Ein Fluss
ORF.at/Christian Öser
Umweltpolitik

Mayer kritisiert UVP-Änderungen schwer

Die von Opposition und NGOs geäußerte Kritik an der von der Regierung vorgelegten und am Donnerstag im Umweltausschuss beschlossenen Novelle zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-Gesetz) ist für den Wiener Verfassungsrechtler Heinz Mayer nachvollziehbar.

Empörung hat die im Entwurf enthaltene Bestimmung hervorgerufen, dass nur noch NGOs mit mindestens 100 Mitgliedern Parteienstellung in Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung erhalten sollen. Dafür sollen die Umweltorganisationen nach den Vorstellungen der Regierung ihre Mitgliederlisten offenlegen. „Diese Offenlegung halte ich für unzulässig“, sagte Mayer am Freitag. Sollte diese Bestimmung beschlossen werden, würde sie seiner Ansicht nach nicht halten, weil sie der Datenschutz-Grundverordnung widerspreche.

Auch das von der ÖVP ins Treffen geführte Argument der Transparenz – nach schwedischem Vorbild – ist für den Verfassungsjuristen nicht haltbar. „Österreich hat europaweit das strengste Amtsgeheimnis – im Gegensatz dazu wird der ‚gläserne Bürger‘ verlangt“, so der ehemalige Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien im Gespräch mit der APA.

„Druck auf Leute ausüben“

Seiner Ansicht nach gebe es keinen gerechtfertigten Grund, Öffentlichkeit und Behörden darzulegen, wer Mitglied einer NGO ist. „Das kann nur dazu dienen, Druck auf Leute auszuüben – eine ganz unschöne Sache“, konstatierte Mayer.

Verfassungsjurist Heinz Mayer
APA/Helmut Fohringer

„Was die Größe von Umweltorganisationen angeht – da kann man argumentieren“, so Mayer weiter. Für ihn ist vorstellbar, sehr kleine Organisationen mit nur zwei oder drei Mitgliedern von UVP-Verfahren auszuschließen, nicht jedoch solche mit 70 oder 80 Mitgliedern. „Die Zahl 100 ist durch nichts gerechtfertigt“, sagte Mayer und gab gleichzeitig zu bedenken, dass Umweltorganisationen schon jetzt die Anerkennung durch das Ministerium benötigen.

NGOs appellieren an Köstinger

Die Umweltschutzorganisationen liefen auch am Freitag Sturm gegen die Regierungspläne, deren Beteiligung an UVPs zu erschweren. Greenpeace, Global 2000 und WWF appellierten an Landwirtschafts- und Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP).

Diese solle dafür sorgen, dass die Regierungsparteien den Antrag in drei Wochen im Nationalrat zurücknehmen. Andernfalls wäre die Ministerin in ihrer politischen Rolle nicht mehr tragbar. „Der jetzige Vorstoß ist der Höhepunkt einer langen Serie von Angriffen auf den Umweltschutz“, so Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit. Köstinger müsse endlich Verantwortung übernehmen und diesen Wahnsinn stoppen. „Dieser demokratiefeindliche Antrag darf den Nationalrat nicht passieren, ansonsten hat Köstinger ihre Aufgabe als Ministerin für Umweltschutz klar verfehlt und muss zurücktreten.“

Greenpeace erwägt alle rechtlichen Schritte

Man werde an Praktiken wie unter Premier Viktor Orban in Ungarn erinnert, wo zivilgesellschaftliche Organisationen gezielt eingeschüchtert würden, kritisierte Greenpeace weiter. Dagegen werde man sich mit allen Mitteln zur Wehr setzen. Man werde auch in Zukunft an UVP-Verfahren teilnehmen – ohne dabei Datenschutzrechte zu verletzen und Mitgliederdaten an Behörden weiterzugeben.

Werde man dann von der Parteistellung ausgeschlossen, will man rechtliche Schritte ergreifen. „Schwarz-Blau kann davon ausgehen, dass Greenpeace dann jeden einzelnen Fall bis zum Verfassungsgerichtshof bringen und die Organisation für ihr Recht kämpfen wird“, sagte Egit. Die Folge wären eine Rechtsunsicherheit und eine jahrelange Verzögerung von Großprojekten in Österreich.

