Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad
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Friedensnobelpreis

Kampf gegen sexuelle Gewalt ausgezeichnet

Der diesjährige Friedensnobelpreis geht an den Arzt Denis Mukwege aus der Demokratischen Republik Kongo und die Jesidin Nadia Murad, wie die norwegische Jury am Freitag mitteilte. Beide würden geehrt „für ihre Anstrengungen, der sexuellen Gewalt als Kriegswaffe ein Ende zu bereiten“, so die Vorsitzende des Nobelkomitees, Berit Reiss-Andersen.

Die Preisträgerin und der Preisträger hätten wesentliche Beiträge dazu geleistet, die Aufmerksamkeit der Welt auf derartige Kriegsverbrechen zu lenken, und herausragend gegen diese Kriegsverbrechen gekämpft, begründete das Nobelkomitee seine Entscheidung.

Der 63 Jahre alte Gynäkologe Mukwege behandelt in seiner von Konflikten zerrissenen Heimat DR Kongo Tausende Opfer von Gruppenvergewaltigungen. Dafür gründete er 1999 das Panzi-Krankenhaus in Bukavu im instabilen Osten des Landes, wo er den Patientinnen und Patienten auch psychologische, juridische und finanzielle Unterstützung anbietet. „Die Bedeutung von Doktor Mukweges engagierten und selbstlosen Bemühungen in diesem Bereich kann nicht genug betont werden“, so die Nobelpreis-Jury.

Drei Monate in IS-Gefangenschaft

Murad setzt sich ebenfalls gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen ein. Sie war von der Terrormiliz Islamischer Staat in ihrer Heimat Irak entführt und als Sexsklavin gefoltert worden. Dieser Missbrauch sei systematisch und Teil einer militärischen Strategie gewesen, so die Jury. Die heute 25-jährige Murad überlebte eine dreimonatige IS-Gefangenschaft und war danach auf Initiative des Ministerpräsidenten des deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, nach Deutschland gekommen. Sie lebt weiterhin in dem Bundesland und macht als Sonderbotschafterin der Vereinten Nationen auf die Qualen der IS-Opfer aufmerksam.

Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad
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Die jesidische Aktivistin Nadia Murad bei einer Rede

Jesiden gezielt verfolgt

Verfolgung und Vertreibung sind für die seit Jahrtausenden bestehende Religionsgruppe nichts Neues. Für den IS sind die Jesiden eine Ansammlung von Teufelsanbetern und Ungläubigen. Diese Vorurteile werden auch von vielen orthodoxen Muslimen geteilt. Jesidinnen und Jesiden glauben an einen Gott wie Christen und Muslime auch. Allerdings verehren sie auch Melek Taus, einen der Überlieferung nach gefallenen Engel – mehr dazu in religion.ORF.at.

Von Preis vollkommen überrascht

Für die Gewinnerin und den Gewinner des Friedensnobelpreises kam die Auszeichnung am Freitag völlig überraschend: Die Jury hatte weder Mukwege noch Murad vor der Verkündung erreicht. Mukwege stand gerade im Operationssaal, wie er der norwegischen Zeitung „Verdens Gang“ später berichtete. Plötzlich habe es draußen Lärm gegeben, Leute seien hereingestürmt und hätten ihm die Nachricht überbracht. „Sie können sich vorstellen, wie glücklich ich bin“, sagte er am Telefon, bevor die Verbindung abbrach.

Arzt Denis Mukwege
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Der Arzt Denis Mukwege setzt sich in der DR Kongo für vergewaltigte Frauen ein

Fachleute hatten sich im Vorfeld schwergetan, einen Nobelpreisträger vorherzusagen. Kurz vor der Bekanntgabe waren die Namen von Mukwege und Murad aber immer höher gehandelt worden – auch als Würdigung für die „MeToo“-Bewegung gegen sexuelle Belästigung.

Die Jury hatte sich in diesem Jahr unter 331 Anwärtern entscheiden müssen – 216 Personen und 115 Organisationen waren für den Preis vorgeschlagen. Im vergangenen Jahr hatte die Anti-Atomwaffen-Kampagne ICAN den renommierten Preis für ihr Ringen um nukleare Abrüstung bekommen.

