt werden, sagte Bruno Rossmann (Liste Pilz) Donnerstagvormittag vor einer regulären Sitzung des Umweltausschusses zu Journalistinnen und Journalisten. Zudem sollen NGOs bei Anträgen künftig verpflichtet sein, Name und Anschrift der Mitglieder anzufügen.

Ein entsprechender Abänderungsantrag, der kurzfristig eingebracht und auf die Tagesordnung gesetzt wurde, zum Umweltverträglichkeitsgesetz wurde am Donnerstag im Umweltausschuss des Nationalrats diskutiert und beschlossen. Rossmann hält die Pläne für „reine Schikane“ gegenüber NGOs. Zudem könnten sie gegen Völkerrecht und Datenschutzbestimmungen verstoßen, vermutete der Nationalratsabgeordnete.

SPÖ „erschüttert“

SPÖ-Umweltsprecher Klaus Feichtinger zeigte sich „erschüttert“ über das Vorgehen. „Die Regierung plant einen Generalangriff auf die Umwelt-NGOs, versucht die zivilgesellschaftliche Beteiligung auszuschalten“, so Feichtinger. SPÖ-Datenschutzsprecher Walter Bacher bezeichnete das Regierungsvorhaben in einer Aussendung zudem als „datenschutzrechtlichen Skandal“.

ÖVP will das schwedische Modell

Der ÖVP-Abgeordnete Johannes Schmuckenschlager, der den Antrag gemeinsam mit Walter Rauch (FPÖ) einbrachte, verteidigte die Änderungen. Die Änderungen bei der Anerkennung von Umweltorganisationen entsprächen dem Modell in Schweden, „das sich bewährt hat“, so Schmuckenschlager zu Mittag in einer Aussendung.

Im Entwurf würden NGOs „sogar mehr nachträgliche Überprüfungsmöglichkeiten eingeräumt“, wie es auch die Aarhus-Konvention vorsehe. Dass die Vereine, sollte der Antrag durchgehen, künftig alle ihre Mitglieder namentlich bekanntgeben müssen, erklärt Schmuckenschlager mit Transparenz: Transparente Verfahren würden „auch eine Transparenz der Verfahrensteilnehmer“ bedingen.

Im Umweltministerium wollte man auf ORF.at-Anfrage keinen Kommentar abgeben und verwies auf die Zuständigkeit des Parlaments.

Ökobüro: Würde viele ausschließen

Die Einschränkung könnte für viele Organisationen das Aus bedeuten. „Es bleiben vielleicht noch 20 über, aber wir müssen das noch genau erheben“, sagte Thomas Alge, Geschäftsführer von Ökobüro, der APA. Die Änderungen könnten zudem einen jahrelangen Rechtsstreit nach sich ziehen. Eigentlich hätte die Rolle der NGOs bei Genehmigungsverfahren mit der Aarhus-Konvention gestärkt werden sollen. Diese räumt behördlich anerkannten Umweltschutzorganisationen ein Mitspracherecht bei der Genehmigung von Großprojekten ein.

In Österreich wären das derzeit laut Alge rund 60. Diese Zahl dürfte nun erheblich zurückgehen: Mit der Abänderung sind nämlich Vereine, die weniger als 100 Mitglieder haben, von Umweltverfahren ausgeschlossen. „Es gibt viele Organisationen, die keine 100 Mitglieder haben“, sagte der Geschäftsführer.

Mindestens drei Jahre

Als neue NGO spontan an einem Umweltverfahren beteiligt zu werden ist – auch mit den notwendigen Mitgliedern – rechtlich nicht möglich. Um als Umweltorganisation amtlich zugelassen zu werden, muss die NGO bereits heute zumindest drei Jahren vor Antragstellung tätig gewesen sein. Spontan können lediglich Bürgerinitiativen gegründet werden, die aber nicht für alle Verfahren zugelassen sind.

Umwelt-NGOs schlagen Alarm

Auch mehrere Umweltschutzorganisationen schlugen am Vormittag Alarm. Greenpeace sprach sogar von einem „besorgniserregenden Schritt in Richtung Orbanisierung“. Sollten die Abänderungsanträge durchgehen, so Greenpeace, „wäre wahrscheinlich der Großteil der anerkannten Umweltschutzorganisationen von Umweltverfahren ausgeschlossen“. Das sei europarechts- und völkerrechtswidrig und ein schwerwiegender Verstoß gegen den Datenschutz. Greenpeace, WWF, Global 2000 und andere forderten von den Koalitionsparteien, den Antrag nicht einzubringen.

„Das ist ein unfassbarer Frontalangriff“, protestierte auch Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von Global 2000. Die Bundesregierung mache sich „zum Erfüllungsgehilfen von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer und lässt sich von ihnen offenbar die Gesetze diktieren“. Kritik kam auch von den Grünen: Die Regierung wolle die Mitsprache und Einspruchsmöglichkeit von Bürgern und Bürgerinnen und Umweltschutzorganisationen „noch einmal rabiat einschränken“, so der grüne Bundessprecher Werner Kogler.

Umsetzung der Aarhus-Konvention

Mit dem „Umweltpaket“ soll die vor mehr als 20 Jahren unterzeichnete Aarhus-Konvention in heimisches Recht umgesetzt werden. Die Konvention und die UVP-Richtlinie garantieren Umweltschutzorganisationen ein Mitspracherecht, wenn es um die Genehmigung von Großprojekten wie Mülldeponien, Schnellstraßen und Industrieanlagen geht.