Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hatte argumentiert, dass der Wald mit seinem Bechsteinfledermaus-Vorkommen die Qualitäten eines europäischen FFH-Schutzgebietes habe und deshalb geschützt werden müsse. RWE habe nicht ausreichend belegt, dass die Rodung nötig sei, um die Energieversorgung in Deutschland aufrechtzuerhalten, so das Gericht. Der Energiekonzern darf jedoch weiter Braunkohle im Tagebau Hambach fördern, solange der Forst davon nicht betroffen ist, so der Beschluss.
Das Gericht sagte, die Unterlagen dazu umfassten mehrere Kisten, die Rechtsfragen seien so komplex, dass man sie nicht in einem Eilverfahren beantworten könne. Die Rodung müsse vorerst gestoppt werden, damit bis zum Hauptverfahren keine „vollendeten, nicht rückgängig zu machenden Tatsachen geschaffen“ würden, teilte das Gericht mit.
Mindestens ein Jahr verzögert
Wann im juridischen Streit zwischen BUND und dem Land Nordrhein-Westfalen eine endgültige Entscheidung fällt, ist nicht absehbar. In den nächsten Wochen werde noch kein Verhandlungstermin festgelegt, sagte eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts Köln, das für die Entscheidung im Hauptsacheverfahren zuständig ist.
Der „Spiegel“ (Onlineausgabe) berichtete, dass damit die Rodungen wohl um mindestens ein Jahr verschoben sind. Man geht nicht davon aus, dass ein Urteil im Hauptverfahren vor dem Frühjahr fällt. Und die Rodungssaison endet mit März, der nächstmögliche Start wäre damit erst im Oktober des nächsten Jahres.

RWE: Kostet dreistelligen Millionenbetrag
Der Energiekonzern RWE geht selbst von einem Rodungsstopp im Hambacher Forst bis Ende 2020 aus. Es sei damit zu rechnen, dass „möglicherweise erst Ende 2020“ eine bestandskräftige Gerichtsentscheidung vorliegen werde und RWE die Rodung erst anschließend wieder aufnehmen dürfe, sagte das Unternehmen. Das werde auch das Geschäftsergebnis ab 2019 belasten, fuhr der Konzern fort: Der Gewinn vor Steuern des Segments Braunkohle und Kernenergie werde ab 2019 „jährlich mit einem niedrigen dreistelligen“ Millionenbetrag belastet, prognostizierte RWE.
Das Unternehmen wollte in den nächsten Monaten gut 100 der bisher verbliebenen 200 Hektar des Waldes für den fortschreitenden Tagebau abholzen. RWE hält die Rodungen in den nächsten Monaten für „zwingend erforderlich“. Eine vorübergehende Aussetzung der ab Oktober geplanten Abholzung würde die Stromerzeugung in den Kraftwerken infrage stellen. Wegen des freiwilligen Verzichts auf Rodungen im vergangenen Jahr gebe es keinen zeitlichen Puffer mehr.
Baumhäuser geräumt
Klimaaktivistinnen und -aktivisten hatten über Jahre mit ihrer Waldbesetzung gegen die Braunkohle und für den Klimaschutz demonstriert. Immer wieder wurden RWE-Mitarbeiter und Polizei von Vermummten angegriffen. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hatte den Kreis Düren und die Stadt Kerpen angewiesen, die im Wald errichteten Baumhäuser von Rodungsgegnern aus Sicherheitsgründen zu räumen. Die Polizei räumte in den vergangenen Wochen die Baumhäuser.

Symbol für den Klimaschutz
Die Bezirksregierung Arnsberg hatte im Frühjahr den Hauptbetriebsplan für den Braunkohletagebau Hambach bis 2020 genehmigt, der auch die Rodungen erlaubt. Der BUND wollte das bis zu einer endgültigen Entscheidung per vorläufigen Rechtsschutz verhindern. Der früher einmal 4.100 Hektar große Wald mit jahrhundertealten Buchen und Eichen liegt am wohl größten europäischen Braunkohletagebau Hambach zwischen Aachen und Köln. Er gilt mittlerweile als Symbol für den Widerstand gegen die Stromgewinnung durch Braunkohle und für den Klimaschutz.
Die Umweltschützer errangen am Freitag auch einen zweiten juridischen Sieg: Die für Samstag von Braunkohlegegnern geplante Demonstration am Hambacher Forst kann stattfinden. Das Verwaltungsgericht Aachen gab einem Eilantrag des Vereins Naturfreunde Deutschland statt, wie das Gericht mitteilte. Es spreche „Überwiegendes“ dafür, dass das von der Aachener Polizei ausgesprochene Verbot der Demonstration rechtswidrig sei.
Freude bei Umweltschützern
Umweltschutzorganisationen freuten sich über die Entscheidung: Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger zeigte sich „erleichtert, dass die Rodung des Hambacher Waldes vom Tisch ist“. Das sei „ein großer Erfolg für den Naturschutz und auch ein gutes Signal für den friedlichen Protest Tausender Klimaschützer im Hambacher Wald und weit darüber hinaus“.
„Dies ist ein guter Tag für den Schutz von Natur und Klima und ein Meilenstein für die Anti-Kohle-Bewegung“, sagte Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser am Freitag. „Die Entscheidung stoppt die Motorsägen von RWE und entlarvt die mutwillige Eskalationsstrategie des Konzerns.“ Es bestehe jetzt die Möglichkeit, den Hambacher Forst auch dauerhaft zu sichern als Teil des Kohleausstiegs. Gutachten belegten, dass der Wald trotz seiner Nähe zur Tagebaukante erhalten werden könne.
Ministerpräsident will gemeinsame Lösung suchen
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Anton Hofreiter, sieht in dem Rodungsstopp ein „Hoffnungszeichen für alle Klima- und Naturschützer“. Es sei zudem ein gutes Zeichen für die Kohlekommission. Die Entscheidung schaffe „den nötigen Raum für eine politische Lösung: Wir brauchen einen schnellen Kohleausstieg und keine rücksichtslosen Kohlekonzerne“, so Hofreiter.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) riet zum Innehalten. Der Beschluss sei „eine Chance, innezuhalten und nach Lösungen zu suchen, die die Energieversorgung und Arbeitsplätze sichern und den Schutz von Natur und Umwelt gewährleisten“, sagte Laschet am Freitag. „Lasst uns jetzt noch einmal zusammen überlegen“, appellierte er. Es müsse ein Weg gefunden werden, die unterschiedlichen Interessen miteinander zu versöhnen.
Laschet bestritt, dass die Gerichtsentscheidung auch eine Niederlage für ihn persönlich sei. „Ich habe gar nichts unterstützt, sondern die Entscheidung, dass der Hambacher Forst fallen soll, ist eine Entscheidung aus 2016 der Vorgängerregierung aus SPD und Grünen. Wir haben immer gesagt, entscheidend ist, was das Gericht sagt.“