Markus Söder (CSU), bayerischer Ministerpräsident
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Landtagswahl

Bayern vor dem großen Umbruch

Am Sonntag wählt Bayern einen neuen Landtag. Dass es für die jahrzehntelang regierende CSU ein böses Erwachen geben könnte und die AfD wohl einen Erfolg einfährt, wird schon seit Wochen debattiert. Doch dahinter könnte sich die gesamte Politlandschaft des Freistaats verändern – mit einer Rekordzahl an vertretenen Parteien im Landtag.

Seit 1957 stellt die CSU den bayrischen Ministerpräsidenten. Und seit 1966 waren die Christlich-Sozialen nur einmal – von 2008 bis 2013 – auf einen Koalitionspartner angewiesen. Glaubt man den Umfragen, so könnte sich das nach der Wahl ändern. Schwierig würde dann eine Koalitionsbildung sowieso werden, auch wenn bei bis zu sieben Parteien im Landtag die Auswahl an Partnern für die CSU recht groß wäre.

In den letzten Umfragen lag die CSU durchgehend bei 35, 36 Prozent, in einer nur noch bei 33 Prozent. Das wäre ein Absturz von mindestens zwölf Prozentpunkten gegenüber der Wahl 2013 und so etwas wie eine Zeitenwende im Freistaat. Gründe dafür sehen Expertinnen und Experten viele. Zunächst gäbe es denn allgemeinen Polittrend, dass die großen Volksparteien ihre Vormachtstellung verlieren, dieser käme jetzt – reichlich spät, aber doch – auch in Bayern an. Die meisten Gründe sind aber hausgemacht.

Grafik zeigt  Umfragewerte der Parteien im Vergleich zum Wahlergebnis 2013, Sitze im Landtag
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Interne Macht- und Grabenkämpfe

Über lange Zeit widmete sich die CSU vor allem internen Macht- und Grabenkämpfen, allen voran dem Führungsstreit zwischen Markus Söder und Horst Seehofer. Im März einigte man sich dann auf einen Kompromiss: Söder löste Seehofer als Ministerpräsident ab und wurde Spitzenkandidat, Seehofer blieb Parteichef und ging als Innenminister nach Berlin ins Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Bundesinnenminister Horst Seehofer und Markus Söder (CSU), bayerischer Ministerpräsident
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Seehofer und Söder – nicht immer im besten Einverständnis

Als besonders gelungene Lösung stellt sich das im Nachhinein nicht dar. Söders Imagewerte könnten besser sein, auch der Wandel vom Scharfmacher zum Landesvater wirkt für viele nicht nachvollziehbar. Und Beobachtende beschreiben sein Agieren als hyperaktiv. Dass er vergangene Woche etwa noch eine bayrische Raumfahrtstrategie „Bavaria One“ präsentierte, sorgte vielerorts für Spott.

Frust über Koalition in Berlin

Mehr Einfluss hat aber wohl die wachsende Unzufriedenheit in Deutschland mit der Neuauflage der Großen Koalition. Diese färbte freilich auch auf die CSU ab, mehr aber noch: Seehofer selbst löste im Dauerclinch mit Merkel eine Regierungskrise nach der anderen aus. Schon im Kabinett davor hatten die CSU-Minister nicht immer die beste Figur gemacht: Als Landwirtschaftsminister löste Christian Schmidt etwa mit seinem Alleingang zum Pestizid Glyphosat Kopfschütteln aus, auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt hatte häufig für Irritationen gesorgt.

Seehofers harte Linie

Das entscheidende Thema der vergangenen Monate war allerdings die Flüchtlings- und Migrationsfrage, bei der Seehofer eine harte Linie vertrat – und dabei auch die Schwesterpartei CDU vor den Kopf stieß. Der Kurs des Innenministers sei vor allem vom Aufstieg der rechtspopulistischen AfD geprägt, hieß es unisono immer wieder.

Seehofers Politik wurde als Versuch gewertet, die Abwanderung von Wählerinnen und Wählern zur AfD zu stoppen, indem man dieser die Stammtischhoheit bei der Migrationsfrage nicht kampflos überlässt. Bei der deutschen Bundestagswahl vor einem Jahr hatte CSU stärker als die CDU verloren, und in keinem anderen westlichen Bundesland war die AfD so stark wie in Bayern. In einigen Wahlkreisen erreichte die AfD damals mehr als 16 Prozent.

Publikum rechts und links verloren

Wie diese Strategie aufgeht, wird man erst am Sonntag sehen, doch glaubt man den Umfragen, so war sie eher ein Schlag ins Wasser: Während die CSU die Wählerschaft am rechten Rand nicht halten kann, verliert sie mit ihren harten Positionen auf der anderen Seite ihr liberales und christlich-soziales Klientel an Mitbewerber.