Global 2000: Errungenschaften in Gefahr

„Das ist demokratiefeindlich, rechtswidrig und verstößt gegen den Datenschutz“, kritisierte Hanna Simons, stellvertretende Geschäftsführerin des WWF Österreich. „Die Bundesregierung will potenziell umweltschädliche Großprojekte durchpeitschen, ohne dabei von kritischen Stimmen gestört zu werden.“ Sie warnte auch vor einem Datenschutzfiasko und einer Bürokratiefalle, weil die Organisationen gar nicht berechtigt seien, ihre Mitgliederlisten ohne deren Zustimmung offenzulegen.

„Der Antrag versucht, die Errungenschaften der österreichischen Umweltpolitik seit der Auseinandersetzung von Hainburg in unsäglicher Weise einzuschränken“, so Leonore Gewessler, Geschäftsführerin von Global 2000. Durch die Latte von mindestens 100 Mitgliedern würden viele der derzeit 57 österreichischen Umweltschutzorganisationen mit Parteienstellung von UVP-Verfahren ausgeschlossen, die über viele Jahre kompetent und konstruktiv für die Verbesserung von Genehmigungen im Abfall-, Wasser- und Luftbereich eingetreten seien.

Kritik auch von Anschober

Derzeitig würde die UVP-Verfahrensdauer ab Vorliegen der vollständigen Unterlagen bis zum Entscheid der Behörde im Durchschnitt sieben Monate betragen, so Global 2000. Dass Verfahren länger dauern, liege häufig an mangelhaften Unterlagen der Projektwerber oder schlicht an der Überlastung der Behörden. „Wir fordern Bundesministerin Köstinger auf, zu dem vermurksten und rechtswidrigen Abänderungsantrag Stellung zu beziehen und dafür zu sorgen, dass er umgehend zurückgezogen wird“, meinte Gewessler.

Die Behauptung, dass NGOs mit Einsprüchen für lange Verfahrensdauern sorgen, sei längst widerlegt, betonte auch der oberösterreichische Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne). Auch er sagte, es seien mangelhafte Unterlagen der Projektwerber, die Verzögerungen verursachen. Die Regierungskoalition agiere mit der geplanten Gesetzesänderung erneut als verlängerter Arm einer Wirtschaftslobby und wolle damit die Arbeit von Umweltorganisationen massiv beschneiden.

Köstinger sieht Mitwirkungsrechte gestärkt

Köstinger sagte, sie könne die harsche Kritik nicht nachvollziehen. „Faktum ist, dass wir über die Umsetzung der Aarhus-Konvention die Mitwirkungsrechte der NGOs gestärkt haben“, sagte sie am Freitag. Gesprächsbereitschaft ließ sie aber durchklingen, wobei sie in einer Pressekonferenz nicht müde wurde zu betonen, dass sie mit der Angelegenheit eigentlich nichts zu tun habe.

Der am Donnerstag beschlossene Antrag sei von den Parlamentsklubs eingebracht worden und nicht Teil der Regierungsvorlage gewesen. „Die Umweltsprecher der beiden Parlamentsklubs haben bereits Signale gesendet, dass sie sich mit den NGOs zusammensetzen wollen“, so die Ressortchefin. Aus ihrer Sicht gilt: „Wenn es noch strittige Punkte zu einem Antrag gibt, den die Parlamentsparteien eingebracht haben, dann finde ich, dass man das ausdiskutieren kann.“

Die Ministerin betonte auch, dass Anrainerinnen und Anrainer und Bürgerinitiativen von den geplanten Änderungen ausgenommen seien. Sie hätten als Betroffene automatisch Parteienstellung in einem UVP-Verfahren. Datenschutzbedenken bezüglich der angedachten Weitergabepflicht von NGO-Mitgliederdaten an die Behörden hat Köstinger nicht. Die Daten würden ja nicht veröffentlicht, die Sache sei somit auch datenschutzrechtlich nicht relevant.