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Trotzdem Mukwege und Murad nicht gemeinsam gegenüber dem Nobel-Komitee aufgetreten und auch tausende Kilometer voneinander entfernt tätig sind, gibt es Verbindungen und Ähnlichkeiten.

UNO-Chef lobt „mutigen Einsatz“

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hat den „mutigen Einsatz“ der Friedensnobelpreisträger Nadia Murad und Denis Mukwege gelobt. Die Vereinten Nationen würden die Arbeit der irakischen Menschenrechtsaktivistin und des kongolesischen Arztes weiterhin unterstützen, teilte Guterres am Freitag auf Twitter mit.

„Sexuelle Gewalt in Konflikten ist eine Bedrohung für den Frieden und beschmutzt unsere Menschheit. Trotzdem bleibt sie weit verbreitet“, so der Generalsekretär. Auch Spitzenvertreter der EU haben den Preisträgern zum Friedensnobelpreis gratuliert. „Dem Mut, der Leidenschaft und der Menschlichkeit, die die beiden in ihrem täglichen Kampf demonstrieren, gehört mein allergrößter Respekt“, kommentierte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitag.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gratulierte Murad und Mukwege zur Zuerkennung des diesjährigen Friedensnobelpreises. Murad habe der Kanzler „bereits persönlich kennenlernen“ dürfen. Er sei „beeindruckt von ihrer Persönlichkeit“, teilte der Kanzler am Freitag in einer der APA übermittelten Stellungnahme mit.

Lob von Iraks Präsidenten und Jesiden

Lob kam ebenso von Iraks neuem Präsidenten. Barham Saleh hat die Vergabe des Friedensnobelpreises an die irakische Jesidin Nadia Murad als „Ehre für alle Iraker, die gegen Terrorismus und Fanatismus gekämpft haben“, bezeichnet. Die Auszeichnung sei eine „Anerkennung der tragischen Not“ der Jesiden und von Murads „Mut zur Verteidigung der Menschenrechte der Opfer von Terror und sexueller Gewalt“, schrieb Saleh am Freitag im Kurzmitteilungsdienst Twitter.

Auch irakische Jesiden haben die Auszeichnung der Menschenrechtsaktivistin Murad mit dem Friedensnobelpreis begrüßt. Zahlreiche jesidische Vereine und Organisationen lobten die Auszeichnung als wichtige Unterstützung für die Opfer sexueller Gewalt.

Kritik von Kongos Regierung

Kritik kam hingegen von der kongolesischen Regierung. Diese hat Mukwege für seine politische Haltung angegriffen. Man fühle sich zwar „geehrt“, dass ein Kongolese diese Auszeichnung bekommen habe, sagte Regierungssprecher Lambert Mende am Freitag. „Der Kampf, den er führt, ist ein schwieriger und nobler.“

Allerdings habe die Regierung nie Mukweges Meinung über die Lage im Land geteilt. „Er hat begonnen, den Kampf (gegen sexuelle Gewalt) zu politisieren“, sagte er mit Blick auf Mukweges politisches Engagement.

Preis wird in Oslo verliehen

Der Friedensnobelpreis gilt als wichtigste politische Auszeichnung der Welt. Ins Leben gerufen wurde er vom 1896 gestorbenen schwedischen Dynamiterfinder Alfred Nobel. In seinem Testament beauftragte er das norwegische Parlament, jährlich bis zu drei Persönlichkeiten oder Organisationen für ihre Verdienste um die Menschheit zu ehren.

Ausgezeichnet werden soll, wer „am meisten oder besten für die Verbrüderung der Völker gewirkt hat, für die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie für die Bildung und Verbreitung von Friedenskongressen“. Seit 1960 wird auch der Einsatz für Menschenrechte und seit 2004 das Wirken für die Umwelt geehrt.

Die Auszeichnung für Frieden wird als einziger der fünf Nobelpreise im norwegischen Oslo statt in Schwedens Hauptstadt Stockholm vergeben. Die Preisträgerinnen und Preisträger werden im Oktober bekanntgegeben, erhalten ihre Medaille und Urkunde aber erst am Todestag Nobels, dem 10. Dezember. Dazu gibt es ein Preisgeld von neun Millionen schwedischen Kronen (rund 860.000 Euro).