In den vergangenen Wochen hatte die CSU den Ton gegenüber der AfD verschärft, die Rechtspopulisten liegen in den Umfragen dennoch zwischen zehn und 15 Prozent – und das, obwohl die Partei in Bayern nicht besonders gut organisiert ist. Die Kür eines Spitzenkandidaten scheiterte an internen Streitereien, die bis vor Gericht gingen. Der Landeschef Martin Sichert sitzt eigentlich im Bundestag – und strebt auch kein Landtagsmandat an.

Ein Fähnchen der AfD
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Bayern scheint für die AfD ein gutes Pflaster zu sein

Erinnerung an Republikaner

Erfahrung mit Druck von rechts hat man in der CSU eigentlich. Als sich Anfang der 1980er Jahre die Republikaner von der CSU abspalteten und mit Parteichef Franz Schönhuber das politische Establishment verschreckten, gab der damalige bayrische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß die Parole aus, dass es rechts von der CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe.

1990 schrammten die Republikaner dennoch nur hauchdünn am Einzug in den bayrischen Landtag vorbei. Auch das Beispiel von damals zeigt: In Bayern gibt es jedenfalls Potenzial für rechtsgerichtete Parteien, der Aufschwung der AfD ist also nicht nur den aktuellen Entwicklungen in der deutschen Politik geschuldet.

Grüne auf Platz zwei?

Dass sich die CSU nach eher rechts orientiert hat, begünstigt vor allem eine Partei: die Grünen. In Umfragen liegen sie bei 16 bis 18 Prozent und damit recht stabil auf dem zweiten Platz. Damit gibt es laut diesen Umfragen auch die Möglichkleit, mit der CSU eine Zweierkoalition zu bilden. Beobachterinnen und Beobachter sehen darin eine recht schwierige, aber keine unmögliche Konstellation.

Annalena Baerbock , Katharina Schulze und Ludwig Hartmann (Die Grünen)
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Aufbruchstimmung bei den bayrischen Grünen

Das Spitzenduo der Grünen, Ludwig Hartmann und Katharina Schulze, mag über die bayrischen Landesgrenzen hinweg noch praktisch unbekannt sein, doch die Partei profitiert auch von den bundesweit guten Umfrageergebnissen. Die Grünen haben sich gegenüber der Großen Koalition als Opposition ganz gut in Stellung gebracht – und dass dabei mit Anton Hofreiter ein Bayer im Bundestag kräftig mitmischt, dürfte ebenfalls für Rückenwind sorgen.

Desaströse Umfragewerte der SPD

Genau der umgekehrte Effekt scheint bei der SPD einzutreten. Als Juniorpartner in der Großen Koalition in Berlin konnte man die Abwärtsspirale der vergangenen Monate nicht stoppen. Bayern ist für die Sozialdemokraten – abgesehen von den Bürgermeisterwahlen in München – ohnehin ein hartes Pflaster. Spitzenkandidatin Natascha Kohnen sieht sich aktuell mit desaströsen Umfragewerten zwischen elf und 13 Prozent konfrontiert. Vor fünf Jahren lag die SPD immerhin noch bei über 20 Prozent.

Natascha Kohnen (SPD)
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Natascha Kohnen führt seit dem Vorjahr die bayrische SPD an

Bis zu sieben Parteien im Landtag

Der SPD gefährlich nahe könnten die Freien Wähler kommen, die bei rund zehn Prozent liegen. Die in einigen Regionen Bayerns gut verankerte Partei sah sich zuletzt wieder im Aufwind und nahe an ihrem besten Ergebnis aus dem Jahr 2008, das vor allem von der schillernden CSU-Abtrünnigen Gabriele Pauli getragen wurde. Die Freien Wähler gelten als politisch flexibel – und CSU-kompatibel – und damit als idealer Koalitionspartner der Christlich-Sozialen. Nur: Dass die beiden Parteien eine Mehrheit schaffen, scheint schwierig, angewiesen wäre man wohl auch auf Mandate der FDP, die auf einen Wiedereinzug in den Landtag hofft.

2013 waren die Liberalen nach einer Koalition mit der CSU an der Fünfprozenthürde gescheitert, die am Sonntag laut Umfragen durchaus in Reichweite ist. Mit den Liberalen wären damit sechs Fraktionen im Landtag vertreten – so viele wie noch nie zuvor. Und auch eine siebente Partei pirscht sich heran: Die Linke liegt in Umfragen zwischen vier und fünf Prozent, ein Einzug der Partei in Bayern wäre eine echte Überraschung.